1C_786/2013: Eine vollständige Umnutzung einer Gewerbebaute zu Wohnzwecken widerspricht der Zwecksetzung von Art. 37a RPG (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid vom 8. Okto­ber 2014 befasst sich das BGer mit der Frage, ob Art. 37a RPG (Raum­pla­nungs­ge­setz, SR 700) die Umwand­lung von Gewerbe- in Wohn­raum ges­tat­te. Im Jahr 1988 erwarb A. (später­er Beschw­erde­führer) zwei Parzellen in der Gemeinde Mels (spätere Beschw­erdegeg­ner­in). Auf ein­er dieser Parzellen wurde im Zeit­punkt des Erwerbs eine Sägerei betrieben, die A. während über zehn Jahren weit­er­führte und danach in eine Schnitzerei­w­erk­statt umwan­delte. Zwei Jahre nach Beginn der Umbauar­beit­en reichte A. ein Gesuch ein, die Umnutzung des Sägereige­bäudes als Schnitzerei­w­erk­stätte zu bewil­li­gen. Im Rah­men der Besich­ti­gung stellte die Schätzungskom­mis­sion der Gemeinde Mels fest, dass A. mit dem Ein­bau von zwei Ferien­woh­nun­gen beschäftigt war, worauf der Gemein­der­at die nachträgliche Baube­wil­li­gung ver­weigerte und den Rück­bau anord­nete. Nach­dem sowohl das Baude­parte­ment des Kan­tons St. Gallen als auch das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons St. Gallen die Beschw­erde von A. abwiesen, gelangte dieser an das BGer, welch­es den Entscheid der Vorin­stanz stützt.

Im Zen­trum des Entschei­ds ste­ht die Frage, ob das Bauge­such von A. in Anwen­dung von Art. 37a RPG hätte bewil­ligt wer­den kön­nen. In diesem Zusam­men­hang ruft das BGer den Inhalt der Bes­tim­mung in Erin­nerung und führt aus, dass der Bun­desrat gemäss Art. 37a RPG regle, unter welchen Voraus­set­zun­gen Zweck­än­derun­gen gewerblich genutzter Baut­en und Anla­gen zuläs­sig sind, die vor dem 1. Jan­u­ar 1980 erstellt wur­den oder sei­ther als Folge von Änderun­gen der Nutzungspläne zonen­widrig gewor­den seien. Als Aus­führungsnorm zu Art. 37a RPG habe der Bun­desrat Art. 43 RPV (Raum­pla­nungsverord­nung, SR 700.1) erlassen, welch­er für Zweck­än­derun­gen und Erweiterun­gen von zonen­widrig gewor­de­nen gewerblichen Baut­en und Anla­gen fol­gende Voraus­set­zun­gen nenne: 

  • Die Baute oder Anlage wurde recht­mäs­sig erstellt oder geändert;
  • Es entste­hen keine wesentlichen neuen Auswirkun­gen auf Raum und Umwelt;
  • Die neue Nutzung ist nach keinem anderen Bun­de­ser­lass unzulässig. 

Das BGer sei in älteren Entschei­den davon aus­ge­gan­gen, dass Art. 37a RPG und Art. 43 RPV bei gewerblichen Baut­en voll­ständi­ge Zweck­än­derun­gen erlauben wür­den. Ob die Bes­tim­mungen eine Umwand­lung von Gewerbe- in Wohn­raum ges­tat­ten, habe das BGer jedoch offen­ge­lassen  (vgl. Urteil 1A.186/2004 vom 12. Mai 2005 E. 2.5 und E. 5.3). Im konkreten Fall sprächen laut BGer aber sowohl his­torische als auch sys­tem­a­tis­che Gründe gegen die Zuläs­sigkeit der Umwand­lung von Gewerbe- in Wohn­raum gestützt auf Art. 37a RPG:

[…] der Geset­zge­ber habe mit Art. 37a RPG den beste­hen­den Gewer­be­be­trieben ausser­halb der Gewer­be­zone die nötige Flex­i­bil­ität für Mod­ernisierun­gen und Umstruk­turierun­gen ein­räu­men wollen, um deren Konkur­ren­zfähigkeit zu sich­ern und eine Fort­führung des Betriebs durch die näch­ste Gen­er­a­tion zu ermöglichen; Art. 37a RPG bezwecke somit die Erhal­tung von Gewer­be­be­trieben ausser­halb der Bau­zo­nen […]. Solche Nutzungsän­derun­gen soll­ten jedoch nicht gemäss dem Grund­satz ‘Gewerbe bleibt Gewerbe’ schranken­los zuge­lassen wer­den, was Bun­desrat Koller in seinen Aus­führun­gen vor dem Nation­al­rat sein­erzeit deut­lich machte und auch in den Erläuterun­gen des ARE zu Art. 43 RPV zum Aus­druck kommt. Dem­nach überträgt Art. 37a RPG als Del­e­ga­tion­snorm dem Bun­desrat die Auf­gabe, die grund­sät­zlich zuge­lassene Umnutzung zu anderen gewerblichen Zweck­en einzuschränken. Jeden­falls aus­geschlossen ist jedoch die voll­ständi­ge Umnutzung ein­er Gewer­be­baute zu Wohnzweck­en. Die Baute würde dadurch ihren gewerblichen Charak­ter ver­lieren […], was der Zweck­set­zung von Art. 37a RPG zuwider­laufen und damit den dem Bun­desrat eröffneten Gestal­tungsspiel­raum dieser Del­e­ga­tion­snorm über­schre­it­en würde (E. 2.7).

In sys­tem­a­tis­ch­er Hin­sicht sei laut BGer zu berück­sichti­gen, dass Art. 37a RPG im Zusam­men­hang mit den Regelun­gen der erle­ichterten Aus­nah­me­be­wil­li­gun­gen für Baut­en ausser­halb der Bau­zone gemäss Art. 24a‑d RPG zu ver­ste­hen sei. Die Zulas­sung der voll­ständi­gen Umnutzung von zonen­widri­gen Gewer­be­baut­en zu Wohnzweck­en würde zu ein­er grund­losen Priv­i­legierung von altrechtlichen Gewer­be­baut­en gegenüber land­wirtschaftlichen Ökonomiege­bäu­den führen.