4A_13/2012: Rechenschaftspflicht geht uU weiter als Herausgabepflicht (hier: bankinterne Dokumente); Abwägung mit Geheimhaltungsinteressen des Beauftragten (amtl. Publ.)

 Das vor­liegende Urteil des BGer bet­rifft die Rechen­schaft­spflicht und ins­beson­dere die Her­aus­gabe intern­er Doku­mente der Cred­it Suisse.

Zunächst bejaht das BGer, dass Auf­tragsrecht anwend­bar ist:

[…] mehrere Verträge geschlossen haben, welche aber unbe­strit­ten­er­massen in einem inneren Zusam­men­hang ste­hen und voneinan­der abhängig sind […] die Frage, ob Her­aus­gabe- und Rechen­schaft­spflicht­en beste­hen, für die einzel­nen Ver­trags­be­standteile ein­heitlich zu beant­worten. […] Für die Frage der Her­aus­gabe- und Rechen­schaft­spflicht in Bezug auf die Mar­gin Calls ste­hen […] kom­mis­sion­srechtliche Ele­mente im Vorder­grund […] In den Vorschriften zur Kom­mis­sion (Art. 425 ff. OR) ist keine Regelung allfäl­liger Her­aus­gabe- und Rechen­schaft­spflicht­en enthal­ten. Dies­falls kom­men für das Kom­mis­sionsver­hält­nis die Vorschriften über den Auf­trag zur Anwen­dung (Art. 425 Abs. 2 OR). 

Sodann brachte die CS vor, dass interne Doku­mente wed­er der Her­aus­gabe- noch der Rechen­schaft­spflicht unter­liegen. Namentlich kön­nten der Infor­ma­tion­sanspruch und die Rechen­schaft­spflicht nicht weit­erge­hen als der Her­aus­gabeanspruch, wie dies u.a. in der Diss. von Hafn­er vertreten wird. Das BGer ver­wirft dies:

[…] Das Bun­des­gericht hat zwar auch in Bezug auf die Rechen­schaft­spflicht entsch­ieden, dass rein interne Doku­mente wie etwa nie ver­sandte Ver­tragsen­twürfe dieser nicht unter­liegen […]. Daraus kann indessen nicht geschlossen wer­den, dass Her­aus­gabe- und Rechen­schaft­spflicht gle­ich weit reichen. So kön­nen etwa Aufze­ich­nun­gen über Kun­denbe­suche und ‑kon­tak­te Gegen­stand der Rechen­schaft­spflicht bilden, obwohl solche (inter­nen) Aufze­ich­nun­gen grund­sät­zlich nicht der Her­aus­gabepflicht unter­liegen […]. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Rechen­schaft­spflicht. Anders als die Her­aus­gabepflicht, welche die Ein­hal­tung der Treuepflicht garantiert, soll die Rechen­schaft­spflicht die Kon­trolle über die Tätigkeit­en des Beauf­tragten ermöglichen […]. Auch in der Lehre wird überzeu­gend darauf hingewiesen, dass etwa Ärzte die erstell­ten Krankengeschicht­en nicht her­auszugeben, im Rah­men der Rechen­schaft­spflicht aber zur Ein­sicht vorzule­gen bzw. dem Patien­ten Kopi­en auszuhändi­gen hät­ten […]. Aus dem Umstand, dass bes­timmte Doku­mente nicht der Her­aus­gabepflicht unter­liegen, kann somit ent­ge­gen der Ansicht der Beschw­erde­führerin nicht automa­tisch geschlossen wer­den, dass über diese auch keine Rechen­schaft abzule­gen sei (so auch ARTER/DAHORTSANG, Besprechung des bun­des­gerichtlichen Urteils 4A_688/2011 vom 17. April 2012, AJP 2012 S. 1159 mit Hinweisen).

Fol­glich muss unter­schieden wer­den zwischen 

  • inter­nen” Doku­menten, die der Her­aus­gabepflicht nicht unter­liegen, deren Inhalt dem Auf­tragge­ber aber in geeigneter Form zur Ken­nt­nis gebracht wer­den muss, um diesem über­haupt die Kon­trolle über die Tätigkeit­en des Beauf­tragten zu ermöglichen, und 
  • rein inter­nen” Doku­menten (z.B. nie ver­sandte Ver­tragsen­twürfe), die für die Über­prü­fung der ver­trags­gemässen Aus­führung des Auf­trags durch den Beauf­tragten nicht rel­e­vant sind. 

Aus der Rechen­schaft­spflicht fol­gt indes nicht unbe­d­ingt, dass das betrof­fene Doku­ment dem Auf­tragge­ber vorgelegt wer­den muss:

Vielmehr ist in diesem Fall eine Inter­essen­ab­wä­gung mit den Geheimhal­tungsin­ter­essen des Beauf­tragten vorzunehmen […]. Den berechtigten Inter­essen des Beauf­tragten kann auch dadurch Rech­nung getra­gen wer­den, dass ein Doku­ment im konkreten Fall etwa nur auszugsweise vorzule­gen ist […].

Vgl. auch die Berichter­stat­tung von .fel in der NZZ.