4A_363/2013: Partizipationsscheine sind bei der Genossenschaft unzulässig (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht heisst eine Beschw­erde des eid­genös­sis­chen Han­del­sreg­is­ter­amts gut und hebt in seinem Urteil vom 28. April 2014 den ander­slau­t­en­den Entscheid des Bun­desver­wal­tungs­gericht vom 13. Juni 2013 (B‑6017/2012) auf.

Wie auch aus der Presse zu ent­nehmen war, hat­te die als Genossen­schaft organ­isierte Raif­feisen-Gruppe beab­sichtigt, ein Beteili­gungss­cheinkap­i­tal von CHF 300 Mio. in Form von voll liberierten Beteili­gungss­cheinen mit einem Nom­i­nal­w­ert von CHF 100 auszugeben. Dabei soll­ten diese Beteili­gungss­cheine wesentliche Ele­mente des aktien­rechtlichen Par­tizipa­tion­ss­cheins enthal­ten. Ins­beson­dere hät­ten die Beteili­gungss­cheine ein Recht auf Gewinn­beteili­gung eingeräumt, deren Inhab­ern hätte aber kein Stimm­recht zugestanden.

Die Vorin­stanz hielt dafür, dem gel­tenden Genossen­schaft­srecht lasse sich keine Antwort auf die Frage ent­nehmen, ob Genossen­schaften Par­tizipa­tion­ss­cheine aus­geben dürften. Es lag nach Ansicht der Vorin­stanz eine geset­zliche Lücke vor, welche unter Zurück­greifen auf die Recht­slage unter dem alten Aktien­recht, d.h. vor Erlass der aktien­rechtlichen Bes­tim­mungen zu den Par­tizipa­tion­ss­cheinen (Art. 656a ff. OR), geschlossen wer­den müsse. Ob die Über­tra­gung dieser alt-aktien­rechtlichen Regelung zu den Genusss­cheinen (Art. 657 aOR) auf die Genossen­schaft zuläs­sig ist, wurde in der Lehre kon­tro­vers disku­tiert, zumal im Genossen­schaft­srecht Genusss­cheine geset­zlich nie vorge­se­hen waren.

Das Bun­des­gericht ver­wies in E. 3.6.2 zunächst auf den Umstand, dass der Geset­zge­ber das Par­tizipa­tion­skap­i­tal für die Aktienge­sellschaft aus­drück­lich geregelt, für die Gesellschaft mit beschränk­ter Haf­tung jedoch aus­geschlossen hat. Begrün­det wurde dies gemäss der Botschaft zur Revi­sion des GmbH-Rechts damit, dass 

die GmbH (auf­grund ihres per­so­n­en­be­zo­ge­nen Charak­ters) als nicht kap­i­tal­mark­t­fähige Rechts­form aus­gestal­tet und für die Auf­nahme von nicht stimm­berechtigtem Eigenkap­i­tal auf dem Kap­i­tal­markt nicht geeignet ist (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4).

Anders als bei der Aktienge­sellschaft soll, so das Bun­des­gericht weit­er (E. 3.6.2), auch die Kap­i­tal­beteili­gung bei der Genossen­schaft nach dem Willen des Gesetzgebers 

nicht als mobil­isierte Anlagemöglichkeit, son­dern als Folge per­son­aler Mit­glied­schaft aus­gestal­tet wer­den. (…) Die geset­zge­berische Wer­tung, die Möglichkeit von Par­tizipa­tion­ss­cheine nur für Rechts­for­men in Betra­cht zu ziehen, deren Struk­tur für die Auf­nahme von Eigenkap­i­tal auf dem Kap­i­tal­markt geeignet ist, spricht dem­nach grund­sät­zlich auch bei der Genossen­schaft für eine abschliessende geset­zliche Regelung des Grundkapitals.

Eben­so von Bedeu­tung war für das Bun­des­gericht (E. 3.6.3), dass der Geset­zge­ber für die Par­tizipan­ten auf­grund ihrer ausseror­dentlich prekären Rechtsstel­lung Schutzvorkehren vor­sah; ins­beson­dere die Son­der­prü­fung. Eine Aus­gabe von Par­tizipa­tion­ss­cheinen würde somit die Über­nahme der aktien­rechtlichen Schutzmech­a­nis­men, ins­beson­dere in Form der Son­der­prü­fung, bedin­gen. Wed­er im Genossen­schaft­srecht noch im GmbH-Recht sind diese Schutzmech­a­nis­men indes vorge­se­hen. Dies weist, so das Bun­des­gericht weit­er, darauf hin, dass die Zulas­sung von Par­tizipa­tion­ss­cheinen zwin­gend ein Tätig­w­er­den des Geset­zge­bers bedingt.

Gestützt auf die Mate­ri­alien ins­beson­dere zur GmbH-Revi­sion gelangte das Bun­des­gericht zum Schluss, dass — ent­ge­gen dem Bun­desver­wal­tungs­gericht — keine geset­zliche Lücke in dem Sinne vor­liege, dass die aktuelle Regelung unvoll­ständig sei. Vielmehr habe der Geset­zge­ber (1.) zum Aus­druck gebracht, Par­tizipa­tion­ss­cheine nicht bei allen Gesellschafts­for­men zuzu­lassen (E. 3.6.4 und 3.7). Eben­so habe er (2.) eine Aus­gabe von Beteili­gungspa­pieren zur Kap­i­talbeschaf­fung ohne beson­dere Beschränkun­gen, wie sie etwa beim alt-aktien­rechtlichen Genusss­chein gestützt auf Art. 657 aOR noch zuläs­sig war, in jedem Fall auss­chliessen wollen (E. 3.6.4 und E. 3.6.5). Um das von der Raif­feisen-Gruppe geplante Beteili­gungss­cheinkap­i­tal einzuricht­en, müsste vielmehr eine Grund­lage im gel­tenden Aktien­recht gefun­den wer­den, was jedoch nicht gelinge (E. 3.6.6).

Der ent­ge­gen­ste­hen­den Lehrmei­n­ung, welche das vom Geset­zge­ber für die GmbH “neu geschaf­fene” qual­i­fizierte Schweigen nicht auf das Genossen­schaft­srecht anwend­bar erachtet, könne — so das Bun­des­gericht (E. 3.6.4) — nicht gefol­gt wer­den. Vielmehr ste­he es der Genossenschaft 

ohne eine aus­drück­liche geset­zliche Regelung über die Rechte der Par­tizipan­ten nicht frei, Eigenkap­i­tal­in­stru­mente  sui gener­is in Form von Par­tizipa­tion­ss­cheinen oder etwa nach dem Vor­bild des unter dem alten Aktien­recht in der Prax­is entwick­el­ten Finanzierungs­genusss­cheins zu schaffen.