BVGer erklärt Verfügung des Vizepräsidenten der WEKO zur Volkswagen-Preisabsprache für nichtig

Die Wet­tbe­werb­skom­mis­sion (WEKO) hat­te am 22. Mai 2013 eine Unter­suchung gegen die AMAG Auto­mo­bil- und Motoren AG sowie vier AMAG-Ver­trieb­spart­ner wegen möglich­er Preis­ab­sprachen im Einzel­han­delsverkauf von Neuwa­gen der Volk­swa­gen­gruppe eröffnet.

AMAG, nicht aber die vier anderen Ver­fahrens­beteiligten, schloss in der Folge mit dem Sekre­tari­at der WEKO eine ein­vernehm­liche Regelung ab. Den Entscheid über die Genehmi­gung dieser ein­vernehm­lichen Regelung delegierte die WEKO in Anwen­dung von Art. 19 Abs. 1 KG an einen ihrer Vizepräsi­den­ten. Dieser wiederum erteilte schliesslich mit Ver­fü­gung vom 8. August 2014 die Genehmi­gung, wom­it er das Ver­fahren gegen AMAG formell abschloss (siehe hier).

Die vier im Ver­fahren verbleiben­den Unternehmen haben gegen die Ver­fü­gung des Vizepräsi­den­ten Beschw­erde geführt und ins­beson­dere gel­tend gemacht, dass die WEKO den Entscheid über die Genehmi­gung der ein­vernehm­lichen Regelung unzuläs­siger­weise an einen Vizepräsi­den­ten delegiert habe. Die Ver­fü­gung vom 8. August 2014 sei daher nicht bloss anfecht­bar, son­dern nichtig. Konkret könne nicht von einem Fall von “unter­ge­ord­neter Bedeu­tung” nach Art. 19 Abs. 1 KG gesprochen wer­den, da mit der Ver­fü­gung des Vizepräsi­den­ten zum ersten Mal eine Unter­suchung gegenüber ein­er poten­tiellen Kro­nzeu­g­in mit ein­er “Teil­ver­fü­gung” vor­ab abgeschlossen wer­den sollte.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hat nun mit Urteilen vom 13. April 2016 die ange­focht­ene Ver­fü­gung über die Genehmi­gung der ein­vernehm­lichen Regelung mit AMAG für nichtig erk­lärt.

Zur Frage nach der Zuständigkeit für die Genehmi­gung ein­er ein­vernehm­lichen Regelung hielt das Bun­desver­wal­tungs­gericht zunächst fest [E 5.6]:

Nach Art. 18 Abs. 3 Satz 1 KG trifft die Wet­tbe­werb­skom­mis­sion die Entschei­de und erlässt die Ver­fü­gun­gen, die nicht aus­drück­lich ein­er anderen Behörde vor­be­hal­ten sind. […]. Art. 29 und 30 KG enthal­ten Spezial­nor­men über ein­vernehm­liche Regelun­gen. Ihr klar­er Wort­laut lässt keinen Inter­pre­ta­tion­sspiel­raum hin­sichtlich der Zuständigkeit für den Entscheid über solche Regelun­gen und deren Genehmi­gung. Vielmehr ord­nete der Geset­zge­ber diese Kom­pe­tenz ein­deutig der Wet­tbe­werb­skom­mis­sion zu, ohne dabei eine Del­e­ga­tion­s­möglichkeit vorzusehen […].

Es sei bei der Ver­fü­gung auch nicht von einem Fall unter­ge­ord­neter Bedeu­tung auszuge­hen [E 5.6]:

Soll wie mit der ange­focht­e­nen Ver­fü­gung in der Haupt­sache entsch­ieden wer­den, kann kaum von einem Fall unter­ge­ord­neter Bedeu­tung die Rede sein. Allein schon die neuar­tige Vorge­hensweise, welche grundle­gende (ver­fahrens-) rechtliche Fra­gen aufwirft, spricht gegen eine unter­ge­ord­nete Bedeu­tung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Satz 3 KG. Diese Geset­zes­bes­tim­mung räumt dem ermächtigten Prä­sid­i­umsmit­glied keine selb­ständi­ge Entschei­dungs­befug­nis ein, und sie erlaubt eine Ermäch­ti­gung expliz­it nur im Einzelfall. Soweit ersichtlich, wur­den ein­vernehm­liche Regelun­gen bis anhin auch stets von der Wet­tbe­werb­skom­mis­sion als Gesamt­gremi­um, nicht aber von einem Prä­sid­i­umsmit­glied bzw. Vizepräsi­den­ten, beurteilt […].

Nach Ansicht des Bun­desver­wal­tungs­gericht­es liess sich die “unter­ge­ord­nete Bedeu­tung” ins­beson­dere auch nicht damit begrün­den, dass die ein­vernehm­liche Regelung einen nicht bestrit­te­nen Sachver­halt betraf und auf eine Sank­tion verzichtet wurde. Eben­so sei das Geständ­nis von AMAG nicht als Indiz für die Bedeu­tung des Fall­es zu werten, da die Bedeu­tung des Fall­es “bezüglich der einzel­nen Ver­fahrensparteien nicht unter­schiedlich” sein könne. In der ange­focht­e­nen Ver­fü­gung sei denn auch nicht dargelegt wor­den, weshalb ein Fall von “unter­ge­ord­neter Bedeu­tung” im Sinne von Art. 19 Abs. 1 KG vor­liegen soll.

Zur Frage, ob eine Unter­suchung gegenüber einem bes­timmten Kartellmit­glied über­haupt vor­ab abgeschlossen wer­den könne, äusserte sich das Bun­desver­wal­tungs­gericht schliesslich wie fol­gt [E 5.7]:

Ob eine Partei sank­tion­iert wird oder auf­grund ein­er Selb­stanzeige von ein­er Sank­tions­be­freiung prof­i­tiert, kann insofern keinen Unter­schied machen, als es in jedem Fall ein­er materiellen Beurteilung des Ver­gan­gen­heitssachver­haltes bedarf. Deshalb erscheint es fraglich, ob sich eine Unter­suchung, bei der es um die Beteili­gung an ein­er Abrede geht, über­haupt für eine Partei vor­ab abschliessen lässt. 

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht kam daher zum Schluss, dass die Ver­fü­gung vom 8. August 2014 über die Genehmi­gung der ein­vernehm­lichen Regelung von ein­er sach­lich bzw. funk­tionell unzuständi­gen Behörde erlassen wurde. Die Ver­fü­gung erweise sich daher als nichtig, wobei die fehlende Zuständigkeit angesichts des klaren Wort­lauts des Geset­zes “leicht erkennbar” gewe­sen sei.

Die Urteile des Bun­desver­wal­tungs­gericht­es kön­nen noch vor Bun­des­gericht ange­focht­en werden.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: Urteile B‑5290/2014, B‑5293/2014, B‑5294/2014 und B‑5332/2014, je vom 13. April 2016, Cash vom 26. April 2016.