4A_636/2020: Gleichstellungsgesetz, Lohndiskriminierung

Erst kür­zlich bestätigte das Bun­des­gericht unter Ver­weis auf die bish­erige Recht­sprechung, dass Lohn­ver­gle­iche als Basis für den Nach­weis ein­er Lohndiskri­m­inierung nach Gle­ich­stel­lungs­ge­setz (GlG) grund­sät­zlich nur zwis­chen Arbeit­nehmenden des­sel­ben Arbeit­ge­bers oder min­destens bei Ver­flech­tun­gen mit Möglichkeit der Ein­flussnahme des einen Arbeit­ge­bers auf das Lohn­sys­tem des anderen zuläs­sig seien (siehe 4A_33/2021 vom 19. Juli 2021 mit Ver­weisen). In 4A_636/2020 vom 20. Juli 2021 befasste sich das Bun­des­gericht nun mit den Beweis­regeln der Lohndiskriminierung.

Die Beschw­erde­führerin machte eine Lohndiskri­m­inierung gel­tend, weil ihr Brut­to­jahres­lohn CHF 70’000 tiefer gewe­sen sei, als der­jenige ihres Vorgängers in der­sel­ben Posi­tion mit eben­falls 20–40% des Jahres­lohns als vari­ablem Lohnanteil.

Das Bun­des­gericht hielt fest, dass die Beweis­laster­le­ichterung nach Art. 6 GlG als Spezialbes­tim­mung der Beweis­regel von Art. 8 ZGB vorge­he. Eine Lohndiskri­m­inierung werde dem­nach ver­mutet, wenn diese glaub­haft gemacht werde (E. 2.2). Hinge­gen ent­falle eine Lohndiskri­m­inierung, wenn die Lohn­dif­ferenz durch die zu erbrin­gende Arbeit oder die in Frage ste­hende Funk­tion sach­lich begrün­det erscheine, sich mithin auf objek­tive Kri­te­rien stütze oder nicht geschlechtsspez­i­fisch motiviert sei (E. 2.3). Die Anführung irgen­deines Grun­des genüge dabei nicht, der Arbeit­ge­ber müsse vielmehr beweisen, dass ein objek­tives Ziel ver­fol­gt werde, das einem echt­en unternehmerischen Bedürf­nis entspricht, und dass die Ungle­ich­be­hand­lung geeignet sei, das angestrebte Ziel unter Wahrung der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit zu erre­ichen (E. 2.4). Für die Wider­legung der ver­muteten Lohndiskri­m­inierung durch den Arbeit­ge­ber gelte das Regel­be­weis­mass (E. 4.1).

Eine Urteils­find­ung in zwei Stufen sei dabei im Rechtsmit­telver­fahren keineswegs zwin­gend. Auch im erstin­stan­zlichen Ver­fahren kön­nen die Frage der Glaub­haft­machung ein­er Diskri­m­inierung offen­ge­lassen wer­den, wenn der Gegen­be­weis als erbracht anzuse­hen sei (E. 4.1.3). Dadurch, dass die Vorin­stanz den Nach­weis des Arbeit­ge­bers als erbracht erachtet habe, dass die Auf­gaben der Arbeit­nehmerin und ihres Vorgängers nicht gle­ich­w­er­tig gewe­sen seien, habe die Frage, ob die Lohndiskri­m­inierung über­haupt glaub­haft gemacht wurde, offen­ge­lassen wer­den kön­nen. Somit habe die Vorin­stanz keine Ver­an­las­sung dazu gehabt, sich mit dem Beweis­mass des Glaub­haft­machens auseinan­derzuset­zen und die entsprechende Abgren­zung vorzunehmen (E. 4.1.1).

Zwar müsse der Arbeit­ge­ber im Bestre­itungs­falle diejeni­gen Tat­sachen nach­weisen, die eine unter­schiedliche Entlöh­nung zu recht­fer­ti­gen ver­mö­gen wür­den. Davon zu unter­schei­den sei jedoch die Frage, welche dieser Tat­sachen auch tat­säch­lich zum Stre­it­the­ma gemacht wor­den seien und dem­nach im konkreten Ver­fahren tat­säch­lich zu behaupten und beweisen seien (E. 4.2). Mache die betrof­fene Arbeit­nehmerin eine Diskri­m­inierung glaub­haft, träfe damit nach Art. 6 GlG den Arbeit­ge­ber die Beweis­last, dass die unter­schiedliche Entlöh­nung sach­lich gerecht­fer­tigt sei. Im Rah­men der sozialen Unter­suchungs­maxime des vere­in­facht­en Ver­fahrens trage er zudem grund­sät­zlich die entsprechende Behaup­tungslast gemäss den üblichen Anforderun­gen an die Sub­stan­ti­ierung der Tat­sachen­be­haup­tun­gen (E. 4.2.2).

Die Beschw­erdegeg­ner­in habe die Lohn­dif­ferenz mit der unter­schiedlichen Posi­tion der Beschw­erde­führerin im Ver­gle­ich zu ihrem Vorgänger in dieser Funk­tion begrün­det, der eine höhere Ver­ant­wor­tung getra­gen habe, weshalb die Auf­gaben nicht als gle­ich­w­er­tig betra­chtet wer­den kön­nten (E. 4.2.3). Da es die Beschw­erde­führerin abge­se­hen von der Bestre­itung des Bestandes der tat­säch­lichen Unter­schiede ver­säumt habe, die von der Beschw­erdegeg­ner­in ange­führte Begrün­dung der Lohn­dif­ferenz zu rechts­genüglich zu bestre­it­en und damit zum Prozess­the­ma zu machen, sei die Beschw­erdegeg­ner­in nicht zur weit­eren Sub­stan­ti­ierung gehal­ten gewe­sen und es habe kein Beweisver­fahren stat­tfind­en müssen (E. 4.2.4).

Damit sei lediglich auf die Beschw­erde einzutreten, soweit es um die Frage gehe, ob die Auf­gaben der Beschw­erde­führerin und Vorgänger gle­ich­w­er­tig gewe­sen seien (E. 4.3).

Die Vorin­stanz sei im Rah­men ihrer Beweiswürdi­gung zum Ergeb­nis gelangt, dass die vom Vorgänger ange­tretene Stelle höhere Anforderun­gen und eine grössere Ver­ant­wor­tung bein­hal­tet habe als die Stelle, welche die Beschw­erde­führerin knapp ein Jahr später unter der gle­ichen Beze­ich­nung ange­treten habe. So habe der Vorgänger eine neu geschaf­fene Stelle ange­treten und auf strate­gis­ch­er Ebene neue Prozesse für einen sys­tem­a­tis­chen Pro­gram­mauf­bau in Gang set­zen müssen, während die Beschw­erde­führerin das einge­führte Sys­tem vor allem oper­a­tiv auf Werk­sebene weit­erge­führt und umge­set­zt habe (E. 5).

Das Bun­des­gericht erwog weit­er, dass für die Frage des Vor­liegens ein­er Diskri­m­inierung objek­tive Kri­te­rien mass­gebend seien, die den Wert der Arbeit bee­in­flussen wür­den, wie der konkrete Auf­gaben­bere­ich, die Leis­tung – soweit sich diese nicht im Arbeit­sergeb­nis nieder­schlage – oder die Risiken beziehungsweise die Ver­ant­wor­tung (E. 6.2). Die zum Zeit­punkt der Anstel­lung vorge­se­henen Stel­len­charak­ter­is­ti­ka kön­nten dabei dur­chaus vom Entwick­lungs­stand des Unternehmens bee­in­flusst wer­den, indem sowohl die Ver­ant­wor­tung als auch das mit der Stelle ver­bun­dene Risiko davon abhän­gen und sich entwick­eln kön­nten (E. 6.3). Der interne Wech­sel des Vorgängers der Beschw­erde­führerin könne auch damit begrün­det sein, dass sich dessen bish­erige Posi­tion durch die Unternehmensen­twick­lung in die eine oder andere Rich­tung geän­dert hät­ten. Insoweit sei nicht aus­geschlossen, dass auf­grund der Unter­schiede zwis­chen der Fol­ge­po­si­tion des Vorgängers und der Stelle der Beschw­erde­führerin Rückschlüsse über die Ver­gle­ich­barkeit der Anforderun­gen an die aktuelle Posi­tion der Beschw­erde­führerin und des Vorgängers in der dama­li­gen Posi­tion gezo­gen wer­den kön­nten (E. 6.3). Sei das Risiko eines Mis­ser­folges der Beschw­erde­führerin wesentlich klein­er gewe­sen als für ihren Vorgänger sowohl bei dessen Stel­lenantritt als auch in sein­er neuen Posi­tion, bilde dies einen objek­tiv­en Grund für eine Ungle­ich­be­hand­lung (E. 6.4).

Das Bun­des­gericht verneinte Willkür der Vorin­stanz bei der Beweiswürdi­gung, die zum Schluss gekom­men sei, dass die Posi­tion der Beschw­erde­führerin nach Über­gabe von deren Vorgänger nicht mehr mit den gle­ichen Risiken ver­bun­den gewe­sen sei und dem­nach eine unter­schiedliche Entlöh­nung sach­lich gerecht­fer­tigt sei (E. 7).