2C_507/2019: Verstoss gegen Art. 12 lit. a BGFA wegen Betreibungen in exorbitranter Höhe

Ein Recht­san­walt wurde von der Anwalt­skam­mer des Kan­tons Solothurn mit ein­er Busse von CHF 1’000 belegt, weil er gegen eine Ver­sicherungs­ge­sellschaft inner­halb von drei Monat­en zwei Betrei­bun­gen über je CHF 500 Mil­lio­nen ein­geleit­et hat­te. Als Grund gab er an, die dro­hende Ver­jährung ver­hin­dern zu wollen.

Das Bun­des­gericht bestätigte die Busse. Es kam zum Schluss, dass die vom Anwalt ein­geleit­eten Betrei­bun­gen ohne sach­lichen Grund erfol­gt seien. Mit Blick auf die konkreten Rechtsstre­it­igkeit­en hätte er real­is­tis­cher­weise lediglich Beträge im Promille­bere­ich der in Betrei­bung geset­zten Forderun­gen für seine Klien­ten erzie­len kön­nen. Damit sei er sein­er Verpflich­tung, exzes­sive Angriffe auf die Gegen­partei zu ver­mei­den, nicht nachgekom­men bzw. eine Eskala­tion des Stre­its in Kauf genom­men. Ein solch­es Ver­hal­ten liege nicht im Inter­esse der Klien­ten und sei mit ein­er sorgfälti­gen und gewis­senhaften Beruf­sausübung i.S.v. Art. 12 lit. a BGFA nicht zu vere­in­baren (E. 5.5.).

In der Begrün­dung erin­nerte das Bun­des­gericht zunächst daran, dass die Pflicht, den Anwalts­beruf sorgfältig und gewis­senhaft auszuüben, für die gesamte Beruf­stätigkeit Gel­tung habe und neben der Beziehung zum eige­nen Klien­ten sowohl die Kon­tak­te mit der Gegen­partei als auch jene mit den Behör­den erfasse (E. 5.1.1.). Sodann reka­pit­ulierte es die von der Recht­sprechung entwick­el­ten Grundzüge der sorgfälti­gen und gewis­senhaften Beruf­sausübung (E. 5.1.3. mit Ver­weisen). Die blosse Ein­leitung ein­er Betrei­bung ver­möge dabei grund­sät­zlich keine gegen Art. 12 lit. a BGFA ver­stossende Hand­lung darzustellen. Anders ver­halte es sich nur dann, wenn die Betrei­bung ger­adezu miss­bräuch­lich sei. Dies sei der Fall, wenn mit ihr sach­fremde Ziele ver­fol­gt wür­den (E. 5.1.4. mit Ver­weisen), was bei der Ein­leitung ein­er Betrei­bung zwecks Ver­hin­derung der dro­hen­den Ver­jährung nicht der Fall sei (E. 5.2.).

Mit Bezug auf die Frage, ob die Höhe der bei­den inner­halb von weni­gen Monat­en ein­geleit­eten Betrei­bun­gen von je CHF 500 Mil­lio­nen schikanös waren, wies das Bun­des­gericht zunächst darauf hin, dass es in den zugrunde liegen­den Fällen unbe­strit­ten­er­massen und deut­lich gerin­gere Beträge ging (im ersten Fall, einem Verkehrsun­fall mit einem Velo­fahrer, hat­te der Klient des Anwalts eine Entschädi­gungsvere­in­barung über CHF 30’000 angenom­men, im zweit­en Fall, eine Auf­fahrkol­li­sion, wurde die Angele­gen­heit mit ein­er Schaden­sauszahlung von CHF 15’000 erledigt) (E. 5.2.1 und 5.2.2.). Der Anwalt hätte damit bewusst sein müssen, dass die von ihm in Betrei­bung geset­zten Beträge real­itäts­fern gewe­sen wären und er keine auch nur annäh­ernd so hohen Beträge für seine Klien­ten hätte erzie­len kön­nen. Bei den diesen bei­den Fälle zugrunde liegen­den Poli­cen bestanden geset­zliche Min­dest­deck­ungssum­men (im ersten Fall von CHF 2 Mil­lio­nen, im zweit­en Fall von CHF 3 Mil­lio­nen bzw. heute CHF 5 Mil­lio­nen). Die Ein­wände des Anwalts, wonach es sich bei diesen Beträ­gen um Min­dest­deck­ungssum­men han­dle würde, ändere nichts an der Beurteilung. Es sei, so das Bun­des­gericht, gericht­sno­torisch, dass Sum­men in der vom Anwalt in Betrei­bung geset­zten Höhe in der Schweiz in Haftpflicht­fällen nie zuge­sprochen wor­den seien. Eine Hyper­in­fla­tion in diesem Aus­mass erscheine als höchst unre­al­is­tisch (E. 5.3.1.). In Anbe­tra­cht dieser gesamten Umstände seien keine sach­lichen, nachvol­lziehbaren Gründe für die von in Betrei­bung geset­zten Sum­men ersichtlich. Ins­beson­dere habe der Anwalt nicht plau­si­bel aufzeigen kön­nen, weshalb der­art hohe Beträge zur Wahrung der Inter­essen sein­er Man­dat­en erforder­lich gewe­sen wären. Das an sich legit­ime und im Inter­esse der Klien­ten liegende Ziel der Ver­jährung­sun­ter­brechung hätte auch mit tief­er­en Beträ­gen erre­icht wer­den kön­nen. Im Übri­gen deute der Umstand, dass der Anwalt nach Ein­gang der Anzeige die in Betrei­bung geset­zten Sum­men auf CHF 5 Mil­lio­nen her­abge­set­zt hat­te, darauf hin, dass selb­st der Anwalt der Auf­fas­sung gewe­sen sei, die Inter­essen sein­er Man­dan­ten kön­nten eben­so gut mit einem viel tief­er­en Betrag gewahrt wür­den (E. 5.3.3.).

Sodann wies das Bun­des­gericht auf das anges­pan­nte Ver­hält­nis zwis­chen dem Anwalt und der Ver­sicherung hin. Dass der Anwalt einzig im Inter­esse sein­er Klien­ten habe han­deln wollen, erscheine als unglaub­würdig. Das an sich legit­ime Ziel der Ver­jährung­sun­ter­brechung hätte, sel­ber unter Berück­sich­ti­gung ein­er hohen Sicher­heits­marge, mit tief­er­en Beträ­gen erre­icht wer­den kön­nen. Der Vorin­stanz sei daher zuzus­tim­men, dass der Anwalt mit seinem Ver­hal­ten die Ver­sicherung habe schikanieren wollen. Als Recht­san­walt wäre er jedoch gehal­ten gewe­sen, ins­beson­dere mit Blick auf das kon­flik­t­be­ladene Ver­hält­nis zur Ver­sicherung, eine weit­ere Eskala­tion des Stre­its zu ver­hin­dern oder zumin­d­est eine solche nicht zu fördern (E. 5.4.).