In dem Urteil zu den vereinigten Beschwerdeverfahren 1B_49/2013 und 1B_65/2013 fasst das Bundesgericht seine Rechtsprechung und die Literatur zur Zusicherung der Anonymität im Strafverfahren gemäss Art. 149 Ab. 1 und 2 lit. a, 150 StPO zusammen (amtl. Publ.).
Zunächst zweifeln die Bundesrichter an der teilweise im Schrifttum geäusserten Ansicht, dass es sich bei der Zusicherung von Anonymität um eine vorsorgliche Massnahme nach Art. 98 BGG handle und daher die Beschwerdegründe auf die Verletzung verfassungmässiger Rechte beschränkt seien. Es konnte diese Frage aber im vorliegenden Fall offenlassen:
2.5 […] Wird die Anonymität zugesichert, gilt das nicht nur bis zum Abschluss des Strafverfahrens, sondern darüber hinaus. Dies sieht Art. 151 Abs. 1 lit. a StPO beim verdeckten Ermittler ausdrücklich vor, muss aber auch sonst gelten, da mit dem Abschluss des Strafverfahrens die für den Betroffenen bestehende Gefahr für Leib und Leben nicht entfällt […]. Ist die Zusicherung der Anonymität somit wesensgemäss nicht nur vorläufiger Natur, sondern auf Dauer angelegt, ist zweifelhaft, ob man sie den vorsorglichen Massnahmen zuordnen kann.
Schliesslich kann das Bundesgericht für die Frage, welche Bedeutung die Zusicherung der Anonymität hat und in welchen Fällen diese Schutzmassnahme zu treffen ist, auf seine jüngste Rechtsprechung und die Lehre verweisen:
4.2 […] Wird jemandem die Anonymität zugesichert, werden seine Personalien im Verfahren nicht bekannt gegeben. Seine wahre Identität erscheint nicht in den Verfahrensakten, sondern typischerweise nur eine Decknummer oder ein Deckname (BGE 138 IV 178 E. 3.1 S. 182 mit Hinweis).
Sinn und Zweck der Zusicherung der Anonymität ist nach der Rechtsprechung die Geheimhaltung der Identität des Betroffenen gegenüber Personen, die ihm Schaden zufügen könnten. Gegenüber den Behörden besteht kein Recht auf Anonymität (BGE 138 IV 178 E. 3.2.4 S. 185 mit Hinweisen).
Eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben nach Art. 149 Abs. 1 StPO ist etwa anzunehmen, wenn Morddrohungen gegen den Verfahrensbeteiligten selbst oder einen Angehörigen nach Art. 168 Abs. 1–3 StPO ausgesprochen wurden, bereits entsprechende Angriffe erfolgten oder solche angesichts des Milieus, in dem sich die betreffende Person bewegt, ernsthaft zu befürchten sind. Ein anderer schwerer Nachteil kann namentlich drohen, wenn jemand eine erhebliche Vermögensschädigung — z.B. die Sprengung seines Ferienhauses — gewärtigen muss. Erforderlich sind ernst zu nehmende Anzeichen einer konkreten Gefährdung […].
Die Zusicherung der Anonymität stellt die einschneidendste Schutzmassnahme dar und kommt nur als “ultima ratio” in Betracht […].