4A_39/2021: Aktiengesellschaft, Verbriefung von Namenaktien (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht entsch­ied die bis­lang umstrit­tene, geset­zlich nicht geregelte Frage, dass Aktionäre einen geset­zlichen Anspruch darauf haben, dass ihre Mit­glied­schaft­srechte in einem Wert­pa­pi­er ver­brieft wer­den. Dieser grund­sät­zliche Anspruch könne indessen zumin­d­est bei Name­nak­tien in den Statuten aus­geschlossen werden.

Zunächst ver­wies das Bun­des­gericht darauf, dass in der herrschen­den Lehre zumin­d­est für Name­nak­tien im Prinzip Einigkeit herrsche, dass kein zwin­gen­des Recht auf Ver­briefung der Mit­glied­schaft beste­he. Umstrit­ten sei, ob der Anspruch auf wert­pa­pier­mäs­sige Ver­briefung grund­sät­zlich beste­he und in den Statuten wegbedun­gen wer­den könne, oder ob er umgekehrt erst durch eine Regelung in den Statuten entste­he. Dazu wür­den in der Lehre grund­sät­zlich zwei Auf­fas­sun­gen vertreten. Die eine Lehrmei­n­ung beja­he einen geset­zlichen Anspruch des Aktionärs auf wert­pa­pier­mäs­sige Ver­briefung, der aber nach der über­wiegen­den Mei­n­ung statu­tarisch wegbedun­gen wer­den könne, wobei über die Art und Weise der Wegbe­din­gung ver­schiedene Auf­fas­sun­gen beste­hen wür­den. Ein Teil der älteren Lehre gehe demge­genüber davon aus, dass dieser Anspruch des Aktionärs in den Statuten nicht abbedun­gen wer­den könne. Auch in der neueren Lehre werde dies für Inhab­er­ak­tien vertreten und erk­lärt, dass die Gesellschaft verpflichtet sei, Inhab­er­pa­piere auszugeben (E. 4.2.1). Die andere Lehrmei­n­ung verneine demge­genüber einen (geset­zlichen) Anspruch auf Aus­gabe eines Wert­pa­piers. Wed­er aus dem Aktien­recht noch aus dem Wert­pa­pier­recht noch aus ein­er anderen pri­va­trechtlichen Grund­lage ergebe sich eine Pflicht, die aktien­rechtliche Mit­glied­schaft in einem Wert­pa­pi­er zu verkör­pern. Ein solch­er Anspruch könne jedoch durch eine statu­tarische Regelung gewährt wer­den oder sich allen­falls aus innerge­sellschaftlich­er Usanz ergeben (E. 4.2.2).

Daraufhin erwog das Bun­des­gericht, dass der Aktionär unbe­strit­ten­er­massen gegenüber der Aktienge­sellschaft Anspruch auf eine Bescheini­gung sein­er Aktionärsstel­lung habe, mit der er seine Mit­glied­schaft­srechte dar­tun könne. Dieser Anspruch auf Ausstel­lung ein­er gewöhn­lichen Beweisurkunde sei unentziehbar. Die wert­pa­pier­mäs­sige Ver­briefung des Mit­glied­schaft­srechts der Aktienge­sellschaft sei demge­genüber kein zwin­gen­des Erforder­nis für die Entste­hung, die Gel­tend­machung oder die Über­tra­gung der Mit­glied­schaft (E. 4.3.1).

Den­noch sei die wert­pa­pier­mäs­sige Verurkun­dung der Mit­glied­schaft der Regelfall, von welchem das Gesetz für die Aktienge­sellschaft aus­ge­he. So sei beispiel­sweise aus Art. 684 Abs. 2 OR zu schliessen, dass das Gesetz dem Aktionär (zumin­d­est impliz­it) einen Anspruch auf Ver­briefung sein­er Mit­glied­schaft gewähren wolle. Der Aktionär habe somit im Prinzip einen geset­zlichen Anspruch auf wert­pa­pier­mäs­sige Ver­briefung sein­er Mit­glied­schaft­srechte (E. 4.3.2). Da die Ver­briefung in einem Wert­pa­pi­er für die Entste­hung, Gel­tend­machung und Über­tra­gung der aktien­rechtlichen Mit­glied­schaft nicht uner­lässlich sei, müsse es der Aktienge­sellschaft freis­te­hen, dieses Recht der Aktionäre in den Statuten aus­drück­lich auszuschliessen. Dies gelte zumin­d­est für Name­nak­tien. Durch eine Regelung in den Statuten der Aktienge­sellschaft lasse sich auch den jew­eili­gen konkreten Umstän­den der einzel­nen Gesellschaft am besten Rech­nung tra­gen. Ins­beson­dere könne damit auf Stufe der einzel­nen Aktienge­sellschaft darauf einge­gan­gen wer­den, dass es etwa bei kleineren, per­so­n­en­be­zo­ge­nen Aktienge­sellschaften oft­mals nicht dem Bedürf­nis der Aktionäre entspreche, ihre Mit­glied­schaft­srechte in ein Wert­pa­pi­er zu klei­den (E. 4.3.3).

Am grund­sät­zlichen Anspruch des Aktionärs auf Aus­gabe eines Wert­pa­piers ändere auch das neue Aktien­recht nichts, so das Bun­des­gericht weit­er. Auch im rev­i­dierten Aktien­recht gebe es keine explizite Bes­tim­mung zum Anspruch des Aktionärs auf Ver­briefung sein­er Mit­glied­schaft­srechte in einem Wert­pa­pi­er. So enthalte der rev­i­dierte Art. 622 Abs. 5 Satz 1 OR eine Kon­di­tion­al­satz, wom­it nach der Botschaft des Bun­desrats klargestellt wer­den solle, dass Aktienge­sellschaften nicht verpflichtet seien, Akti­en­ti­tel auszugeben. Der Aktionär könne hinge­gen weit­er­hin die Erstel­lung ein­er Beweisurkunde ver­lan­gen. Damit werde indessen auch die hier strit­tige Fage nicht beant­wortet (E. 4.4).

Schliesslich erwog dass Bun­des­gericht, dass es in casu an ein­er statu­tarischen Regelung in den Statuten fehle, wehsalb nicht entsch­ieden wer­den müsse, wie der geset­zliche Anspruch auf Aus­gabe der Aktien als Wert­pa­pi­er in den Statuten im Einzel­nen abzube­din­gen sei (E. 4.3.3 und E. 5).