Im zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 17. März 2016 hatte das BGer Beschwerden gegen sieben Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) im Zusammenhang mit Entschädigungen für Direktüberflüge ausgehend vom Betrieb des Flughafens Zürich-Kloten (sog. Ostanflug) zu beurteilen. Dem Urteil des BGer liegen Entscheide der Eidgenössischen Schätzungskommission Kreis 10 (ESchK) zugrunde, welche den Grundeigentümern (die “Enteigneten”) im Jahr 2011 mit einer Ausnahme Entschädigungen in unterschiedlicher Höhe zusprach, welche von der Flughafen Zürich AG und dem Kanton Zürich (die “Enteigner”) hätten bezahlt werden müssen.
Es wird weder von den Enteigneten noch von den Enteignern beanstandet, dass die Voraussetzungen des direkten Überflugs in allen zu beurteilenden Fällen vorliegen. Streitig ist aber zunächst, ob die Entschädigung auf den direkt überflogenen Parzellenteil zu beschränken (Ansicht ESchK) oder der Minderwert des gesamten Grundstücks zu entschädigen ist, auch wenn dieses nur teilweise innerhalb des Überflugkorridors liegt (Ansicht BVGer). Das BGer stützt dem Grundsatz nach die Ansicht des BVGer und führt aus, dass ein direkter Überflug schon dann vorliege,
[…] wenn ein Flugzeug nur am Rande — etwa mit dem Flügel — in die Luftsäule eines Grundstücks eindringt […]. Auch in diesem Fall hat der Eigentümer grundsätzlich Anspruch auf eine volle Entschädigung nach Art. 16 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 [EntG; SR 711], d.h. es ist grundsätzlich des Minderwert des gesamten Grundstücks (Art. 19 lit. b EntG) für alle mit dem Überflug verbundenen Nachteile zu ermitteln […]. Besonderheiten des Überflugs (wie der Überflug nur eines Randbereichs oder eine ungewöhnliche Parzellengrösse) können jedoch bei der Entschädigungsbemessung berücksichtigt werden […]. Dies ist unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit nicht zu beanstanden, jedenfalls sofern es sich um von Grösse und Überbauung her durchschnittliche Grundstücke handelt […] (E. 3.5.).
Streitig ist sodann, ob das von der ESchK verwendete hedonische Modell zur Berechnung der Wertreduktion der Belastung Klotens mit abendlichen und nächtlichen Ostanflügen genügend Rechnung trägt. Das BVGer verneinte die Anwendbarkeit des hedonischen Modells und wies die ESchK an, den lärmbedingten Minderwert anhand eines einfachen Rasters zu bestimmen, welches sich an die Bewertungsmethode MIFLU I anzulehnen habe. Das BGer ist anderer Ansicht:
Dem Bundesverwaltungsgericht ist einzuräumen, dass die geringfügigen Auswirkungen der abendlichen und nächtlichen Ostanflüge auf die Minderwerte gemäss hedonischem Modell ESchK Zweifel an dessen Anwendbarkeit auf die spezielle Situation im Osten des Flughafens wecken. Dagegen erscheint es problematisch, das Modell MIFLU I, das für selbstbewohnte Einfamilienhäuser entwickelt wurde, ohne weitere Abklärungen auf Ertragsliegenschaften anzuwenden […]. Das Bundesgericht hielt in BGE 134 II 164 E. 14.1 S. 163 fest, dass MIFLU I zur Ermittlung des lärmbedingten Wertverlustes vermieteter Mehrfamilienhäuser nicht einsetzbar sei, und forderte deshalb eine Methode zur schematischen Beurteilung des fluglärmbedingten Schadens vermieteter Mehrfamilienhäuser. Hierfür wurde das hedonische Modell ESchK entwickelt, das auf umfangreichen Transaktionsdaten beruht, von Fachleuten erarbeitet wurde und sich gemäss statistischen Gütekriterien als genügend plausibel und zuverlässig erwiesen hat […] (E. 4.5.)
Insgesamt sprächen Gründe der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit wie auch das Beschleunigungsgebot für die Beibehaltung des hedonischen Modells der ESchK.
Schliesslich äussert sich das BGer zum Umstand, dass die ESchK aus Billigkeitsgründen einen Entschädigungsabzug von pauschal 10 % vornimmt, wenn die Liegenschaft infolge des bereits zum Erwerbszeitpunkt bestehenden Fluglärms zu einem niedrigeren Preis erworben worden war. Das BVGer bejahte diese Abzüge, hielt jedoch eine Schematisierung für notwendig. Gemäss BGer wurden die streitgegenständlichen Grundstücke überwiegend in den 80er und 90er Jahren erworben, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Grundbelastung mit Fluglärm bereits hoch gewesen sei. Wenn die Eigentümer die Grundstücke deshalb besonders günstig erwerben konnten, könne dieser Umstand in Form eines Billigkeitsabzuges berücksichtigt werden, wobei ein schematischer Lösungsansatz bundesrechtskonform sei.
Das BGer heisst die Beschwerden teilweise gut und weist die Sache zur neuen Beurteilung an das BVGer zurück.