Im vorliegenden, zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob die Staatsanwaltschaft im ordentlichen Verfahren an den Strafvorschlag aus einem zuvor erfolglos gebliebenen abgekürzten Verfahren gebunden ist.
Das Tribunal criminel de l’arrondissement de l’Est vaudois hatte X. wegen qualifizierten Raubes, Sachbeschädigung und Entwendung eines Fahrzeuges zum Gebrauch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren gefordert.
Nachdem auch die Berufungsinstanz diese Verurteilung gestützt hatte, gelangte X. an das Bundesgericht. X. machte geltend, dass die Staatsanwaltschaft im zuvor erfolglos gebliebenen abgekürzten Verfahren eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren vorgeschlagen habe. Die Staatsanwaltschaft habe den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, indem sie im ordentlichen Verfahren eine höhere Strafe gefordert hatte.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde des X. in diesem Punkt ab. Es verwies auf Art. 362 Abs. 4 StPO, wonach Erklärungen, die von den Parteien im Hinblick auf das abgekürzte Verfahren abgegeben worden sind, nach der Ablehnung eines Urteils im abgekürzten Verfahren in einem folgenden ordentlichen Verfahren nicht verwertbar sind. Das Bundesgericht führte aus, dass Art. 362 Abs. 4 StPO auch auf den Strafvorschlag der Staatsanwaltschaft anwendbar sei. Folglich sei die Staatsanwaltschaft nicht an ihren Strafvorschlag aus dem abgekürzten Verfahren gebunden und handle nicht treuwidrig, wenn sie im ordentlichen Verfahren eine höhere Strafe fordert. Es sei denn auch normal, dass die Staatsanwaltschaft im abgekürzten Verfahren eine tiefere Strafe vorschlägt, als sie im ordentlichen Verfahren beantragen würde, da sonst die Verhandlungen gar keinen Sinn hätten.