Die Frage, ob und inwiefern die mit dem abgekürzten Verfahren einhergehende effiziente Verfahrenserledigung den Rechtsschutz tangiert und die Rechtsmittelmöglichkeiten einschränkt, ist Gegenstand eines BGer-Urteils vom 27. Februar 2017 (6B_616/2016). Die Beschwerdeführerin hatte unter Hinweis auf Art. 362 Abs. 5 und Art. 410 Abs. 1 StPO gerügt, dass das BGer ZH nicht auf ihr Revisionsgesuch gegen einen im abgekürzten Verfahren ergangenen Schuldspruch eingetreten und ihr Gesuch um Bestellung eines amtlichen Verteidigers abgewiesen worden war.
Revision gegen Urteil im abgekürzten Verfahren
Die Vorinstanz war der Ansicht, gemäss Art. 360 Abs. 1 lit. h StPO verzichteten die Parteien im abgekürzten Verfahren mit der Zustimmung zur Anklageschrift auf sämtliche ordentlichen und ausserordentlichen Rechtsmittel. Der summarische Charakter des abgekürzten Verfahrens lasse eine Revision gestützt auf neue Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nicht zu.
Das BGer hält zum abgekürzten Verfahren, das im Wesentlichen auf der zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem getroffenen Absprache beruht, mit Verweis auf die gesetzlichen Regelungen (Art. 358–362 StPO) eingangs fest:
3.2.1. […] Mit der Berufung gegen ein Urteil im abgekürzten Verfahren kann eine Partei nur geltend machen, sie habe der Anklageschrift nicht zugestimmt oder das Urteil entspreche der Anklageschrift nicht (Art. 362 Abs. 5 StPO). Die beschränkte Rechtsmittelmöglichkeit hängt mit dem summarischen Charakter des abgekürzten Verfahrens zusammen. Da die Parteien der Anklageschrift im Wissen um die Folgen zustimmen, ist die Beschränkung der Berufungsgründe rechtsstaatlich akzeptabel (BGE 142 IV 307 E. 2.4 S. 311 mit Hinweis).
Bislang hatten die höchsten Richter die Frage offen gelassen, ob eine Revision des Urteils im abgekürzten Verfahren aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel generell ausgeschlossen ist (vgl. BGE 142 IV 307 E. 2.7 S. 313). Im vorliegenden Urteil halten sie fest, dass Art. 362 Abs. 5 StPO nach seinem Sinn und Zweck (wie die vereinfachte Hauptverhandlung gemäss Art. 361 StPO) unter anderem eine effiziente Verfahrenserledigung ermöglichen soll. Könnte der Beschuldigte nach seiner unwiderruflichen Zustimmung zur Anklageschrift jegliche Willensmängel anführen, liesse dies den Rechtsmittelverzicht ins Leere laufen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass er notwendig verteidigt ist (Art. 130 lit. e StPO).
Das BGer nimmt eine detaillierte Auslegung der zugrunde liegenden Bestimmungen in Art. 360 Abs. 1 lit. h und Art. 362 Abs. 5 StPO anhand des Gesetzeswortlauts, der bundesrätlichen Botschaft und der parlamentarischen Beratungen vor (E. 3.2.4) und setzt sich mit den unterschiedlichen Lehrmeinungen auseinander (E. 3.2.2). Darauf folgt eine ausführliche Argumentation, warum und unter welchen Umständen ein Revisionsgrund im abgekürzten Verfahren zuzulassen ist (E. 3.2.5).
Zusammenfassend kommt das BGer zu folgendem Schluss:
3.2.6. […] Bei strafbarer Einwirkung auf das abgekürzte Verfahren liegt ein Revisionsgrund vor (Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO), ebenso bei schwerwiegenden Willensmängeln. Neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO sind im abgekürzten Verfahren keine zulässigen Revisionsgründe.
Amtliche Verteidigung bei Revision im abgekürzten Verfahren
Die Vorinstanz hatte einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf amtliche Verteidigung mit der Begründung verneint, im Rechtsmittelverfahren sei nebst der Bedürftigkeit der Gesuchstellerin zu prüfen, welche Aussichten das Rechtsmittel habe. Das Revisionsgesuch sei aussichtslos gewesen, weshalb der Beschwerdeführerin keine amtliche Verteidigung beizugeben sei.
Im zu beurteilenden Fall lag aufgrund der ausgefällten Freiheitsstrafe (24 Monate bedingt) kein Bagatellfall vor:
4.4 […] Insbesondere mit Blick auf die in der Lehre nahezu einhellig kritisierte apodiktische Position des Bundesrats zur Zulässigkeit der Revision eines Urteils im abgekürzten Verfahren und die namentlich zu den Revisionsgründen nach Art. 410 Abs. 1 lit. a (sowie lit. b) StPO divergierenden Lehrmeinungen kann nicht gesagt werden, dass das Revisionsgesuch von vornherein aussichtslos war. Da die Ergreifung von (nicht aussichtslosen) Rechtsmitteln zur gebotenen Wahrung von Parteiinteressen im Sinne von Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO gehört (Urteil 1B_344/2015 vom 11. Februar 2016 E. 3), verletzt die Vorinstanz Bundesrecht, indem sie der Beschwerdeführerin die amtliche Verteidigung wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels verweigert.
Bundesgerichtlicher Entscheid
Im Ergebnis obsiegte die Beschwerdeführerin teilweise: Ihr Revisionsgesuch drang zwar nicht durch; die Vorinstanz wird jedoch das Gesuch und die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen des Gesuchs um amtliche Verteidigung neu prüfen müssen.