4A_353/2018: Arzthaftung; hypothetische Einwilligung zur Operation

Die Beschw­erde­führerin musste sich zufolge eines Unfalls an der Schul­ter operieren lassen. Vor dem Ein­griff ent­deck­te ein Arzt, dass die Beschw­erde­führerin an einem Carpal­tun­nel­syn­drom (CTS) an bei­den Hän­den litt. Er hielt in seinem Bericht an den erst­be­han­del­nden Arzt fest, dass «man anlässlich der Schul­ter­re­vi­sion wahrschein­lich auch noch das CTS rechts ange­hen [kön­nte]». Der erst­be­han­del­nde Arzt emp­fahl dieses Vorge­hen als er die Beschw­erde­führerin an die Beschw­erdegeg­ner­in über­wies. Diese erachtete den oper­a­tiv­en Ein­griff betr­e­f­fend das CTS eben­falls als nötig. Die Oper­a­tion wurde durchge­führt, doch blieb an der operierten Hand eine Dys­funk­tion zurück. In der Folge machte die Beschw­erde­führerin gel­tend, sie sei nicht vol­lum­fänglich über alter­na­tive Behand­lungsmöglichkeit­en informiert worden.

Das Kan­ton­s­gericht Schaffhausen wies die Schaden­er­satzk­lage der Beschw­erde­führerin ab. Die gegen das Urteil erhobene Beru­fung wies das Oberg­ericht Schaffhausen ab. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde ab, soweit es darauf ein­trat (Urteil 4A_353/2018 vom 01.04.2019).

Das Bun­des­gericht hat­te sich einge­hend mit der Frage zu befassen, ob die Beschw­erde­führerin hypo­thetisch mit dem oper­a­tiv­en Ein­griff an der recht­en Hand ein­ver­standen war. Die Beweis­last für das Vor­liegen ein­er hypo­thetis­chen Ein­willi­gung lag beim Arzt. Die Beschw­erde­führerin hat­te jedoch insoweit an der Bewe­is­führung mitzuwirken, als sie glaub­haft zu machen hat­te, aus welchen per­sön­lichen Grün­den sie sich der Oper­a­tion wider­set­zt hätte, falls sie umfassend aufgek­lärt wor­den wäre. Grund­sät­zlich wird dabei ein sub­jek­tiv­er Massstab ange­set­zt. Nur wenn im konkreten Fall keine per­sön­liche Gründe gegen den Ein­griff vorge­bracht wer­den, ist nach einem objek­tivem Massstab zu fra­gen, ob die Ablehnung des Ein­griffs vom Stand­punkt eines vernün­fti­gen Patien­ten aus ver­ständlich wäre (E. 2.1).

Das Bun­des­gericht fol­gte der Ein­schätzung der Vorin­stanz, dass im vor­liegen­den Fall eine Oper­a­tion im Ver­gle­ich zu den alter­na­tiv­en Behand­lungsmeth­o­d­en (Kor­ti­son­in­jek­tion; Tra­gen ein­er Schiene über Nacht) objek­tiv über­legen war (E. 2.2 und 3). Eine Kor­ti­son­in­jek­tion sei keine geeignete Ther­a­pieform und das nächtliche Tra­gen ein­er Schiene im mass­geben­den Zeit­punkt erschien nicht mehr erfol­gver­sprechend (E. 3.1).

Gemäss Bun­des­gericht waren nicht die abstrak­ten Erfol­gsaus­sicht­en einzel­ner Behand­lungsmeth­o­d­en zu beurteilen, son­dern vielmehr, ob die Beschw­erde­führerin auch bei umfassender Aufk­lärung in die durchge­führte Oper­a­tion eingewil­ligt hätte (E. 3.3). Das Bun­des­gericht stellte fest, dass vertret­bare Gründe für den oper­a­tiv­en Ein­griff bestanden (E. 3.3.3 und 3.3.4). Gemäss einem Parteigutacht­en war das CTS nicht selb­s­theilend und inten­sivierte sich ten­den­ziell mit zunehmen­dem Alter (E. 3.3.3). Die Oper­a­tion hätte daher zu einem späteren Zeit­punkt mit ein­er gewis­sen Wahrschein­lichkeit trotz alter­na­tiv­er Behand­lun­gen nötig wer­den kön­nen (E. 3.3.4). Fol­glich durfte die Vorin­stanz willkür­frei darauf schliessen, dass eine hypo­thetis­che Ein­willi­gung unter diesen Umstän­den anzunehmen war (E. 3.3.5).