4A_647/2015 & 4A_649/2015: Mietrecht; Informationsobliegenheit des Vermieters bei Beseitigung eines Mangels; Zeitpunkt der Herabsetzungserklärung (amtl. Publ.)

Infor­ma­tion­sobliegen­heit des Ver­mi­eters bei Besei­t­i­gung des Mangels
Die Mieter monierten erhe­bliche Staubablagerun­gen in den Räu­men. Aus diesem Grund ver­liessen sie die Woh­nung, set­zten dem Ver­mi­eter Frist zur Män­gelbe­sei­t­i­gung und dro­ht­en zugle­ich die frist­lose Kündi­gung für den Unter­las­sungs­fall an.

Umstrit­ten war unter anderem, ob der Ver­mi­eter den Man­gel innert angemessen­er Frist beseit­igt hat­te. In diesem Zusam­men­hang erwog das Oberg­ericht Zürich, dass im Zeit­punkt der Abmah­nung ein schw­er­er Man­gel bestanden habe, sodass die Mieter berechtigt gewe­sen seien, die dem Ver­mi­eter geset­zte Frist zur Män­gel­be­he­bung ausser­halb der Woh­nung abzuwarten. In einem solchen Fall obliege es nach Treu und Glauben dem Ver­mi­eter, den Mieter vor Ablauf der Män­gel­be­he­bungs­frist bzw. jeden­falls vor der frist­losen Kündi­gung mitzuteilen, dass und weshalb der Man­gel seines Eracht­ens nicht mehr beste­he. Anson­sten trage der Ver­mi­eter das Risiko, dass die Mieter davon aus­gin­gen, der Man­gel beste­he über das Fris­tende hin­aus fort, und deshalb (berechtigter­weise) gestützt auf Art. 259b lit. a OR das Mietver­hält­nis kündi­gen (E. 5.1.1).

Das Bun­des­gericht schützte diese Beurteilung: Sofern die Mieter bei Vor­liegen eines gesund­heitss­chädi­gen­den Man­gels die Woh­nung berechtigter­weise ver­lassen haben, nehmen sie ihr ver­traglich­es Gebrauch­srecht fak­tisch nicht mehr wahr, solange sie vom Weit­erbe­stand des Man­gels aus­ge­hen wür­den. Es sei der Ver­mi­eter, der sich bei pflicht­gemässem Bemühen um Män­gelbe­sei­t­i­gung in der Woh­nung aufhalte, und den Stand der Män­gel­be­he­bungsar­beit­en sowie den aktuellen Zus­tand der Woh­nung kenne. Bei dieser Kon­stel­la­tion sei zu Recht von ein­er auf Treu und Glauben gestützten Infor­ma­tion­sobliegen­heit des Ver­mi­eters auszuge­hen. Dabei sei uner­he­blich, ob der Man­gel wegen Arbeit­en des Ver­mi­eters oder durch blossen Zeitablauf wegge­fall­en sei, solange für die Mieter nicht von vorn­here­in ersichtlich gewe­sen sei, dass der Man­gel bloss tem­porär­er Natur sei und vor Fristablauf von selb­st weg­fall­en werde. Komme der Ver­mi­eter sein­er Infor­ma­tion­sobliegen­heit nicht nach, dür­fen die Mieter vom Fortbe­stand des Man­gels aus- und entsprechend vorge­hen, sofern sie nicht ander­weit­ig vom Weg­fall des Man­gels erfahren (zum Ganzen E. 5.1.3).

Zeit­punkt der Her­ab­set­zungserk­lärung
Nach erfol­glosem Schlich­tungsver­fahren forderten die Mieter erst­mals mit der Klageein­leitung eine Miet­zin­sher­ab­set­zung von 100% für drei Monate. Hin­sichtlich dieses Her­ab­set­zungs­begehrens hiess das Bezirks­gericht Diels­dorf die Klage vol­lum­fänglich gut. Das Oberg­ericht Zürich wies diese daraufhin auf Beru­fung des Ver­mi­eters mit der Begrün­dung ab, es man­gle an ein­er während der Miet­dauer abgegebe­nen Herabsetzungserklärung. 

Das Bun­des­gericht musste somit klären, bis wann eine Her­ab­set­zungserk­lärung spätestens erfol­gen muss; namentlich, ob sie auch noch nach Ver­trags­beendi­gung abgegeben wer­den kann. Es hat­te sich bis­lang erst ein­mal zu dieser Rechts­frage geäussert und dabei fest­ge­hal­ten, dass die Erk­lärung während des Beste­hens der Män­gel erfol­gen und spätestens bis zur Beendi­gung des Mietver­hält­niss­es abgegeben wer­den müsse (BGer 4C.66/2001 vom 15. Mai 2001, E. 3a).

Auf­grund der in der Lehre geäusserten Kri­tik an diesem Entscheid erachtete es das Bun­des­gericht nicht als angezeigt, in diesem Ver­fahren ohne Weit­eres auf dieses Ure­il abzustellen, son­dern prüfte die Frage ver­tiefter (E. 8.1). Dabei wies es zunächst auf die ver­schiede­nen, in der Lehre (E. 8.2.1) und der kan­tonalen Rechtssprechung (E. 8.2.2) vertrete­nen Ansicht­en hin.

Das Bun­des­gericht schritt sodann zur Ausle­gung der mass­geben­den Bes­tim­mung (Art. 259d OR):

  • Hin­sichtlich des Wort­lauts wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass in Art. 259d OR nicht fest­ge­hal­ten werde, bis zu welchem Zeit­punkt der Mieter seine Erk­lärung gegenüber dem Ver­mi­eter spätestens abzugeben habe. Dem Geset­zeswort­laut könne ins­beson­dere nicht ent­nom­men wer­den, dass die Erk­lärung mit der Dauer der Her­ab­set­zung verknüpft wäre und entwed­er vor, während oder nach dieser abgegeben wer­den müsse (E. 8.3.1).
  • Auch aus den Mate­ri­alien ergeben sich — so das Bun­des­gericht weit­er — keine Anhalt­spunk­te dafür, dass der Geset­zge­ber eine zeitliche Beschränkung für die Abgabe des Her­ab­set­zungs­begehrens gewollt oder disku­tiert habe (E. 8.3.2).
  • Eben­so wenig lasse sich aus der sys­tem­a­tis­chen Ausle­gung eine spez­i­fis­che zeitliche Beschränkung der Abgabe ein­er Her­ab­set­zungserk­lärung ableit­en (E. 8.3.3).
  • Art. 259d OR bezwecke — so das Bun­des­gericht schliesslich -, das durch einen Man­gel am Mieto­b­jekt ent­standene Ungle­ichgewicht zwis­chen Leis­tung und Gegen­leis­tung durch entsprechende Reduk­tion des Miet­zins­es auszu­gle­ichen (BGE 130 III 504, E. 6.3; BGE 126 III 388, E. 11c). Dieser Nor­mzweck ver­lange nicht nach ein­er zeitlichen Beschränkung für die Abgabe der Erk­lärung, son­dern spreche vielmehr gegen eine solche. Dem Inter­esse des Ver­mi­eters, nicht während unbes­timmter Zeit mit Ansprüchen kon­fron­tiert zu wer­den, werde mit der Rechtsver­wirkung gestützt auf Art. 2 ZGB sowie den all­ge­meinen Ver­jährungs­fris­ten (dazu BGE 130 III 504, E. 8) Rech­nung getra­gen. Gemäss Bun­des­gericht erscheint dabei das Ver­trauen des Ver­mi­eters, der Mieter empfinde trotz des Man­gels die gegen­seit­i­gen Pflicht­en als nach wie vor aus­ge­wogen, ins­beson­dere dann als berechtigt, wenn der Mieter wed­er die Her­ab­set­zung ver­langt noch sonst­wie deut­lich macht, dass er den Man­gel als belästi­gend empfind­et, z.B. wenn er dessen Besei­t­i­gung ver­langt. Der Ver­mi­eter dürfe dies­falls davon aus­ge­hen, dass die vom Mieter vor­be­halt­los beglich­enen Miet­zinse für ver­gan­gene Peri­o­den nicht nachträglich reduziert wür­den (zum Ganzen E. 8.3.4).

Gestützt auf diese Ausle­gung schloss das Bun­des­gericht, dass keine spez­i­fis­che Frist für die Abgabe der Her­ab­set­zungserk­lärung gemäss Art. 259d OR beste­he. Diese Erk­lärung könne vielmehr auch noch abgegeben wer­den, nach­dem der Man­gel behoben oder der Ver­trag been­det wor­den sei (E. 8.3.5). Es hob deshalb das Urteil der Vorin­stanz auf und bestätigte das erstin­stan­zliche Urteil.