Dieses Verfahren bot dem Bundesgericht die Gelegenheit, Art. 7 Abs. 3 BGFA auszulegen. Es kam, insbesondere gestützt auf die teleologische Auslegung, zum Schluss, dass diese Bestimmung so auszulegen sei, dass für die Anmeldung zum Anwaltspraktikum ein Bachelor-Abschluss im Schweizer Recht erforderlich sei, unabhängig davon, ob der Praktikant einen Master-Abschluss im Schweizer Recht besitze. Nur dieser Ansatz stelle sicher, dass die Anwaltspraktikanten über die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Grundkenntnisse verfügen würden (E. 4.4.5). Präzisierend fügte das Bundesgericht an, dass der notwendige Bachelor-Abschluss nicht zwingend an einer Schweizer Universität erworben werden müsse. Vielmehr könne auch eine Person zum Praktikum zugelassen werden, die über ein Diplom verfüge, welches einem Bachelor-Abschluss im Schweizer Recht entspreche und von einer Universität in einem der Staaten, die mit der Schweiz ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Diplomen abgeschlossen hätten, ausgestellt worden sei. Dieses “gleichwertige” Diplom müsse indes gewährleisten, dass die betreffende Person über ausreichende Grundkenntnisse des schweizerischen Rechts verfüge (E. 4.4.6).
Hintergrund war eine Schweizerin, die sich im kantonalen Anwaltspraktikantenregister des Kantons Waadt (“registre vaudois des avocats stagiaires”) eintragen lassen wollte. Sie hatte ein “diplôme d’études universitaires générales droit, économie, gestion — mention droit”, ein “diplôme d’université de droit angalis” und ein “diplôme d’université de droit allemand” der Universität Lyon und daraufhin einen “Master of Law — Maîtrise universitaire en droit” der Universität Lausanne erworben. Das Tribunal cantonal du canton de Vaud wies das Eintragungsgesuch ab mit der Begründung, die Beschwerdeführerin verfüge nicht über einen Bachelor-Abschluss im Schweizer Recht, wie dies das kantonale Anwaltsgesetz (LPAv/VD) in Art. 21 Abs. 1 vorschreibe. Der Cour administrative und das Bundesgericht stützten diesen Entscheid.
Vor Bundesgericht rügte die Beschwerdeführerin insbesondere (erfolglos) eine Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV, da die kantonale Bestimmung (Art. 21 Abs. 1 LPAv/VD) unzulässigerweise über die in der Bundesrechtsbestimmung Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA festgesetzten Voraussetzungen hinausgehe, wonach die Kantone ein Anwaltspatent erteilen könnten, wenn der Kandidat ein juristisches Studium “mit einem Lizentiat oder Master einer schweizerischen Hochschule” abgeschlossen hätte.
Das Bundesgericht wies zunächst darauf hin, dass der Wortlaut von Art. 7 Abs. 3 BGFA festhalte, dass ein Bachelor-Abschluss im Schweizer Recht genüge, um zum Praktikum zugelassen zu werden. Ob indessen ein solcher Abschluss notwendig sei für die Zulassung, ergebe sich nicht aus dem Wortlaut. Dies insbesondere für einen Fall wie den vorliegenden, wo die Beschwerdeführerin zwar keinen Bachelor-Abschluss, jedoch einen Master-Abschluss im Schweizer Recht vorweisen könne (E. 4.3). Auch eine systematische Auslegung helfe nicht weiter (E. 4.4.2).
Mit Bezug auf die historische Auslegung erwog das Bundesgericht, dass der in der Botschaft, gestützt auf welche Art. 7 BGFA auf das Bologna-Master-System angepasst wurde, verfolgte Ansatz es zuzulassen scheine, dass ein Master-Abschluss im Schweizer Recht, dem kein Bachelor-Abschluss im Schweizer Recht vorausgehe, ausreiche, um das Anwaltspatent zu erhalten und damit erst recht vorgängig in das Anwaltspraktikantenregister eingetragen zu werden. Dieser Ansatz basiere, so das Bundesgericht, auf der falschen Prämisse, dass ein Master-Abschluss im Schweizer Recht garantiere, dass die betreffende Person (mindestens) dieselben Kenntnisse und Fähigkeiten erworben habe wie ein Inhaber eines Bachelor-Abschlusses im Schweizer Recht. Weder aus der Botschaft noch aus den Vorarbeiten gehe jedoch hervor, dass der Gesetzgeber den Kantonen die Möglichkeit eingeräumt hätte, Anwaltsprüfungen (und damit die Anmeldung als Praktikant) auch für Kandidaten zu ermöglichen, die nicht über die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderlichen Mindestkenntnisse und ‑fähigkeiten im Schweizer Recht verfügen würden. Obwohl der Master-Abschluss hierarchisch dem Bachelor-Abschluss übergeordnet sei, würden die beiden Studien unterschiedliche Ziele verfolgen. Während der Bachelor-Abschluss den Studenten die juristische Grundkenntnisse in den wesentlichen Rechtsgebieten vermitteln solle, gehe es im Master-Studium um die Vertiefung juristischer Kenntnisse, indem den Studierenden die Möglichkeit geboten werde, aus mehreren Studienrichtungen das oder die Fachgebiete auszuwählen, auf welche sie sich spezialisieren möchten. Die von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall gewählten Spezialisierungsfächer würdne zeigen, so das Bundesgericht weiter, dass die Verleihung eines Master-Abschluss keine Garantie dafür biete, dass die Beschwerdeführerin die gleichen Grundkenntnisse über das Schweizer Recht erworben hätte wie ein Inhaber eines Bachelor-Abschlusses. Namentlich habe die Beschwerdeführerin keine Credits in den Bereichen Zivilprozessrecht (mit Ausnahme von zwei Credits für ein “Masterseminar”), Zivilrecht, Schuldrecht, Strafverfolgungsrecht, allgemeines Strafrecht, schweizerisches Verfassungsrecht und internationales Privatrecht erhalten (E. 4.4.3).
Gestützt auf die teleologische Auslegung erwog das Bundesgericht schliesslich, dass Art. 7 Abs. 3 BGFA ein wichtiges öffentliches Interesse schütze, nämlich wonach Praktikanten über hinreichende Grundkenntnisse des Schweizer Rechts verfügen würden. Obwohl Praktikanten unter der Aufsicht eines Vorgesetzten tätig seien, könnten sie in den Grenzen der Rechtsordnung Klienten beraten und diese vor Straf‑, Zivil- und Verwaltungsgerichte vertreten. Es liege daher sowohl im Interesse der Rechtssuchenden als auch der ordnungsgemässen Rechtspflege, dass die Anwaltspraktikanten über eine angemesse Grundausbildung im Schweizer Recht verfügen würden (E. 4.4.4).