Im zur Publikation vorgesehenen Urteil vom 15. August 2014 befasst sich das BGer mit einem Baugesuch für Zweitwohnungen. Im Februar 2013 ersuchte A. (späterer Beschwerdegegner) die Gemeinde St. Moritz (spätere Beschwerdeführerin) um die Bewilligung für den Umbau des Estrichs einer bestehenden Zweitwohnung zu einem Studio. Der durch den Gemeindevorstand ausgesprochene Bauabschlag wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden aufgehoben. Das BGer wiederum heisst die von der Gemeinde St. Moritz gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde gut.
Zunächst äussert sich das BGer zum Inhalt von Art. 75b Abs. 1 BV. Die Bestimmung besage, dass der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 Prozent beschränkt sei. Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 1. Januar des auf die Annahme von Art. 75b BV folgenden Jahres und dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen erteilt werden, seien nichtig (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV).
In der Literatur ist umstritten, ob der Bundesrat schon vor Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist gemäss Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV zur Vollziehung der neuen Verfassungsbestimmung befugt war […]. Inzwischen ist die in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV statuierte Übergangsfrist abgelaufen, ohne dass ein Ausführungsgesetz in Kraft getreten ist. Der Bundesrat ist nunmehr befugt, die nötigen Ausführungsbestimmungen über Erstellung, Verkauf und Registrierung im Grundbuch durch Verordnung zu regeln. Am 19. Februar 2014 hat der Bundesrat den Entwurf eines Zweitwohnungsgesetzes (E‑ZWG) und die dazugehörige Botschaft beschlossen (BBl 2014 2287 ff.). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes soll die geltende Zweitwohnungsverordnung vom 22. August 2012 in Kraft bleiben […]. Verfügt der Bundesrat seit dem 12. März 2014 über eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zum Erlass von Ausführungsbestimmungen in Form einer Verordnung, so bestehen aus kompetenzrechtlicher Sicht keine Bedenken mehr gegen die ZweitwohnungsV. Es wäre überspitzt formalistisch, vom Bundesrat zu verlangen, die ZweitwohnungsV ein zweites Mal zu erlassen, diesmal gestützt auf Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV (E. 4.1).
Laut BGer werde der vorliegend streitige Fall des Um- bzw. Ausbaus einer Zweitwohnung, die weiterhin als Zweitwohnung genutzt werden soll, von der ZweitwohnungsV nicht geregelt. Daher bleibe es bei der Übergangsregelung von Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV.
Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV enthält ein vorsorgliches Baubewilligungsverbot, das im Ergebnis […] einer Planungszone gleichkommt. Es ist weit auszulegen, um eine Präjudizierung der künftigen Ausführungsgesetzgebung zu vermeiden […]. Darunter fallen alle baubewilligungspflichtigen Tatbestände, deren Vereinbarkeit mit Art. 75b Abs. 1 BV zweifelhaft erscheint und daher vom Gesetzgeber geregelt werden müssen (E. 5).
Art. 75b BV beschränkt nicht nur den Zweitwohnungsanteil am Gesamtbestand der Wohneinheiten, sondern auch an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde. Wie das ARE zutreffend darlegt, ist davon auszugehen, dass dieser Begriff künftig bundeseinheitlich geregelt wird und sich nicht zwangsläufig mit der nach dem kantonalen bzw. kommunalen Recht anrechenbaren Bruttogeschossfläche decken wird (E. 5.1).
Die Auslegung des ARE, wonach auf die Flächen eines Geschosses abzustellen sei, die der Wohnnutzung im engeren Sinne dienen, sei eine Auslegung, die mit Art. 75b BV vereinbart werden könne. Nach dieser Definition stelle die Umwandlung von Nebennutzflächen in Hauptnutzflächen eine Erweiterung einer bestehenden Zweitwohnung dar. Der Umbau des Estrichs zu einem Studio vergrössere die Hauptnutzfläche und stelle einen baubewilligungspflichtigen Tatbestand dar, dessen Vereinbarkeit mit Art. 75b Abs. 1 BV zweifelhaft erscheine und bis zur Klärung durch den Gesetzgeber nicht bewilligt werden könne.