Die Regelung in Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO, wonach der Fristenstillstand nicht für das summarische Verfahren gilt, ist nicht nur auf das erstinstanzliche Summarverfahren, sondern auch auf das Rechtsmittelverfahren gegen im summarischen Verfahren ergangene Entscheide anwendbar. Die Fristen stehen aber dann nicht still, wenn das Gericht einen entsprechenden Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung versäumt, weil die Hinweispflicht gemäss Art. 145 Abs. 3 ZPO eine Gültigkeitsvorschrift darstellt. Zu diesen Schlüssen kommt das Bundesgericht in einem für die amtliche Sammlung vorgesehenen Urteil vom 6. Dezember 2012.
1. Kein Fristenstillstand im Rechtsmittelverfahren gegen Summarentscheid
Der Wortlaut von Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO nennt einzig das “summarische Verfahren” (E. 4.4.1). Im Gesetzgebungsverfahren wurde das Problem nicht thematisiert (E. 4.4.2). Die Bestimmung findet sich im 1. Teil der Zivilprozessordnung (“Allgemeine Bestimmungen”), der auch für Rechtsmittel gilt, und umfasst sowohl gesetzliche als auch richterliche Fristen, also auch Rechtsmittelfristen (E. 4.4.3). Das Ziel der Verfahrensbeschleunigung im summarischen Verfahren soll nicht nur im erstinstanzlichen Verfahren gelten, sondern auch im Rechtsmittelverfahren, weshalb eine verkürzte Rechtsmittelfrist gilt (Art. 314 Abs. 1 und Art. 321 Abs. 2 ZPO), und die Regeln über das summarische Verfahren gelten auch für das Berufungsverfahren (E. 4.4.4).
Zudem argumentiert das Bundesgericht wie folgt:
4.4.5 […] Im bundesgerichtlichen Verfahren gilt der Fristenstillstand für die vorsorglichen Massnahmen nicht (Art. 46 Abs. 2 BGG […]). Würde man Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO einzig auf das erstinstanzliche Verfahren anwenden, hätte dies zur Folge, dass diejenigen vorsorglichen Massnahmen nach Art. 98 BGG, die im Summarverfahren gemäss ZPO ergehen, nur vor der ersten Instanz und vor dem Bundesgericht vom Fristenstillstand ausgenommen wären, nicht aber vor der zweiten Instanz […].
2. Fristenstillstand bei versäumtem Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung
Die Hinweispflicht gilt nach dem Wortlaut von Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO für die “Parteien”, wobei – anders als bei der Aufklärungspflicht (vgl. Art. 97 ZPO) – nicht danach unterschieden wird, ob diese anwaltlich vertreten sind oder nicht (E. 5.4.1). Die Vorschrift verfolgt den Zweck, in Bezug auf den Fristenstillstand Rechtssicherheit zu schaffen, weshalb sich jede Partei für die Ausnahmen vom Fristenstillstand auf die Ausführungen des Gerichts verlassen darf, jedenfalls wenn sie die Unrichtigkeit nicht erkannte oder hätte erkennen können (vgl. Art. 52 ZPO) (E. 5.4.2). Der Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission und die Botschaft zur ZPO sehen ausdrücklich vor, dass es sich nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelt, und die Fristen stillstehen, wenn der entsprechende Hinweis des Gerichts fehlt (E. 5.4.3).
Das Bundesgericht hält abschliessend fest:
5.4.3 […] Offensichtlich nimmt der Gesetzgeber mit dieser Regelung in Kauf, dass die Hinweispflicht gemäss Art. 145 Abs. 3 ZPO in gewissem Sinn absolut gilt.