Ein Rechtsanwalt wurde von der Anwaltskammer des Kantons Solothurn mit einer Busse von CHF 1’000 belegt, weil er gegen eine Versicherungsgesellschaft innerhalb von drei Monaten zwei Betreibungen über je CHF 500 Millionen eingeleitet hatte. Als Grund gab er an, die drohende Verjährung verhindern zu wollen.
Das Bundesgericht bestätigte die Busse. Es kam zum Schluss, dass die vom Anwalt eingeleiteten Betreibungen ohne sachlichen Grund erfolgt seien. Mit Blick auf die konkreten Rechtsstreitigkeiten hätte er realistischerweise lediglich Beträge im Promillebereich der in Betreibung gesetzten Forderungen für seine Klienten erzielen können. Damit sei er seiner Verpflichtung, exzessive Angriffe auf die Gegenpartei zu vermeiden, nicht nachgekommen bzw. eine Eskalation des Streits in Kauf genommen. Ein solches Verhalten liege nicht im Interesse der Klienten und sei mit einer sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung i.S.v. Art. 12 lit. a BGFA nicht zu vereinbaren (E. 5.5.).
In der Begründung erinnerte das Bundesgericht zunächst daran, dass die Pflicht, den Anwaltsberuf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben, für die gesamte Berufstätigkeit Geltung habe und neben der Beziehung zum eigenen Klienten sowohl die Kontakte mit der Gegenpartei als auch jene mit den Behörden erfasse (E. 5.1.1.). Sodann rekapitulierte es die von der Rechtsprechung entwickelten Grundzüge der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung (E. 5.1.3. mit Verweisen). Die blosse Einleitung einer Betreibung vermöge dabei grundsätzlich keine gegen Art. 12 lit. a BGFA verstossende Handlung darzustellen. Anders verhalte es sich nur dann, wenn die Betreibung geradezu missbräuchlich sei. Dies sei der Fall, wenn mit ihr sachfremde Ziele verfolgt würden (E. 5.1.4. mit Verweisen), was bei der Einleitung einer Betreibung zwecks Verhinderung der drohenden Verjährung nicht der Fall sei (E. 5.2.).
Mit Bezug auf die Frage, ob die Höhe der beiden innerhalb von wenigen Monaten eingeleiteten Betreibungen von je CHF 500 Millionen schikanös waren, wies das Bundesgericht zunächst darauf hin, dass es in den zugrunde liegenden Fällen unbestrittenermassen und deutlich geringere Beträge ging (im ersten Fall, einem Verkehrsunfall mit einem Velofahrer, hatte der Klient des Anwalts eine Entschädigungsvereinbarung über CHF 30’000 angenommen, im zweiten Fall, eine Auffahrkollision, wurde die Angelegenheit mit einer Schadensauszahlung von CHF 15’000 erledigt) (E. 5.2.1 und 5.2.2.). Der Anwalt hätte damit bewusst sein müssen, dass die von ihm in Betreibung gesetzten Beträge realitätsfern gewesen wären und er keine auch nur annähernd so hohen Beträge für seine Klienten hätte erzielen können. Bei den diesen beiden Fälle zugrunde liegenden Policen bestanden gesetzliche Mindestdeckungssummen (im ersten Fall von CHF 2 Millionen, im zweiten Fall von CHF 3 Millionen bzw. heute CHF 5 Millionen). Die Einwände des Anwalts, wonach es sich bei diesen Beträgen um Mindestdeckungssummen handle würde, ändere nichts an der Beurteilung. Es sei, so das Bundesgericht, gerichtsnotorisch, dass Summen in der vom Anwalt in Betreibung gesetzten Höhe in der Schweiz in Haftpflichtfällen nie zugesprochen worden seien. Eine Hyperinflation in diesem Ausmass erscheine als höchst unrealistisch (E. 5.3.1.). In Anbetracht dieser gesamten Umstände seien keine sachlichen, nachvollziehbaren Gründe für die von in Betreibung gesetzten Summen ersichtlich. Insbesondere habe der Anwalt nicht plausibel aufzeigen können, weshalb derart hohe Beträge zur Wahrung der Interessen seiner Mandaten erforderlich gewesen wären. Das an sich legitime und im Interesse der Klienten liegende Ziel der Verjährungsunterbrechung hätte auch mit tieferen Beträgen erreicht werden können. Im Übrigen deute der Umstand, dass der Anwalt nach Eingang der Anzeige die in Betreibung gesetzten Summen auf CHF 5 Millionen herabgesetzt hatte, darauf hin, dass selbst der Anwalt der Auffassung gewesen sei, die Interessen seiner Mandanten könnten ebenso gut mit einem viel tieferen Betrag gewahrt würden (E. 5.3.3.).
Sodann wies das Bundesgericht auf das angespannte Verhältnis zwischen dem Anwalt und der Versicherung hin. Dass der Anwalt einzig im Interesse seiner Klienten habe handeln wollen, erscheine als unglaubwürdig. Das an sich legitime Ziel der Verjährungsunterbrechung hätte, selber unter Berücksichtigung einer hohen Sicherheitsmarge, mit tieferen Beträgen erreicht werden können. Der Vorinstanz sei daher zuzustimmen, dass der Anwalt mit seinem Verhalten die Versicherung habe schikanieren wollen. Als Rechtsanwalt wäre er jedoch gehalten gewesen, insbesondere mit Blick auf das konfliktbeladene Verhältnis zur Versicherung, eine weitere Eskalation des Streits zu verhindern oder zumindest eine solche nicht zu fördern (E. 5.4.).