4A_360/2011: Schiedsgericht ignoriert Eingabe: Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots, aber des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Das BGer kassiert ein Urteil eines ICC-Schieds­gerichts wegen Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs. Die exk­lu­sive Ver­trieb­spart­ner­in für bes­timmte Gebi­ete erhob gegen die Her­stel­lerin Schied­sklage auf Schaden­er­satz nach deren Beendi­gung der Ver­trags­beziehung. Der Einzelschied­srichter hiess die Klage und die Widerk­lage der Her­stel­lerin teil­weise gut.

Die Her­stel­lerin gelangte anschliessend ans BGer und erhob u.a. die Rüge der Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs. Unstrit­tig war, dass der Einzelschied­srichter Post-Hear­ing Briefs der Her­stel­lerin nicht beachtet hat­te. Er begrün­dete dies mit IT-Prob­le­men nach der Ein­führung eines neuen Infor­matiksys­tems in sein­er Kan­zlei. Vor BGer macht­en er — und die ehe­ma­lige Ver­trieb­spart­ner­in — gel­tend, das Verse­hen habe den Ver­fahren­saus­gang nicht beeinflusst.

Das BGer hält zunächst fest, dass darin keine (rel­e­vante) Ungle­ich­be­hand­lung der Parteien liege. Das Prinzip der Gle­ich­be­hand­lung der Parteien (IPRG 190 II d) ist in zeitlich­er Hin­sicht auf das “Ver­fahren” anwend­bar (vgl. etwa BGE 133 III 139: “Enfin, en ver­tu du principe d’é­gal­ité, le tri­bunal arbi­tral doit traiter les par­ties de manière sem­blable à toutes les étapes de la procé­dure”). Es ist demge­genüber nicht ver­let­zt, wenn das Schieds­gericht einen von ein­er Partei angerufe­nen Rechts­grund­satz oder ein behauptetes Sachver­halt­se­le­ment nicht beachtet, denn dadurch würde im Ergeb­nis eine Willkür­rüge eingeführt:

Aus­si bien, vouloir assim­i­l­er à une vio­la­tion de l’é­gal­ité entre les par­ties le fait pour un tri­bunal arbi­tral de ne pas tenir compte, par inad­ver­tance ou pour toute autre rai­son, d’une règle de droit per­ti­nente invo­quée par une par­tie ou d’un fait déter­mi­nant allégué par elle, reviendrait à intro­duire, par la voie pré­to­ri­enne et sous cou­vert du moyen pris de la vio­la­tion de l’art. 190 al. 2 let. d LDIP, le grief d’ar­bi­traire (sur cette notion, cf. ATF 136 III 552 con­sid. 4.2 p. 560), alors que, pré­cisé­ment, le lég­is­la­teur fédéral n’a pas voulu qu’une sen­tence en matière d’ar­bi­trage inter­na­tion­al puisse être annulée pour ce motif. Il faut donc admet­tre que le principe d’é­gal­ité n’est pas touché par l’ap­pré­ci­a­tion des preuves et l’ap­pli­ca­tion du droit effec­tuées dans une telle sen­tence, fussent-elles insoutenables 

Demge­genüber ist der Anspruch auf rechtlich­es Gehör ver­let­zt, wenn das Schieds­gericht entschei­der­he­bliche Behaup­tun­gen, Argu­mente, Beweise oder Beweisof­fer­ten nicht zur Ken­nt­nis nimmt. In einem solchen Fall obliegt es dem Schieds­gericht darzule­gen, dass die nicht berück­sichtigten Fak­toren für den Entscheid nicht entschei­drel­e­vant waren oder dass sie im Urteil stillschweigend zurück­gewiesen wor­den waren. 

Im vor­liegen­den Fall gelang dies dem Schied­srichter nicht. Er hat­te Argu­mente der Beschw­erde­führerin zu zwei rel­e­van­ten Punk­ten schlicht ignori­ert. Eine stillschweigende Zurück­weisung der Argu­mente war nicht anzunehmen. Auch dass der Schied­srichter ex aequo et bono entschei­den durfte, half ihm dabei nicht. Das BGer hob das ange­focht­ene Urteil daher ins­ge­samt auf.