Vertretungsbeistandschaft, Subsidiaritätsprinzip, Auswirkungen der Vorsorgevollmacht (amtl. publ.)

Das BGer hat­te im vor­liegen­den Fall zu entschei­den, ob die  Voraus­set­zun­gen für die Anord­nung ein­er Vertre­tungs­bei­s­tand­schaft mit Ver­mö­gensver­wal­tung (ZGB 394 i.V.m. ZGB 395) gegeben waren.

Das BGer verneint die Frage, obwohl unbe­strit­ten war, dass der Beschw­erde­führer v.a. in finanziellen Angele­gen­heit­en auf Hil­fe angewiesen war, gestützt auf das Sub­sidiar­ität­sprinzip:

In Art. 389 ZGB unter­stellt der Geset­zge­ber alle behördlichen Mass­nah­men des Erwach­se­nen­schutzes den bei­den Maxi­men der Sub­sidiar­ität und der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit. Sub­sidiar­ität (Art. 389 Abs. 1 ZGB) heisst, dass behördliche Mass­nah­men nur dann anzuord­nen sind, wenn die Betreu­ung der hil­fs­bedürfti­gen Per­son auf andere Weise nicht angemessen sichergestellt ist […]. Ist die gebotene Unter­stützung der hil­fs­bedürfti­gen Per­son auf andere Art — durch die Fam­i­lie, andere nah­este­hende Per­so­n­en […] oder pri­vate oder öffentliche Dien­ste — schon gewährleis­tet, so ord­net die Erwach­se­nen­schutzbe­hörde keine Mass­nahme an (Art. 389 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Kommt die Erwach­se­nen­schutzbe­hörde demge­genüber zum Schluss, die vorhan­dene Unter­stützung der hil­fs­bedürfti­gen Per­son sei nicht aus­re­ichend oder von vorn­here­in ungenü­gend, so muss ihre behördliche Mass­nahme ver­hält­nis­mäs­sig, das heisst erforder­lich und geeignet sein (Art. 389 Abs. 2 ZGB). 

Eine Vertre­tungs­bei­s­tand­schaft mit Ver­mö­gensver­wal­tung kann dann angezeigt sein, wenn wenn die betrof­fene Per­son über ein beträchtlich­es Ver­mö­gen ver­fügt und ohne fremde Unter­stützung ern­sthaft Gefahr liefe, ihre wirtschaftliche Sit­u­a­tion in unhalt­bar­er Weise aufs Spiel zu set­zen (Urteil 5A_836/2011, E. 2.2.2). Dies lag hier jedoch nicht vor.

Das BGer äussert sich sodann zur Auswirkung des neuen Insti­tuts des Vor­sorgeauf­trags auf das Subsidiaritätsprinzip:

[…] Mit einem […] Vor­sorgeauf­trag kann jede hand­lungs­fähige Per­son eine andere natür­liche oder eine juris­tis­che Per­son beauf­tra­gen, im Fall ihrer Urteil­sun­fähigkeit die Per­so­n­en­sorge oder die Ver­mö­genssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten (Art. 360 Abs. 1 ZGB). Diese Möglichkeit wirkt sich auch auf das oben erwäh­nte Sub­sidiar­ität­sprinzip aus: Eine behördliche Mass­nahme darf nur ange­ord­net wer­den, wenn bei Urteil­sun­fähigkeit der hil­fs­bedürfti­gen Per­son keine oder keine aus­re­ichende eigene Vor­sorge getrof­fen wor­den ist und die Mass­nah­men von Geset­zes wegen nicht genü­gen (Art. 389 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Kön­nte der Beschw­erde­führer […] A. aber als Vor­sorge­beauf­tragten ein­set­zen, so muss es ihm auch möglich sein, dessen Hil­fe als noch urteils­fähige Per­son in Anspruch zu nehmen. Das Gle­iche gilt für die Unter­stützung seit­ens der Wohn- und Lebens­ge­mein­schaft B. Anders zu entschei­den hiesse, dem Selb­st­bes­tim­mungsrecht für den Fall der Urteil­sun­fähigkeit eine grössere Bedeu­tung beizumessen als den Befug­nis­sen ein­er (noch) urteils­fähi­gen Per­son. Das aber ist nicht der Sinn des Gesetzes.