1C_887/2013: Ein Objektkredit von Fr. 4’600’000.– für die Sanierung des thurgauischen Kunstmuseums ist keine gebundene Ausgabe und hätte dem Finanzreferendum unterstellt werden müssen (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 15. April 2015 beschäftigte sich das BGer mit ein­er Stimm­rechts­beschw­erde im Zusam­men­hang mit der Sanierung des beste­hen­den und dem Bau eines neuen Kun­st­mu­se­ums im Kan­ton Thur­gau. Im Jahr 2014 beantragte der Regierungsrat des Kan­tons Thur­gau dem Grossen Rat einen Objek­tkred­it über Fr. 4’600’000.– für die Sanierung der beste­hen­den Räume des kan­tonalen Kun­st­mu­se­ums in der Kar­tause Ittin­gen. Dieser Antrag wurde vom Grossen Rat nach inten­siv­er Debat­te genehmigt. Gle­ichzeit­ig stellte der Regierungsrat für die Real­isierung des Erweiterungs­baus einen Baubeitrag von Fr. 11’320’000.– aus dem Lot­terie­fonds in Aus­sicht. Einige Stimm­bürg­er waren der Ansicht, dass der Beschluss des Grossen Rats der Volksab­stim­mung hätte unter­stellt wer­den müssen. Die gegen den Entscheid des Grossen Rats des Kan­tons Thur­gau gerichtete Stimm­rechts­beschw­erde wird vom BGer gutgeheissen.

Zunächst führt das BGer aus, dass gebun­dene Aus­gaben gemäss § 23 Abs. 3 der Thur­gauer Kan­tonsver­fas­sung (KV TG, RB 101) von der Volksab­stim­mung ausgenom­men seien: 

In Bezug auf den Unter­halt von Gebäu­den im Speziellen geht die bun­des­gerichtliche Recht­sprechung davon aus, dass Aus­gaben für den blossen Gebäude­un­ter­halt grund­sät­zlich als gebun­den, solche für die Erweiterung oder die Ergänzung staatlich­er Gebäude als neu zu betra­cht­en sind […]. Aus­gaben für den Umbau solch­er Gebäude gel­ten als neu, wenn sie mit ein­er Zweck­än­derung ver­bun­den sind. Umgekehrt lässt sich nicht all­ge­mein sagen, dass grössere Aus­gaben für die Instand­stel­lung, Erneuerung oder den Umbau eines Gebäudes immer gebun­den sind, wenn der Zweck des Gebäudes beibehal­ten wird […]. Auch beim Gebäude­un­ter­halt kommt es auf das Aus­mass des Spiel­raums beim “Ob” und “Wie” an […] (E. 4.3.). 

In einem zweit­en Schritt zitiert das BGer aus einem bei den Akten liegen­den Bericht der Calorex, Wid­mer & Part­ner AG, wonach der Erweiterungs­bau und die Sanierung zwei kumu­la­tiv notwendi­ge Mass­nah­men seien, um das angestrebte Ziel eines Kun­st­mu­se­ums mit über­re­gionaler Ausstrahlung zu erre­ichen, in dem bedeu­tende, ins­beson­dere zeit­genös­sis­che Ausstel­lun­gen organ­isiert wer­den könnten: 

Meist erwies sich eine Sanierung, soweit die zuständi­gen kan­tonalen Behör­den über­haupt von ein­er gebun­de­nen Aus­gabe aus­gin­gen, als ohne­hin uner­lässlich und die neuen Bauteile als tech­nisch oder planer­isch unverzicht­bar bzw. lediglich the­o­retisch oder in geringem Masse vari­abel. […] Hier ver­hält es sich anders: Ob die Kar­tause Ittin­gen über­haupt als Muse­um weit­er genutzt und ob sie dies­falls auch nur annäh­ernd in der gegen­wär­tig geplanten Weise saniert würde, falls der Erweiterungs­bau weg­fiele, ist völ­lig offen. Darüber müsste ganz neu entsch­ieden wer­den (E. 6.6.). 

Das BGer hält abschliessend fest, dass den kan­tonalen Behör­den ein dur­chaus erhe­blich­er Entschei­dungsspiel­raum für das zu finanzierende Pro­jekt verblieben sei. Insofern hätte der Beschluss des Grossen Rats des Kan­tons Thur­gau dem Finanzref­er­en­dum unter­stellt wer­den müssen.