5A_487/2014: Auslegung eines Rechtsvorschlages (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Urteil hat­te sich das Bun­des­gericht mit der Frage zu befassen, wie die Erk­lärung „Rechtsvorschlag kein neues Ver­mö­gen“ zu ver­ste­hen ist:

Die A. AG hat­te B. gestützt auf einen Konkursver­lustschein betrieben. B. hat­te Rechtsvorschlag mit dem Ver­merk “Rechtsvorschlag kein neues Ver­mö­gen” erhoben. Das Betrei­bungsamt forderte B. in der Folge auf, zu präzisieren, ob er sich einzig auf die Einrede des man­gel­nden neuen Ver­mö­gens beziehe oder ob auch die in Betrei­bung geset­zte Forderung bestrit­ten werde, worauf B. jedoch nicht reagierte. Das Betrei­bungsamt legte den Rechtsvorschlag dem Richter vor, welch­er densel­ben im Umfang von Fr. 2’175.25 nicht bewil­ligte und fest­stellte, dass neues Ver­mö­gen in dieser Höhe vorhan­den sei. Als die A. AG das Fort­set­zungs­begehren stellte, gab das Betrei­bungsamt diesem allerd­ings keine Folge, weil der ordentliche Rechtsvorschlag nicht beseit­igt wor­den sei.

Umstrit­ten war der Umfang des vom Betriebe­nen erhobe­nen Rechtsvorschlages.

Das Bun­des­gericht erwog zunächst, dass der Rechtsvorschlag an keine Form gebun­den sei und i.d.R. kein­er Begrün­dung bedürfe. Wenn der Betriebene allerd­ings bestre­ite, zu neuem Ver­mö­gen gekom­men zu sein, so habe er dies im Rechtsvorschlag aus­drück­lich zu erk­lären. Das Betrei­bungsamt lege dann den Rechtsvorschlag dem Richter des Betrei­bung­sortes vor, welch­er endgültig darüber entschei­de. Sofern sich der Rechtsvorschlag auch gegen den Bestand der Forderung richte, so sei dieser vor der Fort­set­zung der Betrei­bung eben­falls gerichtlich zu beseit­i­gen. Dies­falls könne der Betreibende die Recht­söff­nung ver­lan­gen, über die der Richter — bei gegeben­er (sach­lich­er) Zuständigkeit — im sel­ben (sum­marischen) Ver­fahren befinde (E. 2.1).

Zum Vorge­hen des Betrei­bungsamtes führte das Bun­des­gericht aus: 

„Das Betrei­bungsamt stellte [dem Betriebe­nen] konkret die Frage, ob nur die Einrede des fehlen­den neuen Ver­mö­gens erhoben werde oder ob auch der Bestand der Forderung bestrit­ten werde. In der Lehre wird denn auch angeregt, den Betriebe­nen im Hin­blick auf die Ver­mei­dung unnötiger Ver­fahren zu ein­er klaren Äusserung anzuhal­ten […] oder sog­ar nachzufra­gen, ob die Forderung anerkan­nt werde […]. Dieses Vorge­hen scheint sin­nvoll und mit der Regelung von Art. 265a SchKG vere­in­bar, auch wenn keine der­ar­ti­gen geset­zlichen Pflicht­en des Betrei­bungsamtes beste­hen; genau­so wenig ist der Betriebene gehal­ten, auf die Anfrage des Betrei­bungsamtes zu antworten.“ 

Das Bun­des­gericht fol­gerte, dass es dem Betriebe­nen nicht schade, wenn er sich nicht vernehmen lasse. Im Ergeb­nis bleibe der Umfang des Rechtsvorschlages im vor­liegen­den Fall unklar und bedürfe der Ausle­gung (E. 2.2). Bei der Ausle­gung der Erk­lärung des Betriebe­nen lehnte das Bun­des­gericht den in Recht­sprechung und Lehre teils befür­worteten Grund­satz in dubio pro deb­itore zwar ab. Stattdessen forderte das Bun­des­gericht eine Ausle­gung nach dem Ver­trauen­sprinzip (E. 2.3), kam aber zu fol­gen­dem Schluss: 

„Nach den dargelegten Grund­sätzen und nicht zulet­zt auf­grund der Form­frei­heit des Rechtsvorschlages erweist sich die von der kan­tonalen Auf­sichts­be­hörde vorgenommene Ausle­gung, dass der Satz “Rechtsvorschlag kein neues Ver­mö­gen” auch gegen die in Betrei­bung geset­zte Forderung gerichtet sei, als recht­skon­form. […] die Vorin­stanz kon­nte und durfte annehmen, dass der Schuld­ner “Rechtsvorschlag [und] kein neues Ver­mö­gen” gemeint hat. Da sich der Rechtsvorschlag des Schuld­ners nicht aus­drück­lich nur auf das Fehlen neuen Ver­mö­gens beschränkt hat […], ist das Fort­set­zungs­begehren vom Betrei­bungsamt zu Recht zurück­gewiesen worden.“