4A_579/2017; 4A_581/2017: Zulässigkeit von Konventionalstrafen im Arbeitsrecht (amtl. Publ.)

Dr. A. (Beklagte) war als geschäfts­führende Ärztin der Arzt­prax­is Dr. D. von der B. AG (Klägerin) angestellt. Der Arbeitsver­trag stip­ulierte eine Kon­ven­tion­al­strafe von CHF 50’000 pro Ver­stoss bei Zuwider­hand­lun­gen gegen den Ver­trag, ins­beson­dere gegen das Konkur­ren­zver­bot oder die Geheimhal­tungspflicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsver­hält­nis, worauf die Klägerin eine Kon­ven­tion­al­strafe von CHF 150’000 einklagte.

Das Arbeits­gericht des Kan­tons Luzern wies die Klage ab. Das Kan­ton­s­gericht des Kan­tons Luzern verurteilte die Klägerin in teil­weis­er Gutheis­sung der Beru­fung zu ein­er Zahlung von CHF 50’000 neb­st Zins. Gemäss Kan­ton­s­gericht hat­te die beklagte Ärztin zwei Ver­tragsver­let­zun­gen began­gen. Erstens holte sie keine schriftliche Zus­tim­mung der Klägerin zur Auf­nahme ein­er Neben­tätigkeit als Belegärztin an ein­er Pri­vatk­linik ein. Zweit­ens gab sie bei der Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es die mit der Prax­is verknüpfte Zahlstel­len­num­mer (ZSR-Num­mer) nicht der Klägerin zurück.

Bei­de Parteien erhoben Beschw­erde ans Bun­des­gericht. Die Beschw­erde der Beklagten wurde gut­ge­heis­sen, das Urteil des Kan­ton­s­gericht des Kan­tons Luzern aufge­hoben und die Klage abgewiesen (Urteil 4A_579/2017 und 4A_581/2017 vom 7. Mai 2018).

Das Bun­des­gericht stellte zunächst fest, es müsse geprüft wer­den, ob die ver­tragliche Kon­ven­tion­al­strafe mit der ein­seit­ig zwin­gen­den Bes­tim­mung von Art. 321e OR vere­in­bar sei (E. 4.2.4). Diese Bes­tim­mung gelte für sämtliche Arbeit­nehmerpflicht­en (E. 4.2.3). Davon ausgenom­men seien nur Diszi­pli­n­ar­mass­nah­men, die unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen gültig vere­in­bart wer­den kön­nen, sofern sie als Ver­tragsstrafen aufge­fasst wer­den (E. 5.1). Kon­ven­tion­al­strafen zur Sicherung arbeitsver­traglich­er Pflicht­en dür­fen demge­genüber nicht ein­er Ver­schär­fung der Arbeit­nehmer­haf­tung gle­ichkom­men, sofern die Leis­tung der Kon­ven­tion­al­strafe zumin­d­est teil­weise eine Ersatz­funk­tion hat (E. 5.1 und 5.2.1).

Führe eine Kon­ven­tion­al­strafe zu ein­er schaden­sun­ab­hängi­gen Haf­tung des Arbeit­nehmers, ver­stosse die ver­tragliche Regelung gegen Art. 321e OR. Der Arbeit­nehmer könne nur für den verur­sacht­en Schaden haft­bar gemacht wer­den (E. 5.3.1.3). Eben­falls unzuläs­sig seien eine ver­schulden­sun­ab­hängige Haf­tung des Arbeit­nehmers (E. 5.3.1 und 5.3.2) oder Abre­den, welche eine Beweis­las­tumkehr zulas­ten des Arbeit­nehmers bewirk­ten (E. 5.3.1.2). Soweit die vere­in­barte Kon­ven­tion­al­strafe mit Art. 321e OR unvere­in­bar sei, sei diese nichtig (E. 5.4.1).

Mit Bezug auf die konkrete Ver­tragsregelung erwog das Bun­des­gericht im Wesentlichen, dass die Kon­ven­tion­al­strafe zumin­d­est teil­weise auf den Aus­gle­ich ver­mö­gen­srechtlich­er Nachteile aus­gerichtet war und deshalb nicht als blosse Ver­tragsstrafe gel­ten kon­nte (E. 5.2.2.2 und 5.2.3). Die vere­in­barte Kon­ven­tion­al­strafe sei sowohl ver­schulden­sun­ab­hängig als auch schaden­sun­ab­hängig aus­gestal­tet wor­den und deshalb nichtig (E. 5.3.2 und 5.4.2).

Weit­er prüfte das Bun­des­gericht, ob die Kon­ven­tion­al­strafe Diszi­pli­nar­charak­ter aufwies und als Diszi­pli­n­ar­mass­nahme gültig vere­in­bart wor­den war (E. 5.5). Das Bun­des­gericht verneinte dies (E. 5.5.3 i.f.).

Ob die Kon­ven­tion­al­strafe den Anforderun­gen von Art. 38 Abs. 1 ArG genügte, war im vor­liegen­den Fall uner­he­blich, da die Beklagte als Geschäfts­führerin nach Art. 3 lit. d ArG vom per­sön­lichen Gel­tungs­bere­ich des Arbeits­ge­set­zes ausgenom­men war (E. 5.5.1). Auch mit Bezug auf höhere lei­t­ende Angestellte gilt gemäss Bun­des­gericht, dass die Tatbestände, welche unter Strafe gestellt wer­den sollen, im Arbeitsver­trag klar umschrieben sein müssen und die Höhe der Strafe bes­timmt und ver­hält­nis­mäs­sig sein muss. Der Arbeit­nehmer muss im Klaren darüber sein, welch­es Ver­hal­ten mit welch­er Strafe sank­tion­iert wird (zum Ganzen E. 5.5.2).

In der zu beurteilen­den Ver­trags­bes­tim­mung waren indessen die Tatbestände, welche von der Kon­ven­tion­al­strafe erfasst sein soll­ten, nur beispiel­haft und nicht hin­re­ichend bes­timmt geregelt. Eine Regelung, wonach jegliche Zuwider­hand­lung gegen den Arbeitsver­trag unab­hängig von der Art und Schwere der Ver­tragsver­let­zung mit ein­er Kon­ven­tion­al­strafe sank­tion­iert wer­den soll, genüge dem Bes­timmtheit­ser­forder­nis klar nicht (zum Ganzen E. 5.5.3).