Das BGer präzisiert die Voraussetzungen der Anerkennungsverweigerung eines ausländischen Urteils nach aLugÜ 27 III/LugÜ 34 Ziff. 3 (Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung des Anerkennungsstaats). Konkret ging es um ein italienisches Urteil aus dem Jahr 2008 auf Schadenersatz infolge sexueller Übergriffe eines Vaters auf seinen Sohn und die Vollstreckung dieses Urteils in der Schweiz. In Frage stand war die Unvereinbarkeit dieses Urteils mit einem Urteil der Justizkommission des OGer ZG von 1999, das im Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren festgehalten hat, es sei äusserst unwahrscheinlich, dass der Beschwerdegegner sein Kind missbraucht habe.
Das BGer bezieht sich auf die Gubisch/Palumbo-Rechtsprechung (Unvereinbarkeit eines Leistungsurteils aus Vertrag mit einem Urteil auf Unwirksamkeit oder Auflösung desselben Vertrag). Es gehe letztlich um die Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen der beiden Urteile. Das BGer präzisiert sodann wie folgt:
Die Formulierung, die Anwendung von Art. 27 Ziff. 3 aLugÜ setze keinen Rechtskraftkonflikt voraus (vgl. WALTHER, a.a.O., N. 81 zu Art. 34 LugÜ), ist, wie die Argumentation der Vorinstanz zeigt, missverständlich. Das vom EuGH genannte Beispiel setzt ein im anerkennenden Staat ergangenes Urteil voraus, das die Unwirksamkeit oder die Auflösung des Vertrags, aus dem auf Leistung geklagt wird, ausspricht (Urteil Gubisch Maschinenfabrik gegen Palumbo, Randnr. 18). Dieses Urteil ist der Rechtskraft zugänglich, so dass ein Konflikt zwischen einer Vorfrage des zu anerkennenden Entscheides mit der Rechtskraftwirkung eines im anerkennenden Staat ergangenen Urteils besteht. Dagegen genügt zur Anerkennungsversagung nicht, dass die Rechtsfolgen (oder eine Vorfragebeurteilung) der zu anerkennenden Entscheidung lediglich mit einer nicht in Rechtskraft erwachsenen Vorfragebeurteilung des inländischen Urteils unvereinbar sind, solange nicht auch dessen Rechtsfolgen von der Unvereinbarkeit erfasst werden (DOMEJ/OBERHAMMER, a.a.O., N. 60 zu Art. 34 LugÜ; vgl. auch SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. München 2009, N. 22 f. zu Art. 34–36 EuGVVO).
Die Unvereinbarkeit iSv LugÜ 34 Ziff. 3 setzt daher voraus, dass
die ausländische Entscheidung entweder denselben Streitgegenstand abweichend entscheide, oder aber auf Prämissen aufbaut, die mit der materiellen Rechtskraft (Urteil Gubisch Maschinenfabrik gegen Palumbo, Randnr. 18) oder der Gestaltungswirkung eines inländischen Urteils (Urteil Hoffmann gegen Krieg) unvereinbar sind (SCHLOSSER, a.a.O., N. 22 zu Art. 34–36 EuGVVO).