Informationsobliegenheit des Vermieters bei Beseitigung des Mangels
Die Mieter monierten erhebliche Staubablagerungen in den Räumen. Aus diesem Grund verliessen sie die Wohnung, setzten dem Vermieter Frist zur Mängelbeseitigung und drohten zugleich die fristlose Kündigung für den Unterlassungsfall an.
Umstritten war unter anderem, ob der Vermieter den Mangel innert angemessener Frist beseitigt hatte. In diesem Zusammenhang erwog das Obergericht Zürich, dass im Zeitpunkt der Abmahnung ein schwerer Mangel bestanden habe, sodass die Mieter berechtigt gewesen seien, die dem Vermieter gesetzte Frist zur Mängelbehebung ausserhalb der Wohnung abzuwarten. In einem solchen Fall obliege es nach Treu und Glauben dem Vermieter, den Mieter vor Ablauf der Mängelbehebungsfrist bzw. jedenfalls vor der fristlosen Kündigung mitzuteilen, dass und weshalb der Mangel seines Erachtens nicht mehr bestehe. Ansonsten trage der Vermieter das Risiko, dass die Mieter davon ausgingen, der Mangel bestehe über das Fristende hinaus fort, und deshalb (berechtigterweise) gestützt auf Art. 259b lit. a OR das Mietverhältnis kündigen (E. 5.1.1).
Das Bundesgericht schützte diese Beurteilung: Sofern die Mieter bei Vorliegen eines gesundheitsschädigenden Mangels die Wohnung berechtigterweise verlassen haben, nehmen sie ihr vertragliches Gebrauchsrecht faktisch nicht mehr wahr, solange sie vom Weiterbestand des Mangels ausgehen würden. Es sei der Vermieter, der sich bei pflichtgemässem Bemühen um Mängelbeseitigung in der Wohnung aufhalte, und den Stand der Mängelbehebungsarbeiten sowie den aktuellen Zustand der Wohnung kenne. Bei dieser Konstellation sei zu Recht von einer auf Treu und Glauben gestützten Informationsobliegenheit des Vermieters auszugehen. Dabei sei unerheblich, ob der Mangel wegen Arbeiten des Vermieters oder durch blossen Zeitablauf weggefallen sei, solange für die Mieter nicht von vornherein ersichtlich gewesen sei, dass der Mangel bloss temporärer Natur sei und vor Fristablauf von selbst wegfallen werde. Komme der Vermieter seiner Informationsobliegenheit nicht nach, dürfen die Mieter vom Fortbestand des Mangels aus- und entsprechend vorgehen, sofern sie nicht anderweitig vom Wegfall des Mangels erfahren (zum Ganzen E. 5.1.3).
Zeitpunkt der Herabsetzungserklärung
Nach erfolglosem Schlichtungsverfahren forderten die Mieter erstmals mit der Klageeinleitung eine Mietzinsherabsetzung von 100% für drei Monate. Hinsichtlich dieses Herabsetzungsbegehrens hiess das Bezirksgericht Dielsdorf die Klage vollumfänglich gut. Das Obergericht Zürich wies diese daraufhin auf Berufung des Vermieters mit der Begründung ab, es mangle an einer während der Mietdauer abgegebenen Herabsetzungserklärung.
Das Bundesgericht musste somit klären, bis wann eine Herabsetzungserklärung spätestens erfolgen muss; namentlich, ob sie auch noch nach Vertragsbeendigung abgegeben werden kann. Es hatte sich bislang erst einmal zu dieser Rechtsfrage geäussert und dabei festgehalten, dass die Erklärung während des Bestehens der Mängel erfolgen und spätestens bis zur Beendigung des Mietverhältnisses abgegeben werden müsse (BGer 4C.66/2001 vom 15. Mai 2001, E. 3a).
Aufgrund der in der Lehre geäusserten Kritik an diesem Entscheid erachtete es das Bundesgericht nicht als angezeigt, in diesem Verfahren ohne Weiteres auf dieses Ureil abzustellen, sondern prüfte die Frage vertiefter (E. 8.1). Dabei wies es zunächst auf die verschiedenen, in der Lehre (E. 8.2.1) und der kantonalen Rechtssprechung (E. 8.2.2) vertretenen Ansichten hin.
Das Bundesgericht schritt sodann zur Auslegung der massgebenden Bestimmung (Art. 259d OR):
- Hinsichtlich des Wortlauts wies das Bundesgericht darauf hin, dass in Art. 259d OR nicht festgehalten werde, bis zu welchem Zeitpunkt der Mieter seine Erklärung gegenüber dem Vermieter spätestens abzugeben habe. Dem Gesetzeswortlaut könne insbesondere nicht entnommen werden, dass die Erklärung mit der Dauer der Herabsetzung verknüpft wäre und entweder vor, während oder nach dieser abgegeben werden müsse (E. 8.3.1).
- Auch aus den Materialien ergeben sich — so das Bundesgericht weiter — keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine zeitliche Beschränkung für die Abgabe des Herabsetzungsbegehrens gewollt oder diskutiert habe (E. 8.3.2).
- Ebenso wenig lasse sich aus der systematischen Auslegung eine spezifische zeitliche Beschränkung der Abgabe einer Herabsetzungserklärung ableiten (E. 8.3.3).
- Art. 259d OR bezwecke — so das Bundesgericht schliesslich -, das durch einen Mangel am Mietobjekt entstandene Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung durch entsprechende Reduktion des Mietzinses auszugleichen (BGE 130 III 504, E. 6.3; BGE 126 III 388, E. 11c). Dieser Normzweck verlange nicht nach einer zeitlichen Beschränkung für die Abgabe der Erklärung, sondern spreche vielmehr gegen eine solche. Dem Interesse des Vermieters, nicht während unbestimmter Zeit mit Ansprüchen konfrontiert zu werden, werde mit der Rechtsverwirkung gestützt auf Art. 2 ZGB sowie den allgemeinen Verjährungsfristen (dazu BGE 130 III 504, E. 8) Rechnung getragen. Gemäss Bundesgericht erscheint dabei das Vertrauen des Vermieters, der Mieter empfinde trotz des Mangels die gegenseitigen Pflichten als nach wie vor ausgewogen, insbesondere dann als berechtigt, wenn der Mieter weder die Herabsetzung verlangt noch sonstwie deutlich macht, dass er den Mangel als belästigend empfindet, z.B. wenn er dessen Beseitigung verlangt. Der Vermieter dürfe diesfalls davon ausgehen, dass die vom Mieter vorbehaltlos beglichenen Mietzinse für vergangene Perioden nicht nachträglich reduziert würden (zum Ganzen E. 8.3.4).
Gestützt auf diese Auslegung schloss das Bundesgericht, dass keine spezifische Frist für die Abgabe der Herabsetzungserklärung gemäss Art. 259d OR bestehe. Diese Erklärung könne vielmehr auch noch abgegeben werden, nachdem der Mangel behoben oder der Vertrag beendet worden sei (E. 8.3.5). Es hob deshalb das Urteil der Vorinstanz auf und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.