4A_520/2017: Kündigung wegen schwerwiegender Pflichtverletzung gemäss GAV

Ein Pilot (Kläger) wurde von der Fam­i­lie sein­er Fre­undin, die bei der­sel­ben Flugge­sellschaft (Beklagte) als Flight Atten­dant angestellt war, zur Taufe eines Kindes nach Südameri­ka ein­ge­laden. Weil der Pilot davon aus­ging, ein kurzfristiges Urlaub­s­ge­such würde nicht mehr bewil­ligt, er sich im Reserve­monat befand, während dem Fre­itage drei Monate im Voraus anzukündi­gen waren und er sein Ferienguthaben für die anste­hen­den Flit­ter­wochen nach der Hochzeit auf­s­paren wollte, bucht­en er und seine Fre­undin zwei stornier­bare Stand-by-Tick­ets in der Hoff­nung, sie hät­ten bei­de zufäl­lig an diesen Tagen frei. Der Kläger wurde jedoch zum Dienst eingeteilt.

Nach Darstel­lung des Klägers erkrank­ten er und seine Fre­undin an ein­er Magen-Darm-Grippe. Sie entschlossen sich, trotz Krankheit den gebucht­en Flug anzutreten und sich im Flugzeug zu erholen. Im Aus­land besucht­en sie ange­blich einen Arzt und reis­ten einige Tage später wieder zurück in die Schweiz. Gegenüber dem Ver­trauen­sarzt der Flugge­sellschaft schilderte der Kläger zwar seine ange­bliche Krankheit, ver­schwieg aber die Flu­greise ins ent­fer­nte Ausland.

Die Flugge­sellschaft leit­ete in der Folge ein Diszi­pli­narver­fahren gegen den Piloten ein. In dessen Rah­men bestätigte der Pilot per E‑Mail, er sei die ganze Zeit zuhause geblieben, um sich von der Krankheit auszukuri­eren. Als er in einem späteren Gespräch von seinem Vorge­set­zten und ein­er Mitar­bei­t­erin der Abteilung Human Resources zur Rede gestellt wurde, ges­tand der Pilot ein, eine Reise ins Aus­land unter­nom­men zu haben. Die Flugge­sellschaft stellte den Piloten nach Abschluss der inter­nen Unter­suchung frei und kündigte das Arbeitsver­hält­nis ordentlich unter Ein­hal­tung der Kündigungsfrist.

Der Pilot erhob Ein­sprache gegen die Kündi­gung und reichte Klage beim Arbeits­gericht des Bezirks­gerichts Bülach ein. Das Arbeits­gericht wies die Klage ab. Das Oberg­ericht des Kan­tons Zürich bestätigte diesen Entscheid. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde des Piloten ab (Urteil 4A_520/2017 vom 19. April 2018).

Die Parteien waren sich einig, dass die Bes­tim­mungen des Gesam­tar­beitsver­trages der Flugge­sellschaft anzuwen­den waren (E. 3). Der Pilot machte jedoch gel­tend, gemäss GAV könne ein Arbeitsver­hält­nis wegen Ver­let­zung arbeitsver­traglich­er Pflicht­en nur unter Ein­hal­tung eines Drei-Stufen-Ver­fahrens aufgelöst wer­den (schriftliche Ver­war­nung, Ver­war­nung mit Kündi­gungsan­dro­hung, ordentliche Kündi­gung). Nur bei Vor­liegen ein­er schw­er­wiegen­den Pflichtver­let­zung sehe der GAV die Möglichkeit vor, ohne Ver­war­nung direkt eine Kündi­gung auszus­prechen. Damit eine schw­er­wiegende Pflichtver­let­zung angenom­men wer­den könne, sei ein Fehlver­hal­ten erforder­lich, das einem wichti­gen Grund für eine frist­lose Kündi­gung gle­ichge­set­zt wer­den könne (E. 4 und E. 5.1).

Die kan­tonalen Gerichte ver­war­fen die Argu­men­ta­tion des Klägers (E. 5.2, 5.3, 6.2 und 6.3). Das Bun­des­gericht schloss sich ihnen an und hob ins­beson­dere her­vor, ob eine schw­er­wiegende Pflichtver­let­zung im Sinne des GAV vor­liege, sei auf­grund der konkreten Umstände des Einzelfall­es zu entschei­den. Auf­grund der beru­flichen Stel­lung als Pilot (First Offi­cer bzw. Co-Pilot) wür­den Ver­trauens­brüche wesentlich stärk­er als bei anderen Berufen ins Gewicht fall­en. Angesichts dieser Tätigkeit müsse dem Kläger unbe­d­ingtes Ver­trauen ent­ge­genge­bracht wer­den kön­nen (zum Ganzen E. 6.4).

Das Bun­des­gericht berück­sichtigte im konkreten Fall, dass der Pilot nach sein­er Rück­kehr gegenüber dem Ver­trauen­sarzt eine Krankheit vorgeschoben und seine Absenz ver­schwiegen hat­te sowie, dass er anschliessend gegenüber sein­er Arbeit­ge­berin in ein­er schriftlichen Stel­lung­nahme an der falschen Sach­darstel­lung fes­thielt. Der Pilot sei durch dieses Ver­hal­ten über eine blosse Arbeitsver­weigerung hin­aus­ge­gan­gen, was als schw­er­wiegende Pflichtver­let­zung im Sinne des GAV zu werten sei. Die Flugge­sellschaft war daher berechtigt, das Arbeitsver­hält­nis ohne vorgängige Ver­war­nung unter Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist ordentlich aufzulösen (zum Ganzen E. 6.4).