4A_115/2014: Adäquater Kausalzusammenhang bejaht

B. (Fahrzeu­glenker) kol­li­dierte als Lenker eines Liefer­wa­gens auf ein­er Kreuzung mit einem Motor­rad­fahrer. Dieser wurde in ein Korn­feld geschleud­ert, das wegen des aus­laufend­en Ben­zins Feuer fing. Der Motor­rad­fahrer erlag seinen schw­eren Ver­let­zun­gen. Der Fahrzeu­glenker erlitt hinge­gen nur ger­ingfügige kör­per­liche Ver­let­zun­gen und nahm seine Arbeit­stätigkeit nach dem Unfall bald wieder auf. Er entwick­elte jedoch psy­chisch der­art schwere Störun­gen, dass er unge­fähr nach einem Jahr seit dem Unfall­ereig­nis seine Stelle ver­lor und invalid wurde. Nach Auf­fas­sung des Fahrzeu­glenkers ist seine Erwerb­sun­fähigkeit auf den Verkehrsun­fall und dem anschliessenden Strafver­fahren zurückzuführen.

Der Fahrzeu­glenker wurde wegen fahrläs­siger Tötung des vor­tritts­berechtigten Motor­rad­fahrers durch das Bezirks­gericht Muri und das Oberg­ericht des Kan­tons Aar­gau verurteilt. Das Bun­des­gericht hob die strafrechtliche Verurteilung indessen wieder auf, da der Fahrzeu­glenker nicht habe damit rech­nen müssen, dass der Motor­rad­fahrer auf ein­er Haupt­strasse mit einem Tem­polim­it von 80 km/h mit ein­er über­set­zten Geschwindigkeit von 125 bis 145 km/h auf die Kreuzung zufahren würde.

Der Fahrzeu­glenker klagte gegen die Haftpflichtver­sicherung des Motor­rad­fahrers, die von den kan­tonalen Gericht­en zu Zahlun­gen verurteilt wurde. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde der Ver­sicherung ab (Urteil 4A_115/2014 vom 20. Novem­ber 2014).

Das Bun­des­gericht hat­te ins­beson­dere zu entschei­den, ob zwis­chen dem Verkehrsun­fall und der psy­chis­chen Fehlen­twick­lung beim Fahrzeu­glenker ein natür­lich­er und adäquater Kausalzusam­men­hang beste­ht. Hierzu hielt das Bun­des­gericht ins­beson­dere das Fol­gende fest (E. 6.4.2 und 6.4.3):

“6.4.2. Es kann nach den tat­säch­lichen Fest­stel­lun­gen der
Vorin­stanz nicht davon gesprochen wer­den, der Kausalzusammenhang
zwis­chen dem Strafver­fahren und dem gel­tend gemacht­en Schaden erscheine
als der­art inten­siv, dass das Fehlver­hal­ten des Motor­rad­fahrers, der den
Unfall verur­sachte, als adäquat-kausale Ursache des Schadens ausser
Betra­cht fiele. Zu beacht­en ist, dass dem Motor­rad­fahrer eine krasse
Ver­let­zung von Verkehrsregeln an ein­er Strassen­stelle, an der er an sich
vor­tritts­berechtigt gewe­sen wäre, zur Last zu leg­en ist
, was zunächst
unberück­sichtigt blieb und beson­ders geeignet war, ein schliesslich mit
einem Freis­pruch enden­des, vom Beschw­erdegeg­n­er als ungerechtfertigt
emp­fun­denes Strafver­fahren gegen den Beschw­erdegeg­n­er in Gang zu setzen […] 

 

6.4.3. Die Vorin­stanz wies zu Recht darauf hin, dass das
Unfall­er­leb­nis und das nach­fol­gend gegen den Beschw­erdegeg­n­er geführte
Strafver­fahren, in welchem ihm vorge­wor­fen wurde, am Tod des
Motor­rad­fahrers schuldig zu sein, für diesen sehr belas­tend gewe­sen sein
muss, und geeignet erscheint, schwere psy­chis­che Reak­tio­nen nach sich
zu ziehen. Nach ihren verbindlichen tat­säch­lichen Fest­stel­lun­gen ist der
Beschw­erdegeg­n­er sodann in psy­chis­ch­er Hin­sicht keine
Durch­schnittsper­son, son­dern jemand mit ein­er prämorbiden
Per­sön­lichkeitsstörung, die zur Folge gehabt habe, dass er die durch den
Unfall bed­ingte Stra­fun­ter­suchung und die mit sein­er Verurteilung durch
die aar­gauis­chen Gerichte ver­bun­dene per­sön­liche Kränkung nicht richtig
habe ver­ar­beit­en kön­nen.
Im Gegen­satz zum Fall 5C.156/2003, auf den
sich die Beschw­erde­führerin bezieht und in dem entsprechende
Fest­stel­lun­gen fehlten, ist dem­nach vor­liegend von einer
kon­sti­tu­tionellen Prädis­po­si­tion
beim Beschw­erdegeg­n­er auszuge­hen, die
als mitwirk­ender Zufall dazu führte, dass der Unfall mit dem
darauf­fol­gen­den Strafver­fahren zu einer […]
dauer­haften und von seinem Willen unab­hängi­gen Arbeitsunfähigkeit
führte. Die Vorin­stanz ver­let­zte kein Bun­desrecht, indem sie erkannte,
diese Arbeit­sun­fähigkeit sei eine adäquat-kausale Folge des vom
Motor­rad­fahrer verur­sacht­en Unfalls, ungeachtet des Umstands, dass eine
kon­sti­tu­tionelle Prädis­po­si­tion des Beschw­erdegeg­n­ers bei ihrer
Entste­hung mitwirk­te.
Nach dem vorste­hend Aus­ge­führten erschiene es
vielmehr als unbil­lig, den vor­be­lasteten Beschw­erdegeg­n­er die
aussergewöhn­lichen Fol­gen des Unfalls allein tra­gen zu lassen, ohne den
ein entsprechen­der Schaden indessen nicht einge­treten wäre, als ob der
Motor­rad­fahrer mit dem Schaden­sein­tritt nichts zu tun hätte und sich den
Gesund­heit­szu­s­tand des Unfal­lopfers aus­suchen könnte.”