Der Bundesrat hat dem Parlament am 5. Juni 2015 zwei Botschaften zu den zentralen Rechtsgrundlagen für die internationale Amtshilfe in Steuersachen, insbesondere den Automatischen Informationsaustausch (AIA) überwiesen. Die diesbezüglichen zwei Vernehmlassungsverfahren waren erst im April 2015 abgeschlossen worden. Die Beratungen in den eidgenössischen Räten sind für Herbst 2015 geplant, die Inkraftsetzung der massgebenden Erlasse für anfangs 2017. Damit soll gemäss Botschaft der erste AIA nach internationalem OECD-Standard für die Schweiz ab 2018 erfolgen, dies selbst im Falle eines Referendums.
1.) Amtshilfeübereinkommen des Europarats und der OECD (‘AhiÜ’); Umsetzungsbestimmungen im StAhiG
Per 1. Mai 2015 hatten bereits 70 Staaten das AhiÜ (Abkürzung nicht amtl.) unterzeichnet. Mit dem Beitritt sämtlicher G20 Staaten und fast aller Staaten der OECD (Schweiz: Oktober 2014) liefert das AhiÜ global massgebende Standards für die internationale Zusammenarbeit im Bereich der steuerlichen Amtshilfe im umfassenden Sinn.
Neben gewissen Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit (u.a. betr. Zustellung und Vollstreckung) regelt das AhiÜ drei Hauptformen des Informationsaustausches:
Informationsaustausch auf Ersuchen im Sinne des bekannten Standards gem. Art. 26 OECD MA: Mit dem Beitritt zum AhiÜ kann die Schweiz diejenigen Doppelbesteuerungsabkommen, welche dem neuen Stand von Art. 26 OECD MA noch nicht angepasst wurden, uno actu aktualisieren. Würde das AhiÜ für die Schweiz heute in Kraft treten, würde sich die Anzahl Partnerstaaten (mit OECD-Amtshilfe) um 36 auf 93 Staaten und Territorien erhöhen.
Spontaner Informationsaustausch (SpIA, Abkürzung nicht amtl.) durch eine Steuerbehörde an die Steuerbehörde eines Partnerstaates, sobald erstere ein mögliches Interesse des anderen Staates vermutet: Das AhiÜ zählt 5 mögliche Fallkonstellationen auf, in welchen Informationen spontan zu übermitteln wären.
Der verfahrensrechtliche Vollzug dieser ersten zwei Formen der Zusammenarbeit — insbesondere des SpIA — sollen im Steueramtshilfegesetz (StAhiG SR 672.5; s. insb. Art. 22a-22e StAhiG), einer bundesrätlichen Verordnung sowie in Weisungen der EFD geregelt werden. Gemäss Botschaft sollen die verfahrensmässigen Rechte der betroffenen Personen (bzgl. Notifikation; Rechtsmittel) im heute geltenden Umfang grundsätzlich erhalten bleiben. Die Botschaft stellt zudem klar: “Das Bankgeheimnis im Inland, d.h. für Steuerpflichtige in der Schweiz mit Bezug auf ihre Bankkonten in der Schweiz, wird durch die vorgeschlagene Änderung nicht tangiert.
Auch im Rahmen eines ausländischen Ersuchens im Inland beschaffte
Bankinformationen dürfen weiterhin nur weiterverwendet werden, soweit
sie nach schweizerischem Recht hätten beschafft werden können.” (S. 43
unten, Botschaft AhiÜ).
Der Automatische Informationsaustausch wird im AhiÜ nur knapp erwähnt. Der entsprechende Art. 6 AhiÜ stellt die staatsvertragliche Rechtsgrundlage für den AIA, resp. für das unten besprochene MCCA und das AIA-Gesetz dar. Vor diesem Hintergrund kombiniert der Bundesrat — sachgerecht — die parlamentarische Beratung der Botschaften zum AhiÜ samt StAhiG mit jener zum MCCA samt AIA-Gesetz.
Mittels Vorbehalten zu einzelnen Bestimmungen des AhiÜ will der BR für die Schweiz gewisse Formen der Zusammenarbeit ausschliessen (u.a. bzgl. Steuerprüfungen im Ausland; Gleichzeitige Steuerprüfungen; Vollstreckung von Steuerforderungen; Zustellung und zeitlicher Anwendbarkeit).
Im übrigen sind im AhiÜ wichtige Prinzipien und Voraussetzungen zur Amtshilfe verankert (u.a. Datenschutz: Hohe Anforderungen an die Geheimhaltung der ausgetauschten Informationen; Spezialitätsprinzip: ausschliessliche Verwendung zu Steuerzwecken; Reziprozität: Amtshilfe muss nur geleistet werden, wenn der Partnerstaat ebenfalls liefert).
Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des AhiÜ unterliegt (mitsamt den darin enthaltenen Anpassungen am StAhiG) dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 lit. d Z. 3 BV).
- Medienmitteilung BR vom 5. Mai 2015;
- AhiÜ des Europarats und der OECD;
- Bundesbeschluss betr. Genehmigung AhiÜ und Anpassungen StAhiG;
- Botschaft betr. AhiÜ und Anpassungen StAhiG;
- Ergebnisbericht Vernehmlassung AhiÜ.
2.) MCCA und Umsetzungserlass ‘AIA-Gesetz’
Die Multilaterale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (Multilateral Competent Authority Agreement, MCCA) war von der Schweiz bereits am 19. November 2014 unterzeichnet worden. Sie bezweckt die verfahrensmässig einheitliche Umsetzung des von der OECD im September 2014 verabschiedeten gemeinsamen AIA-Meldestandards in allen Unterzeichnerstaaten.
Letzterer ist dem MCCA als Beilage angehängt und regelt bekanntlich die Melde- und Sorgfaltspflichten der meldenden Finanzinstitute für Informationen über Finanzkonten. Zu diesem gemeinsamen OECD Meldestandard gehören neben dem Gegenstand der zu meldenden Informationen (Name des Kontoinhabers; Adresse; Ansässigkeit; Steueridentifikationsnummer; Kontonummer; Name des meldenden Finanzinstituts; Kontostand zum Ende des Kalenderjahres, resp. per Saldierung; Bruttobetrag der Zinsen; Bruttobetrag der Dividenden; Gesamtbruttoerlöse aus Veräusserung von Kontowerten etc.) auch detaillierte Vorschriften zur Identifikation der meldepflichtigen Konten und zu den Voraussetzungen für die Meldepflicht. Diese trifft primär Finanzinstitute aber auch gewisse kollektive Anlageinstrumente und Versicherungsgesellschaften.
In Konkretisierung des oben besprochenen Art. 6 AhiÜ, welcher den AIA nur dem Grundsatz nach erwähnt, regelt das MCCA das Verfahren, wie die von der OECD vordefinierten und im MCCA wiederholten Informationsinhalte zwischen den Partnerstaaten auszutauschen sind (Konzept der zuständigen Behörden; Zeitraum [Regel: einmal jährlich] und Form der Meldungen; Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden etc.). Verfahren, Rechte und Pflichten der in der Schweiz involvierten Parteien werden im AIA-Gesetz geregelt (Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen).
Um den AIA schliesslich mit einem konkreten Land zu aktivieren, müssen beide Länder dem AIA-‚Koordinationsgremium‘ eine entsprechende Erklärung einreichen, welche von der Bundesversammlung jeweils zu genehmigen ist. Ein erster Bundesbeschluss betreffend AIA-Aktivierung mit einem ersten konkreten Land ist momentan in der Vernehmlassung (Australien). Alternativ zu dieser Lösung kann – wie mit der EU vorgesehen – ein eigenständiges AIA-Abkommen abgeschlossen werden.
Das MCCA inklusive OECD-Meldestandard ist vom Parlament mittels separatem Bundesbeschluss zu genehmigen, welcher dem fakultativen Referendum ebenso unterliegt (Art. 141 Abs. 1 lit. d, Z. 3 BV) wie das ausführende AIA-Gesetz (Art. 141 Abs. 1 lit. a BV).