Im zur amtlichen Publikation vorgesehenen Entscheid vom 7. Dezember 2017 setzte sich das BGer mit einer Gesetzesänderung im Kanton Thurgau auseinander. Am 18. November 2015 verabschiedete der Grosse Rat des Kantons Thurgau eine Änderung des Gesetzes über die Volksschule (VG/TG; RB 411.11). Die neue Fassung von § 39 VG/TG lautet wie folgt:
Abs. 1
Für obligatorische Klassenverlegungen, Exkursionen und Lager sowie andere Pflichtveranstaltungen können Beiträge erhoben werden.Abs. 2
In besonderen Fällen können Schüler und Schülerinnen zum Besuch von Sprachkursen verpflichtet werden. Den Erziehungsberechtigten kann dafür und für allenfalls beizuziehende Dolmetscherdienste eine Kostenbeteiligung auferlegt werden.
Die Beschwerde von A., B., C. und D. gegen die oben genannte Bestimmung wird vom BGer gutgeheissen.
In Bezug auf § 39 Abs. 1 VG/TG hält das BGer fest, dass alle notwendigen und unmittelbar dem Unterrichtszweck dienenden Mittel unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Dazu gehören auch Aufwendungen für Exkursionen und Lager, sofern eine Pflicht zur Teilnahme bestehe. Für solche Veranstaltungen dürfen den Eltern mit Blick auf die Unentgeltlichkeit nur diejenigen Kosten in Rechnung gestellt werden, die sie aufgrund der Abwesenheit ihrer Kinder einsparen (Im Wesentlichen die Verpflegung der Kinder, also CHF 10.00 bis CHF 16.00 pro Tag). Vor diesem Hintergrund lasse sich § 39 Abs. 1 VG/TG mit dem Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht (Art. 19 BV) nicht vereinbaren.
Hinsichtlich § 39 Abs. 2 VG/TG sagt das BGer, dass durch die neue Bestimmung vor allem die Integration ausländischer Personen bewirkt werden solle. Insbesondere sollen ausländische Eltern dazu angehalten werden, sich um ein rechtzeitiges und genügendes Erlernen der deutschen Sprache durch ihre Kinder zu bemühen. Das Erlernen der am Ort verwendeten Sprache diene – so das BGer – der Förderung der gesellschaftlichen und sprachlichen Integration fremdsprachiger Kinder und sei ein legitimes Ziel. Der zusätzliche Sprachunterricht aber
[…] kann sich durchaus auch für fremdsprachige Schweizer oder lernschwache Kinder als notwendig erweisen, deren Erziehungsberechtigte in der Folge von der Kostentragungspflicht betroffen wären. […] Erachtet eine Schule einen Sprachkurs als notwendig, damit das betroffene Kind ein ausreichendes Bildungsangebot erhält, darf sie aufgrund von Art. 19 und Art. 62 Abs. 2 BV keine finanzielle Beteiligung von den Eltern verlangen […]. Andernfalls kann die gebotene Chancengleichheit nicht gewahrt werden. (E. 3.2.3.)
Das BGer heisst die Beschwerde gut und hebt § 39 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Volksschule des Kantons Thurgau in der Fassung vom 18. November 2015 auf.