Im Entscheid 4A_342/2015 vom 26. April 2016 befasst sich das Bundesgericht mit der Frage, ob das Schiedsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzte, als es den Antrag der Klägerinnen abwies, nach Erhalt der Klageantwort weitere schriftliche Zeugenaussagen und ein Rechtsgutachten einreichen zu dürfen.
Die Parteien einigten sich in einem internationalen Schiedsverfahren darauf, das Verfahren in einer ersten Phase auf die Beurteilung bestimmter Fragen zu beschränken, wobei sich diese erste Phase auf einen einfachen Schriftenwechsel beschränkte und das Schiedsgericht nach Zustellung der Klageantwort einen Schiedsspruch über diese Fragen erlassen würde.
Die Klageschrift datierte vom 29. August 2014, die Klageantwort vom 19. Dezember 2014. Am 4. Februar 2015 erklärte das Schiedsgericht die erste Phase des Schiedsverfahrens für beendet. Am 5. Februar 2015 erklärten die Klägerinnen, dass sie weitere schriftliche Zeugenaussagen (rebuttal witness statements) und ein zusätzliches Rechtsgutachten (rebuttal expert opinion) einreichen möchten und dass diese Dokumente neue tatsächliche und rechtliche Elemente enthielten, was einen zweiten Schriftenwechsel rechtfertigen würde. Das Schiedsgericht wies den Antrag mit Verweis auf die vereinbarten Verfahrensregeln ab. Die Klägerinnen argumentierten daraufhin, dass die Verfahrensregeln in diesem Punkt nicht klar seien und nach einer objektiven Auslegung nicht jegliche Möglichkeit unterbinden würden, zu den Tatsachenbehauptungen und Beweisofferten der Gegenpartei Stellung zu beziehen; die gegenteilige Auffassung wäre mit der Minimalgarantie des rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 182 Abs. 3 IPRG nicht vereinbar. Das Schiedsgericht hielt an seiner Auffassung fest und erliess einen Partial Award. Die Beklagte erhob gegen diesen Schiedsspruch Beschwerde mitunter wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das Bundesgericht erklärte, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör im kontradiktorischen Verfahren weit davon entfernt sei, unbegrenzt zu sein (“loin d’être illimité”); im Gegenteil bestünden wichtige Einschränkungen im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. So könne die relativ strenge bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Replikrecht nicht unbesehen auf die interne und internationale Schiedsgerichtsbarkeit übertragen werden. In der Schiedsgerichtsbarkeit beinhalte der Anspruch auf rechtliches
Gehör keinen zwingenden Anspruch auf Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels, sofern der Kläger die Möglichkeit habe, in der einen oder
anderen Form Stellung zu nehmen auf die nachträglich vorgebrachten Argumente des Beklagten,
insbesondere zu einer etwaigen Widerklage (E. 4.1.2):
Dans le même ordre d’idées, il faut bien voir que les exigences relativement strictes formulées par le Tribunal fédéral quant au droit de réplique, à la lumière de la jurisprudence de la CourEDH (…), ne peuvent pas être reprises telles quelles en matière d’arbitrage interne et international. Aussi bien, il est généralement admis, en ce domaine, que la garantie du droit d’être entendu n’implique pas un droit absolu à un double échange d’écritures, pour autant que le demandeur ait la possibilité de se déterminer sous une forme ou une autre sur les moyens articulés par le défendeur en second lieu, en particulier sur d’éventuelles conclusions reconventionnelles (…), même si cette manière de faire est usuelle (…).
Die Frage nach der Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss im konkreten Kontext des jeweiligen Schiedsverfahrens geprüft werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein punktueller ex ante Verzicht auf diesen Anspruch zulässig ist, sofern dieser Entscheid in Kenntnis der Sachlage getroffen und der Kerngehalt dieses Anspruchs nicht beeinträchtigt wird.
Das Bundesgericht erklärte weiter, dass das Schiedsgericht auf der Grundlage der Schreiben der Parteien auf einen übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Parteien betreffend die Anzahl der Schriftenwechsel geschlossen habe. An diesem vom Schiedsgericht festgestellten Sachverhalt sei das Bundesgericht gebunden. Die Beschwerdeführerinnen hätten rechtsgültig auf ihr Replikrecht verzichtet und es erscheine unvereinbar mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich die Klägerinnen im Nachhinein über die Konsequenzen ihrer prozessualen Abrede beschweren (E. 4.2.2.2):
Venir se plaindre ex post des conséquences liées à un accord procédural consciemment et librement consenti, ainsi qu’elles le font dans leur recours, n’apparaît guère compatible avec les règles de la bonne foi.Force est d’admettre, dans ces conditions, que les recourantes ont valablement renoncé à leur droit de répliquer. Partant, le Tribunal arbitral n’a pas violé leur droit d’être entendues en n’ordonnant pas un second échange d’écritures.
Das Bundesgericht wies dementsprechend die Gehörsrüge (und auch die weiteren vorgebrachten Rügen) ab.