2C_300/2019: Verweigerung einer Eintragung in das Praktikantenregister

Dieses Ver­fahren bot dem Bun­des­gericht die Gele­gen­heit, Art. 7 Abs. 3 BGFA auszule­gen. Es kam, ins­beson­dere gestützt auf die tele­ol­o­gis­che Ausle­gung, zum Schluss, dass diese Bes­tim­mung so auszule­gen sei, dass für die Anmel­dung zum Anwalt­sprak­tikum ein Bach­e­lor-Abschluss im Schweiz­er Recht erforder­lich sei, unab­hängig davon, ob der Prak­tikant einen Mas­ter-Abschluss im Schweiz­er Recht besitze. Nur dieser Ansatz stelle sich­er, dass die Anwalt­sprak­tikan­ten über die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforder­lichen Grund­ken­nt­nisse ver­fü­gen wür­den (E. 4.4.5). Präzisierend fügte das Bun­des­gericht an, dass der notwendi­ge Bach­e­lor-Abschluss nicht zwin­gend an ein­er Schweiz­er Uni­ver­sität erwor­ben wer­den müsse. Vielmehr könne auch eine Per­son zum Prak­tikum zuge­lassen wer­den, die über ein Diplom ver­füge, welch­es einem Bach­e­lor-Abschluss im Schweiz­er Recht entspreche und von ein­er Uni­ver­sität in einem der Staat­en, die mit der Schweiz ein Abkom­men über die gegen­seit­ige Anerken­nung von Diplomen abgeschlossen hät­ten, aus­gestellt wor­den sei. Dieses “gle­ich­w­er­tige” Diplom müsse indes gewährleis­ten, dass die betr­e­f­fende Per­son über aus­re­ichende Grund­ken­nt­nisse des schweiz­erischen Rechts ver­füge (E. 4.4.6).

Hin­ter­grund war eine Schweiz­erin, die sich im kan­tonalen Anwalt­sprak­tikan­ten­reg­is­ter des Kan­tons Waadt (“reg­istre vau­dois des avo­cats sta­giaires”) ein­tra­gen lassen wollte. Sie hat­te ein “diplôme d’é­tudes uni­ver­si­taires générales droit, économie, ges­tion — men­tion droit”, ein “diplôme d’u­ni­ver­sité de droit angalis” und ein “diplôme d’u­ni­ver­sité de droit alle­mand” der Uni­ver­sität Lyon und daraufhin einen “Mas­ter of Law — Maîtrise uni­ver­si­taire en droit” der Uni­ver­sität Lau­sanne erwor­ben. Das Tri­bunal can­ton­al du can­ton de Vaud wies das Ein­tra­gungs­ge­such ab mit der Begrün­dung, die Beschw­erde­führerin ver­füge nicht über einen Bach­e­lor-Abschluss im Schweiz­er Recht, wie dies das kan­tonale Anwalts­ge­setz (LPAv/VD) in Art. 21 Abs. 1 vorschreibe. Der Cour admin­is­tra­tive und das Bun­des­gericht stützten diesen Entscheid.

Vor Bun­des­gericht rügte die Beschw­erde­führerin ins­beson­dere (erfol­g­los) eine Ver­let­zung von Art. 49 Abs. 1 BV, da die kan­tonale Bes­tim­mung (Art. 21 Abs. 1 LPAv/VD) unzuläs­siger­weise über die in der Bun­desrechts­bes­tim­mung Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA fest­ge­set­zten Voraus­set­zun­gen hin­aus­ge­he, wonach die Kan­tone ein Anwaltspatent erteilen kön­nten, wenn der Kan­di­dat ein juris­tis­ches Studi­um “mit einem Lizen­ti­at oder Mas­ter ein­er schweiz­erischen Hochschule” abgeschlossen hätte.

Das Bun­des­gericht wies zunächst darauf hin, dass der Wort­laut von Art. 7 Abs. 3 BGFA fes­thalte, dass ein Bach­e­lor-Abschluss im Schweiz­er Recht genüge, um zum Prak­tikum zuge­lassen zu wer­den. Ob indessen ein solch­er Abschluss notwendig sei für die Zulas­sung, ergebe sich nicht aus dem Wort­laut. Dies ins­beson­dere für einen Fall wie den vor­liegen­den, wo die Beschw­erde­führerin zwar keinen Bach­e­lor-Abschluss, jedoch einen Mas­ter-Abschluss im Schweiz­er Recht vor­weisen könne (E. 4.3). Auch eine sys­tem­a­tis­che Ausle­gung helfe nicht weit­er (E. 4.4.2).

Mit Bezug auf die his­torische Ausle­gung erwog das Bun­des­gericht, dass der in der Botschaft, gestützt auf welche Art. 7 BGFA auf das Bologna-Mas­ter-Sys­tem angepasst wurde, ver­fol­gte Ansatz es zuzu­lassen scheine, dass ein Mas­ter-Abschluss im Schweiz­er Recht, dem kein Bach­e­lor-Abschluss im Schweiz­er Recht voraus­ge­he, aus­re­iche, um das Anwaltspatent zu erhal­ten und damit erst recht vorgängig in das Anwalt­sprak­tikan­ten­reg­is­ter einge­tra­gen zu wer­den. Dieser Ansatz basiere, so das Bun­des­gericht, auf der falschen Prämisse, dass ein Mas­ter-Abschluss im Schweiz­er Recht garantiere, dass die betr­e­f­fende Per­son (min­destens) diesel­ben Ken­nt­nisse und Fähigkeit­en erwor­ben habe wie ein Inhab­er eines Bach­e­lor-Abschlusses im Schweiz­er Recht. Wed­er aus der Botschaft noch aus den Vorar­beit­en gehe jedoch her­vor, dass der Geset­zge­ber den Kan­to­nen die Möglichkeit eingeräumt hätte, Anwalt­sprü­fun­gen (und damit die Anmel­dung als Prak­tikant) auch für Kan­di­dat­en zu ermöglichen, die nicht über die für die Ausübung des Recht­san­walts­berufs erforder­lichen Min­destken­nt­nisse und ‑fähigkeit­en im Schweiz­er Recht ver­fü­gen wür­den. Obwohl der Mas­ter-Abschluss hier­ar­chisch dem Bach­e­lor-Abschluss über­ge­ord­net sei, wür­den die bei­den Stu­di­en unter­schiedliche Ziele ver­fol­gen. Während der Bach­e­lor-Abschluss den Stu­den­ten die juris­tis­che Grund­ken­nt­nisse in den wesentlichen Rechts­ge­bi­eten ver­mit­teln solle, gehe es im Mas­ter-Studi­um um die Ver­tiefung juris­tis­ch­er Ken­nt­nisse, indem den Studieren­den die Möglichkeit geboten werde, aus mehreren Stu­di­en­rich­tun­gen das oder die Fachge­bi­ete auszuwählen, auf welche sie sich spezial­isieren möcht­en. Die von der Beschw­erde­führerin im vor­liegen­den Fall gewählten Spezial­isierungs­fäch­er würdne zeigen, so das Bun­des­gericht weit­er, dass die Ver­lei­hung eines Mas­ter-Abschluss keine Garantie dafür biete, dass die Beschw­erde­führerin die gle­ichen Grund­ken­nt­nisse über das Schweiz­er Recht erwor­ben hätte wie ein Inhab­er eines Bach­e­lor-Abschlusses. Namentlich habe die Beschw­erde­führerin keine Cred­its in den Bere­ichen Zivil­prozess­recht (mit Aus­nahme von zwei Cred­its für ein “Mas­tersem­i­nar”), Zivil­recht, Schul­drecht, Strafver­fol­gungsrecht, all­ge­meines Strafrecht, schweiz­erisches Ver­fas­sungsrecht und inter­na­tionales Pri­va­trecht erhal­ten (E. 4.4.3).

Gestützt auf die tele­ol­o­gis­che Ausle­gung erwog das Bun­des­gericht schliesslich, dass Art. 7 Abs. 3 BGFA ein wichtiges öffentlich­es Inter­esse schütze, näm­lich wonach Prak­tikan­ten über hin­re­ichende Grund­ken­nt­nisse des Schweiz­er Rechts ver­fü­gen wür­den. Obwohl Prak­tikan­ten unter der Auf­sicht eines Vorge­set­zten tätig seien, kön­nten sie in den Gren­zen der Recht­sor­d­nung Klien­ten berat­en und diese vor Straf‑, Ziv­il- und Ver­wal­tungs­gerichte vertreten. Es liege daher sowohl im Inter­esse der Rechtssuchen­den als auch der ord­nungs­gemässen Recht­spflege, dass die Anwalt­sprak­tikan­ten über eine angemesse Grun­daus­bil­dung im Schweiz­er Recht ver­fü­gen wür­den (E. 4.4.4).