2C_711/2012: Kein Leibrentenprivileg für jährliche Ausschüttungen aus FL Stiftung mangels Bestimmbarkeit im Voraus

X. ist Begün­stigte ein­er FL Stiftung, die ihr mit­tler­weile ver­stor­ben­er Vater errichtet hat­te. Sie erhielt daraus jährlich Auss­chüt­tun­gen entsprechend “6% des Kap­i­tals und der Erträge der Stiftung”.

Das Kan­tonale Steuer­amt Zürich erfasste die Auss­chüt­tung als Einkom­men und damit in vollem Umfang. X. dage­gen machte gel­tend, die Auss­chüt­tung qual­i­fiziere sich als Leibrenten­leis­tung und sei deswe­gen im Umfang von lediglich
40 Prozent zu berücksichtigen.

Das Ver­wal­tungs­gericht Zürich ging eben­falls von einem Leibrenten­ver­hält­nis aus. Dage­gen erhob das Steuer­amt ZH Beschw­erde beim BGer. Diese wurde im Entscheid gutgeheissen.

In ein­er aus­führlichen Begrün­dung analysiert das BGer die Recht­snatur der Leibrente, sowohl ziv­il- wie auch steuerrechtlich. 

(E. 2.4) Zur Klärung des Vor­liegens von Leibrenten­leis­tun­gen ist von den essen­tialia negotii des schul­drechtlichen Leibrenten­ver­hält­niss­es auszuge­hen. Der von der zivil­rechtlichen Prax­is und Dok­trin entwick­elte Begriff ist sodann vor dem Hin­ter­grund der Rein­ver­mö­gen­szu­gangs­the­o­rie (DBG 16 I) zu würdi­gen. Blosse Kap­i­ta­lan­la­gen in Renten­form, soweit sie über­haupt unter das weit­er gefasste schul­drechtliche Insti­tut fall­en, berechti­gen nicht zum Leibrenten­priv­i­leg. Für steuer­rechtliche Zwecke ist damit eine restrik­tive Ausle­gung am Platz.

Das BGer unter­schei­det sodann die ver­schiede­nen Arten von Renten: 

(E. 3.2) Das Leibrenten­ver­hält­nis, gle­ich wie die Verpfrün­dung (Art. 521 Abs. 1 OR), ist auf eine natür­liche Per­son gestellt [Zitate]. Die Lebenss­panne zwis­chen dem Ein­set­zen der Leibrenten­berech­ti­gung und dem Ableben dieser Bezugsper­son bes­timmt die Laufzeit der Leibrenten­leis­tung [Zitate]. Dies führt zum Begriff der “Mor­tal­ität­srente” [Zitate]. Auf­grund der ungewis­sen Lebenss­panne der Bezugsper­son wohnt dem Leibrenten­ver­hält­nis ein aleatorisches Ele­ment inne [Zitate].
Als Bezugsper­so­n­en in Betra­cht fall­en mit ihrer jew­eili­gen Lebenss­panne der Rentengläu­biger, der Renten­schuld­ner oder eine Drittper­son  [Zitate]. Um eine Verbindungsrente han­delt es sich, wenn das Leibrenten­ver­hält­nis der­art auf die Lebenss­panne mehrerer Per­so­n­en, z. B. zweier Ehe­gat­ten, gestellt ist, dass die Berech­ti­gung mit dem Ableben der ersten oder der let­zten dieser Bezugsper­so­n­en ent­fällt [Zitate].
Bei der “tem­porären Leibrente” (“rente viagère tem­po­raire”) ist die Leis­tungs­dauer dadurch von der Lebenss­panne ein­er Per­son abhängig, dass die Leis­tung (läng­stens) bis zum Ableben dieser Per­son oder aber bis zu einem (früheren) Ereig­nis (z. B. Erre­ichen eines bes­timmten Alter­s­jahrs) geschuldet ist. Zu ver­lan­gen ist in solchen Kon­stel­la­tio­nen immer­hin, dass mit Blick auf das Alter der Per­son über­haupt eine gewisse Wahrschein­lichkeit des vorzeit­i­gen Ablebens beste­ht. Andern­falls han­delt es sich um eine “Zeitrente” (“rente cer­taine”). Deren zum Voraus bes­timmte oder bes­timm­bare Leis­tungs­dauer schliesst den für das Leibrenten­ver­hält­nis typ­is­chen aleatorischen Ansatz aus. Zeitrenten, eigentliche Rück­zahlungspläne, unter­liegen mit ihrer Kap­i­talzin­skom­po­nente der ordentlichen Besteuerung [Zitate]. Eben­so los­gelöst von der Lebenss­panne ein­er Per­son sind die “ewigen Renten” (“rentes per­pétuelles”). Sie ken­nen kein­er­lei (zum Voraus fest­gelegte) zeitliche Beschränkung.

Dem­nach nimmt das Leibrenten­ver­hält­nis eine Mit­tel­stel­lung zwis­chen “Zeitrenten” und “ewigen Renten” ein: Es ist ein­er­seits von unbes­timmter Dauer, was es von den Zeitrenten abgren­zt. Ander­seits ist es vom unver­mei­dlichen Ableben ein­er oder mehrerer natür­lich­er Per­so­n­en abhängig und auf diese Weise zeitlich begren­zt wirk­sam, dies anders als die ewige Rente [Zitate].

Von Bedeu­tung ist die Bes­timmheit der Leibrentenleistungen:

(E. 3.3) Die erforder­liche Bes­timmtheit der Leibrenten­leis­tun­gen bezieht sich auf den Inhalt (Bar- oder Sach­leis­tung), allem voran aber auf die Höhe der peri­odis­chen Leis­tung [Zitate].
Die zum Voraus bes­timmte oder zumin­d­est bes­timm­bare, grund­sät­zlich gle­ich­bleibende Höhe ist freilich weniger nor­ma­tiv­er als deskrip­tiv­er Natur. Tatbe­standsmäs­sig sind neben den kon­stan­ten auch die index­ierten, pro­gres­siv oder degres­siv aus­gestal­teten Renten­leis­tun­gen [Zitate]. Auch eine pro­gres­sive oder degres­sive Leis­tungsrei­he lässt sich kap­i­tal­isieren [Zitate]. Die Ermit­tlung des Bar­w­erts schafft Rechtssicher­heit und ist für die Zwecke der Schenkungs- und Erb­schaftss­teuer eben­so wie der Einkom­menss­teuer unerlässlich.
Bemisst sich die Leis­tung hinge­gen nach der Leis­tungs­fähigkeit des Renten­schuld­ners, der Bedürftigkeit des Rentengläu­bigers, der Umsatz- oder Ertragslage eines Unternehmens oder nach anderen vari­ablen Bezugs­grössen, ist die Leis­tungsrei­he wed­er bes­timmt noch bes­timm­bar. Unter solchen Umstän­den dro­hen die Raten­zahlun­gen gar ausz­u­fall­en, sollte die mass­gebende Quelle ver­siegen [Zitate]. Die aus­führlichere deutsche Lit­er­atur spricht davon, tatbe­standsmäs­sig sei die nicht ger­adezu kon­stante Leis­tung, soweit sich die Höhe “stets nach dem gle­ichen Massstab richtet und dieser nicht in den Ver­hält­nis­sen des Einzelfalls, son­dern in all­ge­meinen, objek­tiv genau bes­timm­baren, die Gewähr ihres Fortbe­standes während der Leibrenten­dauer bietenden Grössen” liegt [Zitate].

Vor­liegend hing die Leis­tung von ein­er “dop­pelt ungesicherten Bezugs­grösse” ab, näm­lich Kap­i­tal und Kapitalerträge.

(E. 4.3) Mit Blick auf die zitierte Prax­is und Dok­trin ist lediglich eine nominell unverän­der­liche, damit “bes­timmte” oder zumin­d­est bes­timm­bare Leibrenten­leis­tung tatbe­standsmäs­sig, sei sie auch index­iert, stetig degres­siv oder pro­gres­siv aus­gestal­tet. Liegt eine solche vor, lässt sich der Bar­w­ert der Renten­leis­tung nach den üblichen finanz­math­e­ma­tis­chen Ver­fahren ermit­teln. Solcher­lei ist hier unter den gegebe­nen Vorze­ichen ger­ade nicht möglich. Die Bezug­nahme auf eine dop­pelt ungesicherte Bezugs­grösse — Kap­i­tal und Kap­i­talerträge — erweist sich als untauglich, um die Entwick­lung des Renten­ver­laufs bis zum Lebensende der begün­stigten Per­so­n­en hin­re­ichend abzuse­hen. Die zwangsläu­fi­gen Schwankun­gen des Kap­i­tals, das real­isierten oder unre­al­isierten Gewin­nen und Ver­lus­ten unter­liegt, und die anderen Geset­zmäs­sigkeit­en fol­gen­den, aber nicht min­der unsteten Erträge kom­men wed­er ein­er Index­ierung noch ein­er hin­re­ichend bes­timmten, also gle­ich­mäs­sig pro­gres­siv­en oder degres­siv­en Entwick­lung nahe. Mit der Lit­er­atur, ins­beson­dere der überzeu­gen­den deutschen Sichtweise, gel­ten “vari­able” Leibrenten­leis­tun­gen (noch) als tatbe­standsmäs­sig, wenn sich deren Höhe “stets nach dem gle­ichen Massstab richtet und dieser nicht in den Ver­hält­nis­sen des Einzelfalls, son­dern in all­ge­meinen, objek­tiv genau bes­timm­baren, die Gewähr ihres Fortbe­standes während der Leibrenten­dauer bietenden Grössen” liegt (E. 3.3 hier­vor). Die vom Stifter gewählte Bezugs­grösse kommt ohne unmit­tel­bare all­ge­meine, objek­tiv bes­timm­bare Fak­toren aus. Mass­gebend ist einzig der Stand des Kap­i­tals, wie er sich am Ende eines Jahres darstellt, und die im Ver­lauf dieses Jahres erziel­ten Kap­i­talerträge. In der Summe unter­liegt die Bemes­sungs­grund­lage der­art vielfälti­gen äusseren, in kein­er Weise abse­hbaren Ein­wirkun­gen, dass die zu erwartende Leis­tung auch nicht min­destens bes­timm­bar ist. 

Entsprechend kommt das BGer zum Schluss, dass die Auss­chüt­tun­gen als Einkom­men zu besteuern waren und sich nicht als Leibrenten qualifizierten.

(E. 4.4) Fehlt es an der geforderten, stets in gle­ich­mäs­siger Höhe wiederkehren­den Leibrenten­leis­tung, kann das Rechtsver­hält­nis den steuer­lichen Leibrenten­ver­hält­nis­sen schon deswe­gen nicht unter­stellt wer­den. Die peri­odis­chen Leis­tun­gen verbleiben im Bere­ich der ordentlich steuer­baren Einkün­fte aus beweglichem Ver­mö­gen (Art. 16 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG). Spiegel­bildlich sind sie vom Anwen­dungs­bere­ich des Leibrenten­priv­i­legs (Art. 22 Abs. 3 DBG) ausgenommen.