2C_994/2016: Begriff “öffentliche Beschaffung” im Sinne von BGG 83 lit. f (amtl. Publ.)

Die Ein­wohn­erge­meinde Bern schrieb den Auf­trag für ein sta­tion­s­ge­bun­denes, öffentlich­es Velover­leih­sys­tem in der Stadt Bern im offe­nen Ver­fahren aus. Für die Benützung der Velos durfte der Betreiber ein Gebühren­mod­ell vorse­hen. Die Ein­wohn­erge­meinde schätzte den Preis für den Auf­trag auf CHF 800’000 pro Jahr. Innert Frist gin­gen zwei Ange­bote zu einem Preis von CHF 0 ein, woraufhin die Ein­wohn­erge­meinde den Zuschlagsentscheid fällte. Die unter­legene inter­mo­bil­i­ty SA durch­schritt den kan­tonalen Instanzen­zug und gelangte schliesslich mit Beschw­erde in öffentlich-rechtlichen Angele­gen­heit­en und sub­sidiär­er Ver­fas­sungs­beschw­erde an das Bundesgericht.

Da bei­de Anbi­eter zu einem Preis von CHF 0 offeriert hat­ten, prüfte das Bun­des­gericht vor allem näher, ob ein Entscheid auf dem Gebi­et des öffentlichen Beschaf­fungsrechts vor­lag. Wed­er Art. 83 lit. f BGG noch die ver­gaberechtlichen Erlasse definieren, was unter ein­er “öffentlichen Beschaf­fung” zu ver­ste­hen ist. Immer­hin deute, so das Bun­des­gericht, das GPA auf ein eher weites Ver­ständ­nis des Begriffs “öffentliche Beschaf­fung” hin.

Das Bun­des­gericht rief zunächst die Lehre und Recht­sprechung zu dieser Frage in Erin­nerung. Ins­beson­dere stellt nach der Recht­sprechung der blosse Umstand, dass der Staat einem Pri­vat­en erlaube, eine bes­timmte Tätigkeit auszuüben, keine öffentliche Beschaf­fung dar (z.B. BGE 125 I 209, E. 6b). Das­selbe gilt gemäss Recht­sprechung grund­sät­zlich auch, wenn der Staat lediglich eine Son­der­nutzungskonzes­sion für die Benützung von öffentlichem Grund erteilt. Der Staat beschafft in diesem Fall nicht etwas, son­dern räumt den Pri­vat­en ein Recht ein und erhält dafür (in der Regel) eine Gegen­leis­tung (z.B. BGE 143 II 120, E. 6; BGE 125 I 209, E. 6b). Anders ver­hält es sich, wenn mit der Konzes­sion untrennbar Gegen­leis­tun­gen von gewiss­er Bedeu­tung ver­bun­den sind, die nor­maler­weise Gegen­stand ein­er öffentlichen Beschaf­fung bilden (z.B. BGE 135 II 49, E. 4.4). Die Erteilung ein­er Son­der­nutzungskonzes­sion könne, so die Lehre, in Würdi­gung sämtlich­er Umstände des Geschäfts als öffentliche Beschaf­fung zu qual­i­fizieren sein, wenn bei der Erteilung der Konzes­sion nicht ein reg­u­la­tiv­er Zweck (Ord­nung der Nutzung öffentlichen Grun­des), son­dern die Über­tra­gung eines (geld­w­erten) Rechts zur Erfül­lung öffentlich­er Auf­gaben im Vorder­grund ste­he (siehe (weit­ere) Hin­weise in E. 1.3.2).

Das Bun­des­gericht ver­wies sodann darauf, dass das geplante Velover­leih­sys­tem der Umset­zung des Regle­ments der Stadt Bern über die Förderung des Fuss- und Veloverkehrs diene, welch­es eine Umlagerung des motorisierten Indi­vid­u­alverkehrs auf den Langsamverkehr bewecke. Inhalt und Umfang der zu erbrin­gen­den Leis­tung im Rah­men des Velover­leih­sys­tems seien durch enge Vor­gaben detail­liert vorgegeben. Die Finanzierung solle über Benützungs­ge­bühren, Spon­soren­gelder und einen Deck­ungs­beitrag der Ein­wohn­erge­meinde Bern erfol­gen. Mit dem Auf­trag erteile die Ein­wohn­erge­meinde dem Betreiber sodann ein exk­lu­sives Recht zur Inanspruch­nahme von (Sonder-)Nutzungsrechten am öffentlichen Boden. Zudem erbringe sie weit­ere Dien­stleis­tun­gen gegenüber dem Betreiber (z.B. Real­isierung der Stan­dorte) (E. 1.3.3).

Unter Hin­weis auf den geset­zlichen Auf­trag zur Verkehrsum­lagerung könne der Betrieb eines Velover­leih­sys­tems, so das Bun­des­gericht, als öffentliche Auf­gabe betra­chtet wer­den. Dass der Betreiber zur Erfül­lung sein­er Auf­gabe die Son­der­nutzung von öffentlichem Grund eingeräumt werde, ändere daran nichts. Die klaren Vor­gaben für den Betrieb des Velover­leih­sys­tems wür­den verdeut­lichen, dass mit der Son­der­nutzungskonzes­sion kein reg­u­la­torisch­er Zweck für die Nutzung des öffentlichen Grun­des im Vorder­grund ste­he (E. 1.3.4).

Schliesslich bestätigte das Bun­des­gericht die Erwä­gun­gen der Vorin­stanz, wonach es sich vor­liegend um einen Dien­stleis­tungsauf­trag gegen Ent­gelt han­dle, obwohl bei­de Anbi­eterin­nen zu einem Preis von CHF 0 offeriert hat­ten. Das Bun­des­gericht erin­nerte daran, dass die Erfül­lung ein­er öffentlichen Auf­gabe vom Gemein­we­sen auch in ander­er Form als durch Geldzahlung abge­golten wer­den könne. In casu bestünde die Gegen­leis­tung darin, dass dem Betreiber Son­der­nutzungsrechte an öffentlichem Grund erteilt sowie weit­ere Dien­stleis­tun­gen der Ein­wohn­erge­meinde erbracht wür­den. Ausser­dem werde dem Anbi­eter das Recht eingeräumt, für die Benützung der Velos eine Entschädi­gung zu ver­lan­gen (E. 1.3.5).

Die vor­liegende Beschw­erde hat­te somit einen beschaf­fungsrechtlichen Vor­gang i.S.v. Art. 83 lit. f BGG zum Gegen­stand. Die Rügen der Beschw­erde­führerin erachtete das Bun­des­gericht indessen als nicht stichhaltig.

Die vorste­hen­den Erwä­gun­gen find­en sich weit­ge­hend auch im Entscheid BGer 2C_229/2017 (in welchem auch die inter­mo­bil­i­ty SA als Beschw­erde­führerin auf­trat). Dieser Entscheid erg­ing mit gle­ichem Urteils­da­tum und, mit Aus­nahme des Gerichtss­chreibers, in gle­ich­er Zusam­menset­zung.