6B_912/2013: Vielzahl formeller Rügen – insbesondere zum Fehlen der formellen Untersuchungseröffnung und zur allfälligen Verfügungspflicht bzgl. der Anklageprüfung (amtl. Publ.)

Viel hil­ft viel – das stimmt vor Gericht nicht unbe­d­ingt: Diese Erfahrung musste ein Beschw­erde­führer machen, der vor dem Bun­des­gericht – neben der unrichti­gen Sachver­halts­fest­stel­lung (E. 2) und der Ver­let­zung der Begrün­dungspflicht (E. 3) – eine Rei­he formeller Rügen (E. 1) vorge­bracht hat­te. Im Fol­gen­den wer­den nur die wichtig­sten Erwä­gun­gen des umfan­gre­ichen Urteils wiedergegeben.

Zum Fehlen ein­er formellen Eröff­nung der staat­san­waltlichen Unter­suchung durch Ver­fü­gung (E. 1.1.4):
Die Stra­fun­ter­suchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staat­san­waltschaft mit dem Fall zu befassen begin­nt. Dies trifft jeden­falls dann zu, wenn sie Zwangs­mass­nah­men anord­net. Da die Vor­ladung als Zwangs­mass­nahme gilt, genügt es in aller Regel für die Eröff­nung, wenn die Staat­san­waltschaft erste Unter­suchung­shand­lun­gen sel­ber vorn­immt, namentlich die beschuldigte Per­son ein­vern­immt. Der Eröff­nungsver­fü­gung kommt mithin lediglich deklara­torische Wirkung zu. Die Unter­las­sung ein­er förm­lichen Eröff­nungsver­fü­gung hat dem­nach keine Nichtigkeit oder Ungültigkeit der durchge­führten Unter­suchung­shand­lun­gen zur Folge.

Zum Hin­weis auf die ver­fahren­srechtliche Stel­lung sowie die Rechte und Pflicht­en der Auskun­ftsper­son bei der polizeilichen Ein­ver­nahme (E 1.2.4):
Selb­st wenn man die Bes­tim­mung über das Zeug­nisver­weigerungsrecht gemäss Art. 177 Abs. 3 StPO ana­log auf die Pri­vatk­läger­schaft im Sinne von Art. 178 lit. a StPO anwen­den wollte, die nicht über ihr Aus­sagev­er­weigerungsrecht gemäss Art. 181 StPO belehrt wurde, würde der man­gel­nde Hin­weis nur dann zur Unver­w­ert­barkeit der Aus­sagen führen, wenn sich die Pri­vatk­läger­schaft nachträglich auf das Zeug­nisver­weigerungsrecht beruft.

Zum Vorhalt eines konkreten, präzis umschriebe­nen Sachver­halts (E. 1.3.4):
Es trifft zu, dass dem Beschw­erde­führer, als er in der ersten Ein­ver­nahme über den Ver­fahrens­ge­gen­stand informiert wurde, nicht der Inhalt der Dro­hung genan­nt wurde. Ihm wurde aber nicht bloss ein pauschaler Vor­wurf gemacht. Vielmehr wur­den Tatzeit­punkt und Tatort präzise umris­sen, so dass sich der Beschw­erde­führer, dessen Vertei­di­ger bei der Fort­set­zung der Ein­ver­nahme anwe­send war, entsprechend vertei­di­gen konnte.

Zum Gesuch um Pro­tokoll­berich­ti­gung (E. 1.4.4):
Die Pro­tokoll­berich­ti­gung nach Art. 79 Abs. 2 StPO bezieht sich nur auf erst später ent­deck­te und gel­tend gemachte Mängel.

Zur Pflicht ein­er Anklageprü­fung und ein­er allfäl­li­gen Ver­fü­gung der­sel­ben durch das Gericht (E. 1.5.4):
Die Vor­prü­fung der Anklage gemäss Art. 329 StPO ist eine vor­läu­fige, auf die For­malien beschränk­te und regelmäs­sig sum­marische Prü­fung. Mit dieser soll ver­mieden wer­den, dass in formeller oder materieller Hin­sicht klar man­gel­hafte Ankla­gen zu ein­er Hauptver­hand­lung führen. Dabei han­delt es sich nicht um eine eigentliche Anklagezu­las­sung. Es ist dementsprechend wed­er ein formelles Ver­fahren vorge­se­hen noch erfol­gt ein formeller Zulas­sungsentscheid. Hält die Ver­fahrensleitung die Anklage und die Akten für ord­nungs­gemäss, kann sie dies in ein­er Akten­no­tiz fes­thal­ten. Dieses Ergeb­nis ist den Parteien sin­nvoller­weise nur mitzuteilen, wenn eine Partei in dieser Phase Män­gel der Anklage oder der Akten gel­tend gemacht hat. Man­gels Anfecht­barkeit entste­ht dem Beschw­erde­führer auch kein Nachteil, wenn die Ver­fahrensleitung der ersten Instanz das Ergeb­nis der Vor­prü­fung nicht fest­ge­hal­ten, son­dern direkt zur Hauptver­hand­lung vorge­laden hat.