OGer ZH (LC120025): Kollegenkopie verletzt mind. bei gesetzlichen Fristen das Klienteninteresse

Das Zürcher Oberg­ericht hat in einem Urteil vom 27. August 2012 (pdf) fest­ge­hal­ten, dass die Zustel­lung von Rechtss­chriften an die Gegen­seite (Kol­le­genkopie) jeden­falls dann die Inter­essen der eige­nen Klientschaft ver­let­zt, wenn für die Reak­tion der Gegen­seite auf die Rechtss­chrift geset­zliche Fris­ten gel­ten, wie es auf das Rechtsmit­telver­fahren zutrifft:

Frau Recht­san­wältin Dr. C. hat offen­bar ihre Beru­fungss­chrift nicht nur im Dop­pel dem Oberg­ericht, son­dern zur Ken­nt­nis direkt auch dem Gegenanwalt
zugestellt. Das mag unter Anwäl­ten üblich sein, ver­let­zt aber unter neuem Prozess­recht die Pflicht zur Wahrung der Inter­essen des eige­nen Klien­ten. Bekan­ntlich sind neu die Fris­ten sowohl zum Erk­lären und Begrün­den als auch zum Beant­worten der Rechtsmit­tel geset­zliche, die nicht erstreckt wer­den kön­nen. Nach Ein­gang ein­er Rechtsmit­telschrift kon­trol­liert das Gericht zuerst die Prozessvo­raus­set­zun­gen, zieht die Akten bei, ver­langt allen­falls den Vorschuss für die Gericht­skosten und prüft dann (wie hier), ob über das Rechtsmit­tel ohne Ein­holen ein­er Antwort entsch­ieden wer­den kann. Das kann Tage bis Wochen dauern. In dieser Zeit gibt das Gericht dem Rechtsmit­tel­geg­n­er keinen Ein­blick in die Rechtsmit­tel­be­grün­dung, weil er son­st mehr Zeit für seine Antwort hätte als sein Wider­part für die Begrün­dung. Wer als Anwältin dem Geg­n­er direkt die Rechtsmit­telschrift zustellt, bevorzugt damit den Geg­n­er zu Las­ten des eige­nen Klien­ten und unter­läuft die Entschei­dung der Rechtsmit­telin­stanz, ob sie eine Antwort ein­holen wolle.

Das OGer schliesst die Urteils­be­grün­dung mit fol­gen­der Anmerkung:

Anmerkung: vgl. zum The­ma auch den erst nachträglich erschienen Auf­satz von RA Dr. H. Nater [richtig wäre: Hans Nater und Mar­tin Rauber] “Zustel­lung von Gericht­seingaben durch das Gericht oder Anwälte?” in SJZ 108/2012 S. 408 ff.