4A_446/2009: Zuständigkeit, aktienrechtliche Verantwortlichkeit

In einem gestern veröf­fentlicht­en Entscheid (4A_446/2009 vom 8. Dezem­ber 2009; amtliche Pub­lika­tion) beurteilte das Bun­des­gericht die Wirkun­gen ein­er in den Statuten ein­er Aktienge­sellschaft enthal­te­nen Schied­sklausel im Hin­blick auf eine aktien­rechtlichen Ver­ant­wortlichkeit­sklage im Konkurs.

Die Zuständigkeits­frage stellte im Kon­text, da sowohl der Aktiv- als auch Pas­sivprozess der Ver­ant­wortlichkeit­sklage von Art. 260 SchKG-Abtre­tungs­gläu­bigern zu führen war (über eine der beklagten, natür­lichen Per­so­n­en wurde der Konkurs eröffnet und im Rah­men dieses zweit­en Konkursver­fahrens trat die Beschw­erde­führerin in den Pas­sivprozess ein).

Die statu­tarische Schied­sklausel dero­giere die Zuständigkeit des Han­dels­gerichts nicht, da es sich bei der Schied­seinrede nicht um eine Einrede han­dle, die unab­hängig von der Wil­lens­bil­dung der Gesellschaft beste­he. Es recht­fer­tige sich nicht, die Einrede gegenüber der Gläu­bigerge­samtheit zuzu­lassen. Andern­falls bestünde die Gefahr, dass die Organe durch entsprechende statu­tarische Bes­tim­mungen die Durch­set­zung der Ver­ant­wortlichkeit­sansprüche der Gläu­biger im Konkurs erschw­eren wür­den. Mass­gebend sei, ob die Gläu­bigerge­samtheit an die Schied­sklausel gebun­den ist und eine solche Bindung könne nicht aus den Statuten der Gesellschaft abgeleit­et werden.

Ver­ant­wortlichkeit­skla­gen nach Art. 754 OR kön­nen ein­er schieds­gerichtlichen Entschei­dung unter­wor­fen wer­den. Diese muss den For­mer­fordernissen genü­gen. Bei statu­tarischen Schied­sklauseln ist die notwendi­ge Schrift­form (Art. 6 Abs. 1 KSG) gewahrt, wenn die schriftliche Erk­lärung des Beitritts zu ein­er juris­tis­chen Per­son aus­drück­lich auf die in den Statuten oder in einem sich darauf stützen­den Regle­ment enthal­tene Schied­sklausel Bezug nimmt (vgl. Art. 6 Abs. 2 KSG; Erw. 2.2).

Art. 757 OR begrün­det einen ein­heitlichen Anspruch der Gläu­bigerge­samtheit. Der in Art. 757 Abs. 3 OR enthal­tene Vor­be­halt der Abtre­tung von Ansprüchen der Gesellschaft gemäss Art. 260 SchKG ver­lei­ht keine weit­eren Rechte; in materiell­rechtlich­er Hin­sicht beste­ht kein Unter­schied zwis­chen dem Anspruch, den sich ein Gläu­biger nach Art. 260 SchKG abtreten lässt und dem­jeni­gen, den die Aktionäre oder Gläu­biger direkt aus Art. 757 Abs. 1 und 2 OR erheben. Der Gläu­biger han­delt in ein­er Art Prozess­stand­schaft für die Gläu­bigerge­samtheit (Erw. 2.4).

Nach ein­hel­liger Lehre ist grund­sät­zlich auch die Konkurs­masse ein­schliesslich allfäl­liger Abtre­tungs­gläu­biger nach Art. 260 SchKG an die vom Gemein­schuld­ner abgeschlossene Schiedsvere­in­barung gebun­den (Erw. 2.5).

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beschw­erde­führerin macht die Beschw­erdegeg­ner­in im Rah­men der Ver­ant­wortlichkeit­sansprüche nach Art. 757 OR nicht die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den Orga­nen gel­tend, son­dern diejeni­gen der Gläu­bigerge­samtheit. Aus diesem Grund kann der Belangte der Abtre­tungs­gläu­bigerin nicht sämtliche Einre­den gegen sie per­sön­lich und gegen die Gesellschaft ent­ge­genge­hal­ten, son­dern nur diejeni­gen, die ihm auch gegenüber der Gläu­bigerge­samtheit zuste­hen (Erw. 2.5.1).

Die Ablö­sung des eige­nen Anspruchs der Gesellschaft durch den­jeni­gen der Gläu­bigerge­samtheit im Konkurs hat nicht zum Zweck, den Gläu­bigern mehr Rechte zu ver­schaf­fen, als die Gesellschaft jemals hat­te. Sie dient allein dem Auss­chluss der­jeni­gen Einre­den, die den Abtre­tungs­gläu­bigern gegenüber nicht gerecht­fer­tigt sind. Einre­den, die unab­hängig von der Wil­lens­bil­dung der Gesellschaft vor der Konkurs­eröff­nung bestanden haben, kön­nen zuläs­sig bleiben, beispiel­sweise die Einrede der Ver­rech­nung mit Forderun­gen, die schon vor der Konkurs­eröff­nung bestanden (Erw. 2.5.1).

Bei der gestützt auf eine in den Statuten enthal­tene Schied­sklausel erhobe­nen Schied­seinrede han­delt es sich nicht um eine Einrede, die unab­hängig von der Wil­lens­bil­dung der Gesellschaft beste­ht. Es recht­fer­tigt sich nicht, die Einrede gegenüber der Gläu­bigerge­samtheit, die keinen Ein­fluss auf die Statuten hat­te, zuzu­lassen, son­st bestünde die Gefahr, dass die Organe durch entsprechende statu­tarische Bes­tim­mungen die Durch­set­zung der Ver­ant­wortlichkeit­sansprüche der Gläu­biger im Konkurs erschw­eren. Mass­gebend ist, ob die Gläu­bigerge­samtheit an die Schied­sklausel gebun­den ist. Eine solche Bindung kann nicht aus den Statuten der Gesellschaft abgeleit­et wer­den (Erw. 2.5.2)

Soweit die Beschw­erde­führerin behauptete, die Beschw­erdegeg­ner­in mache mit der Ver­ant­wortlichkeit­sklage nicht nur einen Schaden der Gesellschaft als Abtre­tungs­gläu­bigerin gel­tend, son­dern auch den kom­plet­ten Wertver­lust ihrer Aktien als direk­ten Schaden als Aktionärin, genügte sie den Begrün­dungsan­forderun­gen (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht.