Im Urteil vom 4. September 2014 nimmt das BGer Stellung zu beanstandeten Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung der Eidgenössischen Abstimmung vom 28. September 2014 über die Volksinitiative “Für eine öffentliche Krankenkasse”. Beschwerdegegnerinnen sind sieben Krankenkassen, denen die Beschwerdeführer vorwerfen, dass sie im Vorfeld der Abstimmung in ihren Kundenmagazinen subjektiv und unsachlich informiert und dadurch die Abstimmungsfreiheit verletzt hätten. Das BGer weist die Beschwerde ab.
Zunächst äussert sich das BGer zur Tragweite der in der BV verankerten Garantie der politischen Rechte, welche die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe schützt:
Aus Art. 34 Abs. 2 BV wird namentlich eine Verpflichtung der Behörden auf korrekte und zurückhaltende Information im Vorfeld von Abstimmungen abgeleitet […]. Diese unterliegen den Geboten der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit. Behördliche Informationen müssen geeignet sein, zur offenen Meinungsbildung beizutragen und dürfen nicht in dominanter und unverhältnismässiger Art im Sinne eigentlicher Propaganda eine freie Willensbildung der Stimmberechtigten erschweren oder geradezu verunmöglichen (E. 5.1).
Strittig ist, ob die sieben Krankenkassen an die Grundrechte gebunden sind. Das BGer führt aus, dass die Beschweregegnerinnen als Aktiengesellschaften privatrechtlich organisiert seien und nicht durch ein Gemeinwesen beherrscht würden. Sie nähmen jedoch im Bereich der sozialen Krankenversicherung öffentliche Aufgaben wahr und seien insoweit mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Das Rechtsverhältnis zwischen Versichertem und Versicherer unterliege im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung dem öffentlichen und nicht dem privaten Recht. Bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Verwaltungstätitgkeit seien die Krankenversicherungen deshalb an die Grundrechte gebunden.
Die Beschwerdegegnerinnen räumen ein, dass sie im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung wie Behörden handelten und daher gewissen Restriktionen unterlägen. Sie sind jedoch der Ansicht, dass sie nicht zur politischen Neutralität verpflichtet seien. Das BGer stützt diese Auffassung und sagt, dass die Beschwerdegegnerinnen durch die bevorstehende Abstimmung in qualifizierter Weise betroffen seien. In dieser Situation sei davon auszugehen, dass ein Interesse der Stimmberechtigten daran bestehe, eine Stellungnahme von den bislang mit der obligatorischen Krankenversicherung betrauten, besonders sachkundigen Krankenversicherern selbst zu erhalten, um sich ein umfassendes Bild von der Abstimmungsvorlage zu machen. Das Gebot der Sachlichkeit bedeute nicht,
[…] dass die Krankenversicherer Pro- und Contra-Argumente in gleicher Ausführlichkeit und völlig ausgewogen darlegen müssten. Wird ihnen aufgrund ihrer besonderen Betroffenheit erlaubt, in den Abstimmungskampf zu intervenieren, so sind sie befugt, ihren eigenen Standpunkt zu vertreten. Dabei müssen sie jedoch sachlich argumentieren. Sie dürfen weder über den Zweck und die Tragweite der Initiative falsch orientieren, noch für die Meinungsbildung bedeutende Gegebenheiten verschweigen oder Argumente von gegnerischen Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiedergeben […] (E. 7.3).
Das BGer kommt unter Berücksichtigung dieser Aspekte zum Schluss, dass die beanstandeten Äusserungen in den Kundenmagazinen weder für sich allein, noch zusammen genommen geeignet seien, das Resultat der Abstimmung wesentlich zu beeinflussen.