4A_168/2014: Nichtigkeit eines Anfangsmietzinses bei fehlender Verwendung des amtlichen Formulars (amtl. Publ.)

Dem Bun­des­gericht bot sich in diesem Urteil die Gele­gen­heit, seine Recht­sprechung im Zusam­men­hang mit der Nichtigkeit eines Anfangsmi­et­zins­es, welch­er den Mietern nicht auf dem hier­für vorge­se­henen amtlichen For­mu­lar mit­geteilt wor­den war, in Erin­nerung zu rufen.

Hin­ter­grund des Ver­fahrens bildete ein am 11. Sep­tem­ber 2006 abgeschlossen­er Mietver­trag über eine Woh­nung in Genf, bei welchem es anlässlich der Rück­gabe der Woh­nung im April 2010 und der Freiga­be der Mietkau­tion zu ein­er Auseinan­der­set­zung zwis­chen dem Ver­mi­eter und den Mietern über die Über­nahme von Kosten für die Behe­bung von Män­geln gekom­men war. 

Im Rah­men dieser Auseinan­der­set­zung macht­en die Mieter mit Schreiben vom 21. Juni 2011 gel­tend, dass ihnen der Anfangsmi­et­zins nicht mit­tels amtlichem For­mu­lar mit­geteilt wor­den war und leit­eten am 26. April 2012 ein Her­ab­set­zungs­begehren i.S.v. Art. 270 Abs. 1 OR ein (der Kan­ton Genf hat von der Möglichkeit gemäss Art. 270 Abs. 2 OR, die Ver­wen­dung des For­mu­la­rs gemäss Artikel 269d beim Abschluss eines neuen Mietver­trags oblig­a­torisch zu erk­lären, Gebrauch gemacht [E. 3]).

Das Bun­des­gericht ver­wies zunächst auf seine Recht­sprechung betr­e­f­fend die Rechts­fol­gen bei fehlen­der Ver­wen­dung des amtlichen For­mu­la­rs. Es hielt dabei an seinem Grund­satzurteil BGE 120 II 341 fest und führte aus, dass die fehlende Mit­teilung des Anfangsmi­et­zins­es mit­tels amtlichem For­mu­lar nicht — gestützt auf Art. 11 Abs. 2 OR — die Nichtigkeit des gesamten Mietver­trags, son­dern — auf­grund ein­er tele­ol­o­gis­chen Reduk­tion von Art. 270 Abs. 2 OR und in Anwen­dung von Art. 20 Abs. 2 ORlediglich die Nichtigkeit der Vere­in­barung betr­e­f­fend die Miet­zin­shöhe nach sich zieht (E. 3.2.1). Diese Teil­nichtigkeit — so das Bun­des­gericht weit­er — tritt auch dann ein, wenn der Mietver­trag bei­d­seit­ig erfüllt wurde (E. 3.2.2).

In einem solchen Fall ist der Mieter berechtigt, die gerichtliche Fest­set­zung des Anfangsmi­et­zins­es und die Rück­er­stat­tung von zu viel Bezahltem zu fordern. Auf diese Rück­er­stat­tungs­forderung find­en die Regeln über die ungerecht­fer­tige Bere­ichung (Art. 62 ff. OR) Anwen­dung. Da das Mietrecht in zeitlich­er Hin­sicht keine Ein­schränkung dieser Rück­er­stat­tungs­forderung vor­sieht, richtet sich die Ver­jährung nach Art. 67 Abs. 1 OR (E. 3.2.3 mit Ver­weis auf BGE 130 III 504, E. 6.2).

Vor­be­hal­ten bleibt in jedem Fall der Rechtsmiss­brauch (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Im Zusam­men­hang mit der Rück­er­stat­tungs­forderung ruft das Bun­des­gericht dabei in Erin­nerung (E. 3.2.4), dass:

une excep­tion au droit de répéti­tion des art. 62 ss CO peut être admise, par exem­ple, lorsque le pre­neur s’est ren­du compte du vice de forme et s’est abstenu de pro­test­er dans le des­sein d’en tir­er, le cas échéant, ultérieure­ment prof­it (…) ou encore lorsque le locataire a renon­cé expressé­ment et en toute con­nais­sance de cause à la noti­fi­ca­tion de la for­mule offi­cielle et a exé­cuté de son plein gré l’ac­cord con­clu (…). En revanche, le seul fait d’avoir payé, sans dis­cuter, le loy­er pen­dant un long laps de temps ne saurait, à lui seul, con­duire à la con­clu­sion que le locataire com­met un abus de droit (…).

sowie

Au titre de l’u­til­i­sa­tion d’une insti­tu­tion juridique de façon con­traire à son but, la jurispru­dence a retenu, entre autre exem­ple, que le locataire qui soulève la nul­lité du loy­er con­clu pour s’op­pos­er à la résil­i­a­tion immé­di­ate du con­trat et à son expul­sion com­met un abus de droit (…).