4A_284-2013: Liegenschaftenverwaltungsvertrag als Auftrag; Anwendbarkeit von OR 404

Das BGer hat­te im vor­liegen­den Entscheid — betr. eine Stre­it­igkeit im Zusam­men­hang mit ein­er Ver­tragskündi­gung — zunächst einen Liegen­schaften­ver­wal­tungsver­trag zu qual­i­fizieren.

Ein­lei­t­end hält das BGer zur Abgren­zung zwis­chen Auf­trag und ein­fach­er Gesellschaft fol­gen­des fest:

Auf­trag und ein­fache Gesellschaft voneinan­der abzu­gren­zen, kann namentlich dann schwierig sein, wenn sowohl der Auf­tragge­ber wie der Beauf­tragte an der Aus­führung des Auf­trags inter­essiert sind. Dies­falls ist ein Auf­trag anzunehmen, wenn ihr Inter­esse am Geschäft nicht gle­ich­er Art ist. Dass beim Auf­trag ein Gewin­nan­teil aus­bedun­gen wird, macht das Ver­tragsver­hält­nis zwar zu einem gesellschaft­sähn­lichen, aber nicht zu ein­er ein­fachen Gesellschaft […].

[…]
Ein gemein­sames Inter­esse oder Motiv genügt [für eine einf. G.] nicht. Ein solch­es liegt, wenn die Entschädi­gung in Form ein­er Gewinn­beteili­gung vere­in­bart wurde, immer vor. Vielmehr set­zt die ein­fache Gesellschaft voraus, dass die Parteien einen gemein­samen Zweck als Gegen­stand ein­er gemein­samen ver­traglichen Pflicht vere­in­bart haben, der über das durch die Gewinn­beteili­gung gesteigerte Inter­esse am Erfolg oder an der richti­gen Ver­tragser­fül­lung hinausgeht. 

Bei Immo­bilien­ver­wal­tungsverträ­gen liegt klar­erweise keine ein­fache Gesellschaft vor. Dies war auch hier trotz bes­timmter Beson­der­heit­en nicht anders. Sodann hält das BGer fest, dass die Vere­in­barung ein­er bes­timmten Dauer noch nicht gegen die Qual­i­fika­tion als Auf­trag spricht.

Schliesslich stellte sich die Frage, ob OR 404 anwend­bar war. Dabei gilt als Grundsatz:

Nach Art. 404 Abs. 1 OR kann ein Auf­trag jed­erzeit wider­rufen oder gekündigt wer­den. Dieses Beendi­gungsrecht ist zwin­gend und darf wed­er ver­traglich wegbedun­gen noch eingeschränkt wer­den. […] Es gilt sowohl für reine Auf­tragsver­hält­nisse als auch für gemis­chte Verträge, für welche hin­sichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bes­tim­mungen des Auf­tragsrechts als sachgerecht erscheinen […]. Auch auf atyp­is­che Auf­tragsver­hält­nisse find­et es Anwen­dung. Das Bun­des­gericht hat trotz Kri­tik der Lehre an dieser Prax­is fest­ge­hal­ten (BGE 115 II 464 […].; Urteil des Bun­des­gerichts 4A_141/2011 […] E. 2.2 und 2.3 mit Hin­weisen [dazu unser Beitrag]). Für die Frage, ob hin­sichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bes­tim­mungen des Auf­tragsrechts als sachgerecht erscheinen, wird vor allem darauf abgestellt, ob nach Art des Ver­trages ein Ver­trauensver­hält­nis zwis­chen den Parteien uner­lässlich ist und ihm beson­dere Bedeu­tung zukommt ([…]). 

Im konkreten Fall lag die Anwen­dung von OR 404 nicht auf der Hand, weil die Eigen­tümerin die eigene Ver­wal­tungstätigkeit in die Räume der Auf­trag­nehmerin ver­legt hat­te. Die Vorin­stanz hat­te dieses als pachtver­traglich­es Ele­ment gew­ertet. Das BGer wider­spricht dieser Qual­i­fika­tion und wen­det OR 404 an:

Mit der geschlosse­nen Vere­in­barung wurde die ordentliche Liegen­schaftsver­wal­tung der [Eigen­tümerin] in die Räum­lichkeit­en der [Ver­wal­terin] ver­legt und dort von dieser organ­isiert und geleit­et. Ent­ge­gen der Vorin­stanz ist darin kein pachtver­traglich­es Ver­tragse­le­ment zu erken­nen. […] Die [Ver­wal­terin] hat ihre Räume samt Infra­struk­tur […] nicht über­lassen, son­dern selb­st genutzt. Sie hat der [Eigen­tümerin] nur ein Mit­be­nutzungsrecht eingeräumt. […] Das Mit­be­nutzungsrecht […] basiert mithin auf dem zwis­chen den Parteien beste­hen­den Ver­trauensver­hält­nis. […] Während die von den Parteien mit der Zusam­me­nar­beit ver­fol­gten Zwecke und Inter­essen weit­ge­hend den­jeni­gen eines nor­malen Liegen­schaftsver­wal­tungsver­trages entsprechen, set­zt die Eingliederung in den Betrieb der [Ver­wal­terin] und die umfan­gre­ichen Kom­pe­ten­zen, die ihr über­tra­gen wer­den, im Ver­gle­ich zu ein­er gewöhn­lichen Liegen­schaftsver­wal­tung ein gesteigertes Ver­trauensver­hält­nis voraus. Dieses lässt die Anwen­dung der auf­tragsrechtlichen Bes­tim­mungen auf die Ver­tragsauflö­sung als sachgerecht erscheinen.

Auf­grund dieser Qual­i­fizierung und der zwin­gen­den Natur von OR 404 I war auch die vorge­se­hene Kon­ven­tion­al­strafe für eine aussert­er­min­liche Beendi­gung des Ver­trags nicht geschuldet (die Kündi­gung war auch nicht zur Unzeit erfol­gt, son­st wäre die Kon­ven­tion­al­strafe im Umfang des Schadens wirk­sam bzw. als Schadenspauschale durch­set­zbar gewesen).

Die Wen­dung “[…] set­zt die Eingliederung in den Betrieb […] im Ver­gle­ich zu ein­er gewöhn­lichen Liegen­schaftsver­wal­tung ein
gesteigertes Ver­trauensver­hält­nis
voraus. Dieses lässt die Anwen­dung der
auf­tragsrechtlichen Bes­tim­mungen auf die Ver­tragsauflö­sung als
sachgerecht erscheinen”
kön­nte so ver­standen wer­den, dass OR 404 auf den “nor­malen”  Liegen­schaftsver­wal­tungsver­trag nicht anwend­bar ist.