Muss die Polizei gegenüber der Staatsanwaltschaft die Personalien der an einem Einsatz beteiligten Polizisten bekannt geben, wenn im Anschluss daran eine Strafuntersuchung gegen einen Polizeibeamten eingeleitet wurde? Diese Frage bejaht das Bundesgericht in dem für die amtliche Sammlung vorgesehenen Urteil 1B_205/2012 vom 18. Juni 2012.
Im vorliegenden Fall hat ein Polizeibeamter bei einem polizeilichen Zugriff einen Schuss abgegeben. In der gegen den Schützen eingeleiteten Strafuntersuchung sicherte die Staatsanwaltschaft der beschuldigten Person sowie den Zeugen jeweils Anonymität zu und unterbreitete dem Zwangsmassnahmengericht einen Antrag auf Genehmigung der zugesicherten Anonymität. Das Gericht trat jedoch nicht auf den Genehmigungsantrag ein. Der Beschwerdeführer, der zuständige Kommandant der Kantonspolizei, richtet sich gegen die ihm auferlegte Verfügung, die Personalien der am Einsatz beteiligten Polizisten gegenüber der Staatsanwaltschaft schriftlich mitzuteilen.
Das Bundesgericht verweist auf verschiedene Bestimmungen (vgl. Art. 15 Abs. 2, 307 Abs. 2, 3 und 4, 312 Abs. 1 StPO), woraus sich ergibt, dass die Polizei ihr bekannte Tatsachen, die bei der Ermittlung von Straftaten von Bedeutung sein können, der Staatsanwaltschaft grundsätzlich von sich aus mitzuteilen hat:
2.3 […] Insbesondere hat die Polizei der Staatsanwaltschaft auch die Identität der in eine Straftat involvierten Personen bekannt zu geben, soweit ihr diese bekannt ist. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen einen Polizeibeamten führt, wobei das kantonale Recht die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer Behörde abhängig machen kann (Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO).
Ferner hält das Bundesgericht fest, dass eine an einem Strafuntersuchungsverfahren beteiligte Person gegenüber der Staatsanwaltschaft keine Anonymität beanspruchen darf:
3.2.1 Haben die Strafbehörden der zu schützenden Person Anonymität zugesichert, haben sie die geeigneten Massnahmen zu treffen, um Verwechslungen oder Vertauschungen zu verhindern (Art. 149 Abs. 6 StPO), und zu prüfen, ob die Person, die sie vor sich haben, mit jener identisch ist, die sich hinter der Anonymität verbirgt (BGE 133 I 33 E. 3.1 S. 41 f. sowie E. 4.1 S. 43 mit Hinweisen). Daraus folgt, dass sie die Verfahrensbeteiligten identifizieren können müssen. […] Jedenfalls muss aber die Staatsanwaltschaft als bis zur Einstellung des Verfahrens oder zur Anklageerhebung verfahrensleitende und gegenüber der Polizei weisungsbefugte Behörde die Identität der beschuldigten Person sowie der weiteren Verfahrensbeteiligten persönlich überprüfen können.
Sinn und Zweck der Zusicherung der Anonymität (vgl. Art. 149 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a, 150 Abs. 1 StPO) ist, so das Bundesgericht weiter, die Geheimhaltung der Identität der betroffenen Person ausschliesslich gegenüber Personen, die ihr Schaden zufügen könnten:
3.2.4 […] Das Recht auf Anonymität besteht nicht gegenüber den Behörden wie etwa Staatsanwaltschaft und Gericht […], sondern nur gegenüber denjenigen Personen, welche eine Gefährdung darstellen könnten. Die Identifikation gegenüber den zuständigen Behörden (bei Kollegialgerichten zumindest gegenüber dem Vorsitzenden) ist auch im Falle von Schutzmassnahmen unverzichtbar […].
Die hier vom Beschwerdeführer verlangten Informationen sind für die Ermittlungen zweifellos von Bedeutung. Als Leiter des Polizeikorps ist er somit grundsätzlich von Bundesrechts wegen verpflichtet, der Staatsanwaltschaft die verlangten, ihm bekannten Informationen herauszugeben. Daran ändert sein Hinweis auf die ihm nach kantonalem Personalrecht obliegenden Fürsorgepflichten nichts. Die Beschwerde wird daher vom Bundesgericht abgewiesen.