Das BGer bestätigt in einem aktuellen Urteil seine jüngere Rechtsprechung zur Entschädigung der amtlichen Verteidigung (siehe bereits BGE 132 I 201; 137 III 185) und führt sie fort.
Nach Art. 135 Abs. 1 StPO werden Rechtsanwälte für amtliche Mandate nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Der Gesetzgeber verzichtete in der StPO – wie in der ZPO – auf eine Durchsetzung der vollen Entschädigung. Das BGer hält fest, dass amtliche Verteidiger von Verfassung wegen angemessen zu honorieren sind, obschon eine Kürzung des Honorars im Vergleich zum ordentlichen Tarif zulässig bleibt. Die Entschädigung muss sich, so das BGer weiter, in der Grössenordnung von 180 Franken pro Stunde (zuzüglich MWSt) bewegen (E. 2.2.1).
Zur Begründung stellt das BGer auf das öffentliche Prozessrechtsverhältnis zwischen amtlichen Verteidiger und Staat ab:
2.2.2. […] Die allgemeinen Bestimmungen über die Entschädigung für die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens (Art. 429 Abs. 1 lit. a und Art. 436 Abs. 2 StPO) betreffen die Kosten einer Wahlverteidigung und sind auf die amtliche Verteidigung nicht anwendbar […]. Mit dem Freispruch oder der Verfahrenseinstellung wandelt sich das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Staat und amtlicher Verteidigung nicht in ein Privatrechtsverhältnis zwischen Verteidigung und Mandanten […]. Die amtliche Verteidigung besitzt nicht die Rechte einer Verfahrenspartei (Art. 104 Abs. 1 StPO […]). Ihre Entschädigung richtet sich allein nach Art. 135 StPO. Die Rechtsprechung zu den kantonalen Strafprozessgesetzen ist insoweit überholt […].
Eine volle Entschädigung lässt sich laut BGer auch nicht mit Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO begründen, wonach die zu den Verfahrenskosten verurteilte beschuldigte Person bei wirtschaftlicher Besserstellung „der Verteidigung die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten“ hat.
2.2.3. […] Wortlaut und Systematik des Gesetzes sprechen gegen eine solche Einschränkung der generellen Verweisung in Art. 135 Abs. 1 StPO durch dessen Abs. 4 lit. b. Mit der föderalistischen Regelung in Abs. 1 von Art. 135 StPO anerkennt der Bundesgesetzgeber ausdrücklich unterschiedliche kantonale Anwaltstarife. Wie die Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts ausführt, erhält die amtliche Verteidigung damit je nach Kanton das gleiche Honorar wie eine frei bestellte oder aber ein reduziertes, amtliches Honorar (BBl 2006 1180). Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO will nach der gesetzgeberischen Konzeption sicherstellen, dass eine beschuldigte Person mit amtlicher Verteidigung finanziell nicht besser gestellt wird als eine mit privater Verteidigung […]. Es geht um eine Gleichstellung der zu den Verfahrenskosten verurteilten Personen und nicht um eine Gleichstellung der amtlichen mit der privaten Verteidigung.
Letztlich wird die amtliche Verteidigung durch diese Regelung bei Verurteilung des Mandanten zu den Verfahrenskosten finanziell besser gestellt (weil sie die „Differenz“ einfordern kann) als bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung, wo in der Regel keine Kosten auferlegt werden (und entsprechend die „Differenz“ nicht zu erstatten ist). Das BGer kommt zu dem Schluss, dass dieses Ergebnis „als gesetzliche Konsequenz hingenommen werden“ müsse (E. 2.2.3).