5A_925/2013: Vermutung des guten Glaubens; Sorgfaltspflicht beim Kauf eines Occasionswagens der oberen Mittelklasse

Das BGer hat­te vor­liegend zu entschei­den, ob die Erwer­berin eines Occa­sion­swa­gens der oberen Mit­telk­lasse (BMW 520d Tour­ing mit Zube­hör im Wert von ca. CHF 90’000) beim Erwerb die gebotene Sorgfalt ver­let­zt hat­te und sich deshalb nicht auf die Ver­mu­tung des guten Glaubens berufen kann.

Die ursprüngliche Eigen­tümerin des Wagens, eine Leas­ingge­sellschaft, ver­leaste den Wagen an den späteren Verkäufer, mit dem Ver­merk “Hal­ter­wech­sel ges­per­rt” (eCode 178). Der Verkäufer fälschte anschliessend eine Erk­lärung der ursprünglichen Eigen­tümerin, wonach der Wagen abbezahlt sei. Mit dieser Erk­lärung wurde ein neue Fahrzeu­gausweis ohne den Ver­merk aus­gestellt. Damit kon­nte der Verkäufer den Wagen weit­er­verkaufen. Bei der fol­gen­den Ummel­dung des Wagens wurde der Fahrzeu­gausweis allerd­ings ein­be­hal­ten. In der Folge klagte die Erwer­berin des Wagens gegen die Leas­ingge­sellschaft auf Fest­stel­lung ihres unbe­lasteten Eigentums.

Das HGer ZH hat­te fest­gestellt, dass Anlass zu Mis­strauen und damit eine Abklärungs- bzw. Erkundi­gungspflicht beim Kauf des
Occa­sions­fahrzeugs hin­sichtlich der Ver­fü­gungs­berech­ti­gung bestanden habe. Ins­beson­dere der rel­a­tiv niedrige Preis von CHF 48’000 und die in kurz­er Zeit erfol­gten mehreren Handwechsel
(Inverkehrset­zung 6. Jan­u­ar 2011, Ein­schrei­bung des Verkäufers als Fahrzeughal­ter 22. Juli 2011, Verkauf 4. August 2011) hät­ten die Erwer­berin zu Nach­forschun­gen ver­an­lassen müssen.

Das BGer fasst zunächst in rechtlich­er Hin­sicht seine beste­hende Recht­sprechung zusammen:

Für den Erwer­ber ein­er Sache beste­ht keine all­ge­meine Pflicht, sich nach dem Vor­liegen der Ver­fü­gungs­macht des Veräusser­ers zu erkundi­gen; nur wenn konkrete Ver­dachts­gründe gegeben sind, hat er die näheren Umstände abzuk­lären. Höhere Anforderun­gen sind an jene Geschäft­szweige zu stellen, die dem Ange­bot von Waren zweifel­hafter Herkun­ft und fol­glich mit Rechtsmän­geln behafteter Sachen in beson­derem Masse aus­ge­set­zt sind, wie es beim Han­del mit Gebraucht­waren aller Art der Fall ist. Auch wenn damit keine generelle Erkundi­gungspflicht sta­tu­iert wird, ergibt sich in diesen Fällen eine Abklärungs- bzw. Erkundi­gungspflicht hin­sichtlich der Ver­fü­gungs­berech­ti­gung des Veräusser­ers nicht erst bei konkretem Ver­dacht des Rechts­man­gels, son­dern bere­its, wenn auf­grund der Umstände Anlass zu Mis­strauen beste­ht. Diese erhöht­en Sorgfalt­san­forderun­gen beschränken sich nicht auf den Händler im kaufmän­nis­chen Verkehr; entschei­dend ist vielmehr die Branchen­ver­trautheit des Erwer­bers […]. Zu den Geschäft­szweigen, für die erhöhte Sorgfalt­spflicht­en gel­ten, gehört der Han­del mit Occa­sions­fahrzeu­gen, wobei die Anforderun­gen, die an die Sorgfalt­spflicht des Händlers von Occa­sion­sauto­mo­bilen der Luxu­sklasse gestellt wer­den, beson­ders hoch sin […]. 

Der hier betrof­fene BMW 520d Tour­ing mit einem Neupreis von ca. CHF 90’000 gehöre zur oberen Mit­telk­lasse und weise mit dem Zube­hör “einen hohen
Attrak­tiv­itätswert” auf. Ins­ge­samt ste­he er der “Luxu­sklasse näher
als der gewöhn­lichen Mit­telk­lasse”. Damit durfte das HGer ZH von einem erhöht­en Sorgfalts­masstab ausgehen. 

Sodann befre­it das Fehlen des Ver­merks “Hal­ter­wech­sel ver­boten” nicht von den erforder­lichen Abklärun­gen, wie das BGer bere­its früher fest­ge­hal­ten hat. In dieser Hin­sicht hält das BGer aber fest, dass eine Erkundi­gung beim Verkehrsamt für die erforder­lichen Abklärun­gen objektiv
geeignet wäre.

Ins­ge­samt schützt das BGer den Entscheid des HGer ZH und greift in dessen Ermessen nicht ein.