Das Bundesstrafgericht ist im Rahmen der internationalen Rechtshilfe zum Entscheid sowohl über Entsiegelungsgesuche als auch über dagegen gerichtete Beschwerden zuständig, wobei im Rechtsmittelverfahren allerdings andere Richter mitwirken müssen. Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht mit Urteil vom 6. Januar 2012 (vereinigte Verfahren 1C_365/2011 und 1C_371/2011).
Zum Sachverhalt: Eine deutsche Staatsanwaltschaft führte gegen den in der Schweiz wohnhaften Beschwerdegegner ein Ermittlungsverfahren. Bei der aufgrund eines Rechtshilfeersuchens durchgeführten Hausdurchsuchung wurden Unterlagen versiegelt. Daraufhin ersuchte die Oberzolldirektion die II. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts um Entsiegelung. Die Beschwerdekammer trat auf das Gesuch mangels Zuständigkeit nicht ein. Gegen den Nichteintretensentscheid führten die Oberzolldirektion und das Bundesamt für Justiz jeweils Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
1. Zunächst ist die Zulässigkeit der Beschwerde zu klären:
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er u.a. eine Beschlagnahme betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Bei der Entsiegelung geht es darum, inwieweit Schriftstücke durchsucht und beschlagnahmt werden dürfen (vgl. Art. 248 Abs. 1 StPO), weshalb sie in engem Zusammenhang mit der Beschlagnahme steht. Das Bundesgericht betrachtet zudem die Frage, welche Behörde zum Entscheid über ein solches Entsiegelungsgesuch zuständig ist, als eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die öffentlich-rechtliche Beschwerde ist somit in diesem Fall zulässig (E. 1.3.2).
2. Im Hinblick auf die gerichtliche Zuständigkeit für Entsiegelungsentscheide äussert sich das Urteil detailliert zur Rechtsgrundlage:
Nach Art. 12 Abs. 1 IRSG wenden die Bundesverwaltungsbehörden das VwVG an; gemäss Art. 1 VStrR gilt für die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen durch eine Verwaltungsbehörde des Bundes das VStR. Und Art. 25 Abs. 1 VStrR bestimmt, dass die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Beschwerden und Anstände urteilt. Das für die Oberzolldirektion in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht ist demnach das VStrR, wonach grundsätzlich das Bundesstrafgericht zuständig ist (E. 2.2.1–2.2.2).
Das VwVG und das VStrR gelten aber laut Art. 12 Abs. 1 IRSG nur, wenn das IRSG nichts anderes bestimmt. In Art. 9 Satz 2 IRSG ist festgehalten, dass für die Siegelung die Art. 246–248 StPO sinngemäss gelten. Nach Art. 248 StPO sind Aufzeichnungen und Gegenstände, die nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, zu versiegeln (Abs. 1). Stellt die Strafbehörde innerhalb von 20 Tagen ein Entsiegelungsgesuch, so entscheidet darüber innerhalb eines Monats endgültig: a) im Vorverfahren das Zwangsmassnahmengericht; b) in den anderen Fällen das Gericht, bei dem der Fall hängig ist (Abs. 3). Das vorliegende Rechtshilfeverfahren führt die Oberzolldirektion; es ist bei keinem Gericht hängig. Bei sinngemässer Anwendung von Art. 248 Abs. 3 StPO entscheidet über das Entsiegelungsgesuch daher das Zwangsmassnahmengericht (E. 2.2.4).
Da der Bund kein eigenes Zwangsmassnahmengericht geschaffen hat, entscheiden nach Art. 65 Abs. 1 StBOG die kantonalen Zwangsmassnahmengerichte am Sitz der Bundesanwaltschaft oder ihrer Zweigstellen in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit über alle Zwangsmassnahmen gemäss Art. 18 Abs. 1 StPO. Diese Bestimmung betrifft nach seinem klaren Wortlaut die Bundesanwaltschaft und Fälle der Bundesgerichtsbarkeit (Art. 23 f. StPO), nicht jedoch die Oberzolldirektion und die von ihr geführten Verwaltungsstrafverfahren. Ausserdem ist dieses Gesetz auf die Oberzolldirektion gemäss Art. 1 Abs. 1 StBOG nicht anwendbar. Die sinngemässe Anwendung von Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO i.V.m. Art. 9 Satz 2 IRSG führt demnach zu keinem Ergebnis. Damit bleibt es nach Art. 12 Abs. 1 IRSG bei der Anwendbarkeit des VStrR, wonach die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über das vorliegende Entsiegelungsgesuch zuständig ist (E. 2.2.4).
Dem Einwand der Vorinstanz, dass sie, wenn sie über Entsiegelungen zu entscheiden hätte, bei Beschwerden gegen die Schlussverfügung hin gegebenenfalls ihre eigene Zwischenverfügung überprüfen müsste, folgt das Bundesgericht jedenfalls im Grundsatz nicht. Soweit in einer derartigen Konstellation andere Richter mitwirken, stellt sich das Problem der Vorbefassung nicht. Von den Richtern kann erwartet werden, dass sie in der Lage sind, den Entscheid der anderen Kammer bzw. Abteilung unvoreingenommen zu prüfen. Es ist somit zulässig, dass eine Kammer bzw. Abteilung eines Gerichts den Entscheid einer anderen überprüft (2.3.2).
Problematisch ist hingegen, dass das Bundesstrafgericht seine beiden Beschwerdekammern mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 zusammengelegt hat. Mit mit Blick auf die verfassungsmässige Garantie des unvoreingenommenen und nicht vorbefassten Gerichts (Art. 30 Abs. 1 BV) geht es nicht an, dass die Beschwerdekammer auf Beschwerde gegen die Schlussverfügung hin ihren eigenen Entsiegelungsentscheid überprüft. Folglich muss das bis zum 31. Dezember 2011 geltende System mit zwei Beschwerdekammern im Fall eines Entsiegelungsentscheides beibehalten werden. Zumindest muss sich die Beschwerdekammer im Beschwerdeverfahren aus anderen Richtern zusammensetzen. Das Bundesstrafgericht muss sich so neu organisieren, dass es seine ihm vom Gesetz übertragenen Aufgaben in verfassungsmässiger Weise nachkommen kann (E. 2.3.3).
Das Bundesgericht heisst die beiden Beschwerden gut. So auch das Ergebnis des gleichentags gefällten Urteils zu einem Nichteintretensentscheid bezüglich eines Rechtshilfeverfahrens für Italien (vereinigte Verfahren 1C_367/2011 und 1C_373/2011).