4A_395/2018: Unbefristeter Arbeitsvertrag mit Mindestlaufzeit; ausserordentliche Kündigung mit kurzer Kündigungsfrist

Die Psy­cholo­gin A. (Beschw­erde­führerin) schloss mit der Clin­ique B. Sàrl (Beschw­erdegeg­ner­in) einen Arbeitsver­trag auf unbes­timmte Dauer, wonach eine Anstel­lung während min­destens eines Jahres nach Ablauf ein­er zwei­monati­gen Probezeit vere­in­bart war. Gemäss Arbeitsver­trag sollte sich das Arbeitsver­hält­nis nach Ablauf des ersten Jahres jew­eils stillschweigend erneuern.

Die Beschw­erde­führerin machte Ende April 2014 schriftlich gel­tend, ihr Lohn werde zu tief aus­bezahlt. Anslässlich ein­er Aussprache am 13. Mai 2014 sig­nal­isierte darauf die Beschw­erdegeg­ner­in der Beschw­erde­führerin, der Arbeitsver­trag ende am 30. Juni 2014 gemäss den Bes­tim­mungen des anwend­baren Gesam­tar­beitsver­trages. Noch am gle­ichen Tag erhielt die Beschw­erde­führerin eine schriftliche Bestä­ti­gung, dass der Arbeitsver­trag aus­laufe. Die Kündi­gung begrün­dete die Beschw­erdegeg­ner­in später mit einem gegen­seit­i­gen Ver­trauensver­lust. Die Beschw­erde­führerin machte dage­gen ins­beson­dere gel­tend, das Arbeitsver­hält­nis könne früh­estens auf den 31. Jan­u­ar 2015 aufgelöst werden.

Die Beschw­erde­führerin reichte Klage beim Tri­bunal des prud’hommes des Kan­tons Genf ein, welch­es die Klage im Wesentlichen guthiess. Die Cham­bre des prud’hommes de la Cour de jus­tice hob das erstin­stan­zliche Urteil wieder auf. Die Kam­mer verneinte ins­beson­dere jegliche Lohnansprüche für die Zeitspanne von Okto­ber 2014 bis Jan­u­ar 2015 und ver­weigerte eine Entschädi­gung wegen miss­bräuch­lich­er Kündi­gung. Das Bun­des­gericht hiess die gegen dieses Urteil erhobene Beschw­erde gut (Urteil 4A_395/2018 vom 10. Dezem­ber 2019).

Bezüglich der Ver­trags­dauer hielt das Bun­des­gericht im Wesentlichen fest, ein Arbeitsver­trag mit Min­imal­dauer sei bis zum Ablauf der fes­ten Laufzeit wie ein befris­teter Ver­trag zu behan­deln, bei dem eine ordentliche Kündi­gungsmöglichkeit fehle, der aber aus wichti­gen Grün­den im Sinne von Art. 337 OR gekündigt wer­den könne. Unab­hängig davon, ob eine solch ausseror­dentliche Kündi­gung gerecht­fer­tigt sei, werde das Arbeitsver­hält­nis dadurch aufgelöst (zum Ganzen E. 4.1).

Mit Bezug auf den konkreten Fall stellte das Bun­des­gericht fest, die Beschw­erdegeg­ner­in habe das Arbeitsver­hält­nis wirk­sam auf den 30. Juni 2014 gekündigt. Diese Kündi­gung sei während der vere­in­barten min­i­malen Laufzeit des Ver­trages aus­ge­sprochen wor­den und müsse daher wie eine ausseror­dentliche Kündi­gung nach Art. 337 OR behan­delt wer­den. Die Beschw­erdegeg­ner­in habe die Kündi­gung zwar nicht frist­los aus­ge­sprochen, jedoch unter Ein­hal­tung ein­er kurzen Frist auf das Ende eines Monats. Dieser Umstand änderte gemäss Bun­des­gericht aber nichts an der Qual­i­fika­tion als ausseror­dentliche Kündi­gung. Das Arbeitsver­hält­nis endete daher am 30. Juni 2014 und eine Rück­nahme der Kündi­gung war nicht mehr möglich (zum Ganzen E. 4.2).

Das Bun­des­gericht erwog weit­er, dass keine wichti­gen Gründe für eine ausseror­dentliche Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es vor­la­gen (E. 5.1). Die Beschw­erde­führerin hat­te daher Ersatzansprüche (Ersatz für ent­gan­genen Lohn bis zum Ende der min­i­malen Ver­trags­dauer) und Anspruch auf eine Entschädi­gung gemäss Art. 337c OR (E. 5.2.1).

Betr­e­f­fend die Entschädi­gung erwog das Bun­des­gericht, die Beschw­erde­führerin habe zwar eine Entschädi­gung wegen miss­bräuch­lich­er Rachekündi­gung im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR eingeklagt. Da aber die Entschädi­gung wegen miss­bräuch­lich­er Kündi­gung dieselbe Recht­snatur aufweise wie die Entschädi­gung wegen ungerecht­fer­tigter Kündi­gung gestützt auf Art. 337c Abs. 3 OR, sprach das Bun­des­gericht den­noch eine Entschädi­gung in der Höhe eines Monat­slohnes zu (E. 5.2.2).