1C_418/2015: Wer Grundstück wissentlich und gegen Entgelt für potenziell umweltgefährdende Nutzung zur Verfügung stellt, ist Verhaltensstörer / Erbenhaftung abgelehnt (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 25. April 2016 ging es um die Deponie am Sagen­bach in der Gemeinde Gontenschwil. Auf der damals im Eigen­tum von A.A. ste­hen­den Parzelle wur­den in den 60er und 70er Jahren durch die B. AG Abfälle abge­lagert. Im Jahr 1969 wurde die zunächst ohne Bewil­li­gung betriebene Deponie nachträglich bewil­ligt. Nach dem Tod von A.A. ging die Parzelle durch Erb­gang auf seine drei Söhne (Beschw­erde­führer) über, welche die Parzelle einige Jahre später weit­er­veräusserten. Im Jahr 2013 erliess das Departe­ment für Bau, Verkehr und Umwelt des Kan­tons Aar­gau (BVU/AG) eine Kosten­verteilungsver­fü­gung, in der es den dama­li­gen Eigen­tümer A.A. als Ver­hal­tensstör­er qual­i­fizierte und seinen Kos­tenan­teil auf 25 % fes­tlegte. Diese 25 % aufer­legte das BVU/AG zu je 8,33 % den Beschw­erde­führern. Die Beschw­erde­führer zogen die Kosten­verteilungsver­fü­gung bis vor BGer, welch­es die Beschw­erde gutheisst.

Die Beschw­erde­führer sind der Auf­fas­sung, dass A.A. als Zus­tandsstör­er und nicht als Ver­hal­tensstör­er zu qual­i­fizieren sei und ihm deshalb keine Kosten hät­ten aufer­legt wer­den dür­fen. Das BGer ist ander­er Ansicht:

Nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung gilt ein Grun­deigen­tümer, welch­er sein Grund­stück dem Deponiebe­treiber zur Nutzung zur Ver­fü­gung stellt, jeden­falls dann nicht nur als Zus­tandsstör­er, son­dern als Ver­hal­tensstör­er, wenn er am Gewinn der Deponie beteiligt ist und über Vertreter im Ver­wal­tung­sor­gan des Deponiebe­treibers ver­fügt (BGE 139 II 106 E. 5.4 S. 117). Ob dies auch für Fal­lkon­stel­la­tio­nen wie die zu beurteilende gilt, hat das Bun­des­gericht bis­lang noch nicht entsch­ieden. [D]ie Abgren­zung zwis­chen blossem Zus­tandsstör­er und Ver­hal­tensstör­er [lässt sich] vielfach nicht allein anhand des äusseren Kausalver­laufs beurteilen, son­dern die Qual­i­fika­tion hängt auch von ein­er wer­tenden Beurteilung des in Frage ste­hen­den Hand­lungs­beitrags ab. Wie von der Vorin­stanz willkür­frei fest­gestellt, stellte A.A. sein Grund­stück wissentlich und gegen Ent­gelt für eine poten­ziell umwelt­ge­fährdende Nutzung als Deponie (Ablagerung von Chemikalien) zur Ver­fü­gung. In solchen Fällen erscheint es sachgerecht, den Grun­deigen­tümer in Übere­in­stim­mung mit den Auf­fas­sun­gen der Vorin­stanz und des BAFU sowie Mei­n­un­gen in der Dok­trin […] als Ver­hal­tensverur­sach­er zu qual­i­fizieren. Mit dem zur Ver­fü­gung stellen seines Grund­stücks hat A.A. eine unmit­tel­bar zurechen­bare Ver­hal­tensur­sache für die Umwelt­ge­fährdung geset­zt (E. 3.4.).

Die Beschw­erde­führer bestre­it­en sodann, dass vor­liegend die Voraus­set­zun­gen für eine Erben­haf­tung erfüllt seien. Das BGer sagt dazu, dass im Jahr 1981 (Zeit­punkt des Erb­falls) das Gewässer­schutzge­setz die geset­zlichen Grund­la­gen für die Über­wälzung von Kosten im Zusam­men­hang mit behördlichen Ersatzvor­nah­men enthal­ten habe, sofern die von den Ablagerun­gen aus­ge­hende Umwelt­ge­fährdung die Gewäss­er betraf. Vor diesem Hin­ter­grund sei zu prüfen, ob die Beschw­erde­führer die Belas­tung und die damit zusam­men­hän­gende Sanierungs- und Kos­ten­tra­gungspflicht zum Zeit­punkt des Erb­gangs hät­ten vorausse­hen können:

Die Bewil­li­gungs­be­hörde war 1969 der Auf­fas­sung, dass von der Deponie keine Umwelt­beein­träch­ti­gung aus­ge­ht, anson­sten sie die Bewil­li­gung nicht hätte erteilen dür­fen. Eine Umwelt­ge­fährdung konkretisierte sich auch nicht bis zum Zeit­punkt des Todes von A.A. im Jahr 1981. Entsprechend bestand für die Beschw­erde­führer zum Zeit­punkt des Erb­gangs auch keine Ver­an­las­sung zu weit­eren Abklärun­gen über mögliche kün­ftige Umwelt­be­las­tun­gen. Es kon­nte von ihnen nicht erwartet und ver­langt wer­den, dass sie zu einem von der fachkundi­gen Bewil­li­gungs­be­hörde abwe­ichen­den Schluss hät­ten kom­men müssen. Die spätere Sanierungspflicht war zum Zeit­punkt des Erb­gangs 1981 somit nicht vorausse­hbar, weshalb die Beschw­erde­führer auch keinen Anlass hat­ten, das Erbe auszuschla­gen oder unter öffentlichem Inven­tar anzunehmen (E. 6.4.2.).

Das BGer hält fest, dass der Kos­tenan­teil von 25 % nicht auf die Beschw­erde­führer überge­gan­gen sei und hebt das Urteil des Vorin­stanz auf.