4A_3/2014: Sittenwidrigkeit bei Schenkungen an qualifizierte Berufsträger; Bestätigung der Rechtsprechung; Art. 38 Standesordnung FMH

Eine rohyp­no­lab­hängige Pati­entin hat­te ihrem Arzt im Sinne ein­er gemis­cht­en Schenkung ein Grund­stück zu rund CHF 2 Mio. unter dem Mark­twert verkauft. Vor BGer war nur noch strit­tig, ob eine solche Zuwen­dung sit­ten­widrig ist. Das BGer ref­eren­ziert zunächst insb. BGE 132 III 455 wie folgt:

Das Bun­des­gericht fol­gte in sein­er pub­lizierten Recht­sprechung ein­er Lehrmei­n­ung, wonach bes­timmte Beruf­sträger — namentlich Ärzte, Psy­cholo­gen, Anwälte, Geistliche, Notare oder Sozialar­beit­er, aber auch Haushalthil­fen oder Heim­leit­er, Bankiers, Treuhän­der, Finanzber­ater usw. — in beson­ders sen­si­blen Bere­ichen tätig seien, da ihnen ihre Tätigkeit unweiger­lich tiefe Ein­blicke in die per­sön­lichen und wirtschaftlichen Belange der betreuten Per­son ver­schaffe. Daher dränge sich fall­weise die Beurteilung auf, ob eine Ver­fü­gung zugun­sten ein­er solchen Ver­trauensper­son auf einem selb­st­bes­timmten Entscheid beruht oder ob der Beruf­sträger den aus dem Ver­trauensver­hält­nis sich ergeben­den Ein­fluss in unlauter­er Weise aus­genützt habe […].

Das BGer ging dabei jedoch nicht so weit, Schenkun­gen reich­er, alle­in­ste­hen­der älter­er und kranker Per­so­n­en müssten bei einem Ver­trauensver­hält­nis irgendwelch­er Art prinzip­iell als ungültig zu erk­lären. Vielmehr 

[…] bedarf [es] ein­er unlauteren Bee­in­flus­sung oder eines Ver­stoss­es gegen ele­mentare Standesregeln, deren Zweck ger­ade darin beste­ht, von vorn­here­in Inter­essenkon­flik­te und Zweifel über mögliche uner­wün­schte Bee­in­flus­sun­gen zu ver­hin­dern […].

Dieser Recht­sprechung fol­gt das BGer auch hier. Vor­liegend war allerd­ings nicht erstellt, dass der Arzt die Pati­entin in unzuläs­siger Weise bee­in­flusst hatte.

Sodann rügte der Vor­mund der ehe­ma­li­gen Pati­entin eine Ver­let­zung von Art. 38 der Standes­or­d­nung FMH:

“Die Annahme von Geschenken, Ver­fü­gun­gen von Todes wegen oder von anderen Vorteilen, sei es von Patien­ten, Pati­entin­nen oder von Drit­ten, die den Arzt oder die Ärztin in ihren ärztlichen Entschei­dun­gen bee­in­flussen kön­nen und das übliche Mass klein­er Anerken­nun­gen über­steigen, sind unzulässig.”

Hier verneint die Vorin­stanz, dass der erhal­tene Vorteil geeignet gewe­sen sei, den Arzt in sein­er Tätigkeit zu beeinflussen.

Das BGer erwäh­nt schliesslich, dass im Fall ein­er schw­eren Sucht die Wil­lens­bil­dung des Betrof­fe­nen durch das primäre Bestreben, den Erhalt des Sucht­mit­tels zu sich­ern, zwar ggf. beein­trächtigt sein kön­nte. Vor­liegend hat­ten die Vorin­stanzen jedoch keinen Sachver­halt fest­gestellt, der diesen Schluss erlauben würde.