6B_1247/2020: Videobeweis für Fristwahrung

Im Urteil 6B_1247/2020 vom 7. Okto­ber 2021 legte das Bun­des­gericht fest, dass eine Videoauf­nahme grund­sät­zlich als Beweis dafür dienen kann, dass eine gerichtliche Eingabe frist­gerecht in einen Briefkas­ten der Schweiz­erischen Post einge­wor­fen wurde, sofern keine Hin­weise vor­liegen, die den Ver­dacht ein­er Manip­u­la­tion der Aufze­ich­nung begründen.

Hin­ter­grund dieses Entschei­ds war eine Beschw­erde gegen die Ein­stel­lung eines Strafver­fahrens beim Kan­ton­s­gericht Wal­lis. Der Anwalt des Beschw­erde­führers hat­te die Eingabe am let­zten Tag der zehn­tägi­gen Frist (Art. 396 Abs. 1 StPO) abends um 22:05 Uhr in einen Briefkas­ten einge­wor­fen. In der Eingabe selb­st hat­te er das Gericht darüber informiert, dass der Post­stem­pel auf dem einge­wor­fe­nen Umschlag das Datum des Fol­ge­tags tra­gen kön­nte und er deshalb eine Videoauf­nahme zum Beweis der frist­gerecht­en Ein­re­ichung der Beschw­erde nachre­ichen werde, was er am näch­sten Tag durch Eingabe eines USB-Sticks auch getan hat­te. Das Kan­ton­s­gericht aber trat auf die Beschw­erde, die den Post­stem­pel des Fol­ge­tages trug, wegen Fristver­säum­nis nicht ein, da die Videoauf­nahme keinen wirk­samen Beweis für die frist­gerechte Ein­re­ichung darstelle (E. 3.3).

Das Bun­des­gericht hiess die dage­gen erhobene Beschw­erde des Betrof­fe­nen gut und wies darauf hin, dass eine Frist unter anderem dann als gewahrt gilt, wenn die Eingabe spätestens am let­zten Tag der Frist (bis Mit­ter­nacht) der Schweiz­erischen Post übergeben wird (Art. 91 Abs. 1 StPO). Dabei wird davon aus­ge­gan­gen, dass das Ein­re­ichungs­da­tum dem­jeni­gen des Post­stem­pels entspricht. Diese Ver­mu­tung kann jedoch umgestossen wer­den. Vom Absender darf dabei jedoch erwartet wer­den, dass er den Beweis für die rechtzeit­ige Abgabe noch vor Ablauf der Frist erbringt und in der Eingabe sel­ber auf ein entsprechen­des Beweis­mit­tel hin­weist (E. 3.1).

Eine Videoauf­nahme kann dem­nach grund­sät­zlich als Beweis­mit­tel für die rechtzeit­ige Über­gabe an die Post dienen (E. 3.4). Auch wenn audio­vi­suelle Auf­nah­men rel­a­tiv leicht zu manip­ulieren sind, wäre es für einen Anwalt ein schw­er­er Ver­stoss gegen die Beruf­spflicht­en (vgl. Art. 12 BGFA), wenn er ein Beweis­mit­tel fälschen würde, um die Rechtzeit­igkeit sein­er Eingabe zu bele­gen. Sofern keine Indizien auf eine Fälschung hin­deuten, sind Zweifel an der Echtheit ein­er Auf­nahme deshalb nicht gerecht­fer­tigt. Selb­stver­ständlich muss die Videoauf­nahme alle Ele­mente enthal­ten, die zum Beweis erforder­lich sind, namentlich also das Datum und die Zeit der Deponierung der Eingabe sowie die Iden­ti­fika­tion des Umschlags mit der Beschw­erde (E. 3.5). Zu beacht­en ist schliesslich, dass die Sich­tung ein­er solchen Auf­nahme zusät­zlichen Aufwand verur­sachen kann und die entsprechen­den Kosten vom Gericht dem Absender gestützt auf Art. 66 Abs. 3 BGG aufer­legt wer­den kön­nen (E. 5).