Im Entscheid 2C_1194/2013, 2C_645/2014 erklärte das Bundesgericht die per 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Steueramnestie-Bestimmungen des Tessiner Steuergesetzes für bundesrechts- und verfassungswidrig.
Die strittigen kantonalen Bestimmungen hätten es den im Kanton Tessin steuerpflichtigen (natürlichen und juristischen) Personen erlauben sollen, während zwei Jahren ihre im Rahmen einer erstmaligen Selbstanzeige ermittelten kantonalen Nachsteuern (der letzten 10 Jahre) um 70% zu reduzieren — dies zusätzlich zu der seit 2010 schweizweit geltenden blossen Strafbefreiung. (Die vereinfachte Nachbesteuerung in Erbfällen i.S.v. Art. 53a StHG war von den Tessiner Neuerungen nicht tangiert.)
Gegen diese Bestimmungen wurden von diversen Privatpersonen zwei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. b i.V.m. 87 Abs. 1 BGG) ergriffen, die das BGer zu einem Verfahren vereinigte. Anfechtungsobjekt waren die Artikel 309e und 314e des Tessiner Einkommenssteuergesetzes (E.1). Gerügt wurde, diese Bestimmungen verletzten sowohl das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes (StHG; insbesondere Art. 56 Abs. 1bis und 57b i.V.m. Art. 53 Abs. 1 StHG) als auch die Rechts- und Steuergleichheit (Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV).
Das Bundesgericht folgte diesen Begründungen und stellte sinngemäss klar, dass das vom Bundesgesetzgeber im Rahmen der erstmaligen Selbstanzeige gewährte Privileg der Straflosigkeit harmonisierungsrechtlich abschliessend zu verstehen sei und den Kantonen keinen Raum für darüber hinausgehende Amnestiebestimmungen lasse (E.7). Zudem sah das BGer eine Verletzung der Rechts- und Steuergleichheit als erwiesen an, da Steuerpflichtige, welche ihre Steuern im ordentlichen Verfahren steuerehrlich deklarierten offensichtlich ungleich behandelt würden gegenüber Personen, welche in den Genuss der vorliegend zu beurteilenden Steueramnestie kämen (E.9).
Die seit 1. Januar 2014 im Kanton Tessin eingereichten Selbstanzeigen müssen nun auf der Basis des bisherigen Rechts beurteilt werden. Im Rahmen eines kantonalen Referendums waren die umstrittenen Bestimmungen im Mai 2014 zunächst angenommen aber (gem. Auskunft Kant. Steuerverwaltung TI) aufgrund der eingereichten Beschwerden von der kantonalen Steuerverwaltung in keinem einzigen Fall angewendet worden. Ähnlich gelagerte Gesetzgebungsprojekte anderer Kantone müssen somit nach diesem Urteil aufgegeben werden (pendent: Fribourg).