4A_310/2016: Subjektive und objektive Tragweite einer Schiedsvereinbarung

Mit Entscheid 4A_310/2016 vom 6. Okto­ber 2016 wies das Bun­des­gericht eine Beschw­erde ab, mit der die Beschw­erde­führerin gerügt hat­te, dass sich das Schieds­gericht zu Unrecht für unzuständig erk­lärt habe.

Im Mai 2013 unterze­ich­neten C. und D. einen Aktionärbindungsver­trag hin­sichtlich der Beteili­gung an der B. Co. Ltd. Dabei unterze­ich­nete C. den Ver­trag im Namen der Aktionärin A. A.S. Umstrit­ten war, ob D. den Ver­trag auss­chliesslich in eigen­em Namen, d.h. als Aktionär der B. Co. Ltd., abschloss oder zusät­zlich auch im Namen der B. Co. Ltd. selb­st. Der Aktionärbindungsver­trag enthielt eine Schiedsklausel.

Im Juli 2013 verkaufte D. seine Aktien an der B. Co. Ltd. an E.

Im Novem­ber 2013 unterze­ich­neten C. und E. ein Pro­tokoll zum Aktionärbindungsver­trag. Damit wurde ein bes­timmter Artikel des Aktionärbindungsver­trags abgeän­dert, während die übri­gen Bes­tim­mungen unverän­dert gel­ten soll­ten. Auf dem Pro­tokoll waren neben den Unter­schriften von C. und E. die bei­den Fir­men­stem­pel der A. A.S. und der B. Co. Ltd. angebracht. 

Die A. A.S. leit­ete im Jan­u­ar 2015 ein Schiedsver­fahren nach den Bes­tim­mungen der Inter­na­tionalen Han­del­skam­mer (ICC) gegen E. und B. Co. Ltd. ein. Die A. A.S. stützte sich dabei nicht nur auf den Aktionärbindungsver­trag und das Pro­tokoll, son­dern auch auf ein Code Share Agree­ment vom Sep­tem­ber 2013 und ein Total Main­te­nance Sup­port Ser­vices Agree­ment vom Dezem­ber 2013, obwohl diese bei­den Vere­in­barun­gen je eigene Bes­tim­mungen zur Stre­it­entschei­dung enthielten.

Neben E. erhob auch die B. Co. Ltd. Ein­wände gegen die Zuständigkeit des Schieds­gerichts; dies in erster Lin­ie mit der Begrün­dung, sie sei wed­er Partei des Aktionärbindungsver­trags noch des Protokolls.

Mit Schied­sentscheid ( “Par­tial Award”) vom April 2016 erk­lärte sich das ICC Schieds­gericht für unzuständig, soweit das Ver­fahren die B. Co. Ltd. bet­rifft. Im Weit­eren stellte es fest, für die Beurteilung der Klage nicht zuständig zu sein, soweit sie sich auf das Code Share Agree­ment oder das Total Main­te­nance Sup­port Ser­vices Agree­ment stützen würde. 

Die A. A.S. erhob Beschw­erde gegen diesen Schied­sentscheid, wobei sie einzig die B. Co. Ltd.als Beschw­erdegeg­ner­in auf­führte. Sie beantragte, dass der Schied­sentscheid des ICC Schieds­gerichts aufzuheben und es festzustellen sei, dass die sub­jek­tive Trag­weite der Schiedsvere­in­barung und mithin die Zuständigkeit des Schieds­gerichts auch die B. Co. Ltd. umfassen würde. Die Beschw­erde richtete sich auch gegen die Fest­stel­lung des Schieds­gerichts betr­e­f­fend die objek­tive Trag­weite der Schiedsvereinbarung.

Das Bun­des­gericht behan­delte zuerst die Rüge betr­e­f­fend die sub­jek­tive Trag­weite der Schiedsvere­in­barung. Das Bun­des­gericht argu­men­tierte, das Schieds­gericht habe aus­führlich und nachvol­lziehbar dargelegt, weshalb nach Artikel 1 des Aktionärbindungsver­trags die Umschrei­bung der Ver­tragsparteien auf dem Titel­blatt sowie auf der ersten Seite (die jew­eils nur die A. A.S. und D. als Parteien iden­ti­fizierten) der Def­i­n­i­tion der Parteien in der Auflis­tung nach Anhang 1 (in dem sowohl die “Share­hold­ers” als auch die “Com­pa­ny” als Parteien beze­ich­net wur­den), vorge­hen soll. Ausser­dem führe der von der A. A.S. ins Feld geführte Umstand, dass D. im Zeit­punkt der Ver­trag­sun­terze­ich­nung Alleinak­tionär der B. Co. Ltd. gewe­sen sei, nicht dazu, dass die in seinem Namen unterze­ich­nete Vere­in­barung ohne Weit­eres auch für die von ihm beherrschte Gesellschaft rechtsverbindlich sei. Die A. A.S. habe wed­er aufgezeigt, dass sie das Ver­hal­ten der Beschw­erdegeg­ner­in nach Treu und Glauben so ver­ste­hen durfte und musste, dass auch diese sich durch die im Aktionärbindungsver­trag enthal­tene Schiedsvere­in­barung verpflicht­en wollte, noch habe sie dargelegt, inwiefern im konkreten Fall eine in der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung erörterte Kon­stel­la­tion der Aus­dehnung der Schiedsvere­in­barung auf Dritte vor­liegen soll.

Die A. A.S. behauptete fern­er vor Bun­des­gericht, es sei bei genauer Betra­ch­tung des Pro­tokolls augen­schein­lich, dass die Unter­schrift von E. über dem Fir­men­stem­pel der Beschw­erdegeg­ner­in erfol­gt sei. Das Bun­des­gericht ent­geg­nete, dass sich entsprechende Sachver­halts­fest­stel­lun­gen dem ange­focht­e­nen Entscheid jedoch nicht ent­nehmen liessen, weshalb diese Aus­führun­gen unbeachtet zu bleiben hät­ten. Neu und damit unzuläs­sig (Art. 99 Abs. 1 BGG) seien sodann die erst im bun­des­gerichtlichen Beschw­erde­v­er­fahren ein­gere­icht­en Beweis­mit­tel in Form eines Pri­vatgutacht­ens und ein­er Rech­nung der Rechtsvertreterin der B. Co. Ltd.

Unbe­helflich sei gemäss Bun­des­gericht auch der Ein­wand der A. A.S., das ein­gere­ichte Pri­vatgutacht­en sei gestützt auf den von ihr behaupteten “Revi­sion­s­grund des falschen Zeug­niss­es” zu berück­sichti­gen. Ins­beson­dere sei die A. A.S. nicht auf die mass­geben­den Erwä­gun­gen des Schieds­gerichts einge­gan­gen, das sich gar nicht auf die erwäh­nte Zeu­ge­naus­sage gestützt, son­dern diese im Gegen­teil als nicht entschei­d­wesentlich erachtet habe. Entsprechend werde aus den Aus­führun­gen nicht klar, inwiefern sich die ange­bliche Straftat auf den für die A. A.S. nachteili­gen Aus­gang des Schiedsver­fahrens aus­gewirkt hätte, weshalb eine Berück­sich­ti­gung des Pri­vatgutacht­ens von vorn­here­in auss­er Betra­cht bleiben müsse.
Ergebe sich, dass das Schieds­gericht für die Beurteilung der Klage gegen die B. Co. Ltd. auf­grund der sub­jek­tiv­en Trag­weite der im Aktionärbindungsver­trag enthal­te­nen Schied­sklausel nicht zuständig war, wür­den sich Aus­führun­gen zu deren objek­tiv­en Trag­weite erübri­gen, so ins­beson­dere in Bezug auf Ansprüche aus dem Code Share Agree­ment und dem Total Main­te­nance Sup­port Ser­vices Agree­ment. Soweit das Schieds­gericht seine Zuständigkeit auch zur Beurteilung der Klage gegen E. in Bezug auf Ansprüche aus den bei­den soeben erwäh­n­ten Vere­in­barun­gen aus­geschlossen habe, bleibe der Schied­sentscheid in der einzig gegenüber der B. Co. Ltd. erhobe­nen Beschw­erde unangefochten.