2C_44/2020: Markt für französischsprachige Bücher; Agenturverhältnis; vertikale Vereinbarung betreffend Verbreitung und Vertrieb; Sanktion (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht erliess ein näch­stes Urteil in der im März 2008 eröffneten Unter­suchung im Zusam­men­hang mit der Ver­bre­itung und dem Ver­trieb von franzö­sis­chsprachi­gen Büch­ern in der Schweiz (s. bere­its das BGer 2C_43/2020). In diesem Ver­fahren ging es um die Schweiz­er Gesellschaft Les Edi­tions Flam­mar­i­on SA (nach­fol­gend Beschw­erde­führerin), die in der Schweiz franzö­sis­chsprachige Büch­er vertreibt, welche ein­er­seits von der Flam­mar­i­on-Gruppe und ander­er­seits von unab­hängi­gen Ver­legern her­aus­gegeben wer­den. Die Beschw­erde­führerin liess den Ver­trieb all dieser Büch­er die Schweiz­er Gesellschaft A. durch­führen, mit welch­er sie zu diesem Zweck zwis­chen 2000 und 2010 drei Verträge abgeschlossen hat­te, in denen A. als Exk­lu­sivver­trieb­shändler bes­timmt wurde. Das Bun­des­gericht klärte ins­beson­dere, dass das im europäis­chen Wet­tbe­werb­srecht beste­hende “Agen­ten­priv­i­leg” auf die stre­it­ge­gen­ständlichen Klauseln zur ter­ri­to­ri­alen Exk­lu­siv­ität nicht anwend­bar sein könne. Sodann bejahte es die Möglichkeit, gegen die schweiz­erische Tochterge­sellschaft eines aus­ländis­chen Konz­erns ein Ver­fahren zu führen und diese gegebe­nen­falls zu sank­tion­ieren, nach­dem ihr das Ver­hal­ten der Mut­terge­sellschaft zugerech­net wurde. Sodann bestätigte das Bun­des­gericht, dass im Rah­men der Ver­mu­tung der Besei­t­i­gung wirk­samen Wet­tbe­werbs nach Art. 5 Abs. 4 KG zu unter­schei­den sei, ob eine Ver­trieb­s­ge­sellschaft oder eine Her­stel­lerin darauf verzichte, mit ihren Ver­trieb­s­ge­sellschaften zu konkur­ri­eren.

Die Weko qual­i­fizierte die Vere­in­barun­gen der Beschw­erde­führerin mit A. als unzuläs­sige Abre­den i.S.v. Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 KG, unter­sagte ihr ins­beson­dere Par­al­le­limporte franzö­sis­chsprachiger Büch­er durch jeden in der Schweiz täti­gen Einzel­händler durch Ver­triebs- und/oder Verteilungsverträge zu behin­dern und sprach eine Sank­tion aus. Das Bun­desver­wal­tungs­gericht reduzierte die aus­ge­sproch­ene Sank­tion und bestätigte im Übri­gen die Ver­fü­gung der Weko.

Vor Bun­des­gericht umstrit­ten war zunächst die Frage, ob die Beschw­erde­führerin über­haupt an wet­tbe­werb­srechtlich unzuläs­si­gen Abre­den beteiligt war. Dabei erin­nerte das Bun­des­gericht zunächst daran, dass ver­tikale Wet­tbe­werb­sabre­den vom schweiz­erischen und vom europäis­chen Recht, die sich im Laufe der Zeit angenähert hät­ten, auf prak­tisch iden­tis­che Weise, wenn auch in unter­schiedlichen Sys­te­men, erfasst wür­den. Auf­grund dieser Par­al­lelität der bei­den Regelun­gen könne auf das ver­wiesen wer­den, was die Europäis­che Union in ihrer Richtlin­ie über ver­tikale Vere­in­barun­gen aus­geschlossen oder erlaubt habe (E. 4.4).

Die Weko kam zu Schluss, dass die Beschw­erde­führerin an ver­tikalen Abre­den zur Errich­tung eines Ver­triebs-/Verteilungssys­tems teilgenom­men habe, deren Ziel und Wirkung die Besei­t­i­gung des wirk­samen Wet­tbe­werbs auf dem Markt für den soge­nan­nten “Wholesale”-Vertrieb franzö­sis­chsprachiger Büch­er in der Schweiz gewe­sen wäre. Ins­beson­dere greife die in Art. 5 Abs. 4 KG aufgestellte Ver­mu­tung der Besei­t­i­gung wirk­samen Wet­tbe­werbs auf die Geschäfts­beziehung zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A. Das von den bei­den Gesellschaften ein­gerichtete Sys­tem hätte den Ver­trieb der von der Flam­mar­i­on-Gruppe her­aus­gegebe­nen oder lediglich ver­triebe­nen Werke abgeschot­tet, indem es jeden Par­al­le­limport durch die Wiederverkäufer in der Schweiz ver­hin­dert hätte (E. 5.1). Von dieser Beurteilung wich das Bun­desver­wal­tungs­gericht insofern ab, dass die Geschäfts­beziehung zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A. nicht voll­ständig unter die in Art. 5 Abs. 4 KG aufgestellte Ver­mu­tung der Besei­t­i­gung des wirk­samen Wet­tbe­werbs fall­en würde. Erfasst wür­den einzig Ver­trieb­svere­in­barun­gen zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A., welche sich auf Büch­er bezo­gen hät­ten, die von Drit­tfir­men ausser­halb der Flam­mar­i­on-Gruppe her­aus­gegeben — aber von dieser ver­trieben — wür­den. Nur im Zusam­men­hang mit dem Ver­trieb dieser Pro­duk­te wäre es möglich, die Beschw­erde­führerin in Anwen­dung von Art. 49a KG zu sank­tion­ieren (E. 5.2).

Vor Bun­des­gericht machte die Beschw­erde­führerin gel­tend, dass ihre Beziehung zu A. keine Ver­trieb­s­beziehung, son­dern eine Agen­turbeziehung sei, die keine Wet­tbe­werb­sabrede darstelle. Das Bun­des­gericht wies zunächst darauf hin, dass in Anlehnung an die Logik, die dem Konz­ern­priv­i­leg zugrunde liege, die europäis­chen Behör­den der Ansicht seien, dass bes­timmte spez­i­fis­che Ver­trieb­svere­in­barun­gen, die sie als “Agen­turverträge” beze­ich­nen wür­den, zumin­d­est teil­weise eben­falls dem Wet­tbe­werb­srecht ent­zo­gen seien. Dabei gin­ge es um Vere­in­barun­gen, mit denen ein Unternehmen einem anderen die Befug­nis erteile, für dessen Rech­nung Verträge über den Kauf und Verkauf von Waren oder Dien­stleis­tun­gen auszuhan­deln und/oder abzuschliessen. Das beauf­tragte Unternehmen, das kein Risiko im Zusam­men­hang mit den im Namen des anderen aus­ge­han­del­ten oder abgeschlosse­nen Verträ­gen trage und sein Mark­tver­hal­ten nicht autonom bes­timme, sei als blosse Hil­f­skraft des vertrete­nen Unternehmens anzuse­hen. Obwohl sie eine eigene Rechtsper­sön­lichkeit hät­ten, kön­nten die bei­den Gesellschaften als eine einzige wirtschaftliche Ein­heit betra­chtet wer­den, wenn im konkreten Einzelfall davon auszuge­hen sei, dass der Vertreter im Zusam­men­hang mit den Tätigkeit­en, für die ihn der Unternehmer bestellt hat, keine oder nur ver­nach­läs­sig­bare geschäftliche oder finanzielle Risiken trage (E. 6.3). Verpflich­tun­gen, die der Auf­tragge­ber in solchen “Agen­tu­rauf­tragsver­hält­nis­sen” dem Ver­mit­tler im Zusam­men­hang mit dem Verkauf an Dritte aufer­legt (z. B. Beschränkun­gen hin­sichtlich des Gebi­ets, des Kun­denkreis­es oder des Preis­es oder der Bedin­gun­gen, zu denen oder auf die der Vertreter die betr­e­f­fend­en Waren oder Dien­stleis­tun­gen verkaufen darf), seien den Wet­tbe­werb­sregeln ent­zo­gen. Andere ver­tragliche Bes­tim­mungen zwis­chen den bei­den Unternehmen seien indessen nach dem Wet­tbe­werb­srecht zu beurteilen. Die Beze­ich­nung ein­er Geschäfts­beziehung als “Han­delsvertreter­ver­trag” stelle mithin keinen voll­ständi­gen Blankoscheck dar. Klauseln in einem Han­delsvertreter­ver­trag, die beispiel­sweise dem Auf­tragge­ber ver­bi­eten wür­den, andere Vertreter für eine bes­timmte Art von Geschäften, Kun­den oder Gebi­eten zu benen­nen (Exk­lu­siv­ität­sklauseln), oder die dem Vertreter ver­bi­eten, im Namen ander­er Unternehmen zu han­deln (sog. Marken­zwang), müssten den Wet­tbe­werb­sregeln entsprechen, da sie zu ein­er Abschot­tung des betr­e­f­fend­en Mark­tes führen kön­nten (E. 6.4).

Das Bun­des­gericht erwog, dass die Geschäfts­beziehung zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A. gewisse Merk­male aufweise, die für ein “Agen­turver­tragsver­hält­nis” zumin­d­est im Sinne des europäis­chen Wet­tbe­w­er­srechts typ­isch seien. Ins­beson­dere ste­he fest, dass A. niemals Eigen­tümerin der von Flam­mar­i­on ver­triebe­nen Büch­er werde, bevor sie diese an Schweiz­er Buch­hand­lun­gen und andere Einzel­händler weit­er­verkaufe, und dass sie für jeden “Hin-” und “Rück­fluss” dieser Werke entschädigt werde, so dass sie nicht das Risiko eines möglichen kom­merziellen Mis­ser­fol­gs trage. Das Bun­des­gericht liess die Fra­gen let­ztlich indessen offen (E. 6.6). Es sei, so das Bun­des­gericht, zu bedenken, dass es vor­liegend um ter­ri­to­ri­ale Exk­lu­siv­ität­sklausen gehe, die in ver­schiede­nen Ver­trieb­sverträ­gen zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A. enthal­ten seien. Der Beschw­erde­führerin werde vorge­wor­fen, den Schweiz­er Markt — unter Ver­let­zung von Art. 5 Abs. 1 und 4 KG — abgeschot­tet zu haben, indem sie A. einen absoluten Gebi­etss­chutz in Bezug auf den Whole­sale-Ver­trieb franzö­sis­chsprachiger Werke gewährt hätte, d.h. indem sie A. die Abwe­sen­heit jeglich­er Konkur­renz nicht nur aus der Schweiz, son­dern auch aus dem Aus­land im Zusam­men­hang mit dem Grosshan­delsver­trieb von Büch­ern, die von der Flam­mar­i­on-Gruppe her­aus­gegeben und/oder ver­trieben wer­den, garantiert hätte. Diese Exk­lu­siv­ität­sregelung könne in keinem Fall vom “Agen­ten­priv­i­leg” prof­i­tieren, unab­hängig davon, ob sie tat­säch­lich darauf abziele, einen absoluten Gebi­etss­chutz zugun­sten von A. zu gewährleis­ten. Das Priv­i­leg würde nur für Verpflich­tun­gen gel­ten, welche die Beschw­erde­führerin A. im Zusam­men­hang mit den in ihrem Namen abgeschlosse­nen Verträ­gen hätte aufer­legen kön­nen. Verpflich­tun­gen, welche die Parteien zur Regelung ihrer gegen­seit­i­gen Beziehun­gen einge­gan­gen seien, wür­den in jedem Fall dem KG unter­stellt bleiben. Dies wäre ger­ade bei den ter­ri­to­ri­alen Exk­lu­siv­ität­sklauseln der Fall, die in den Ver­trieb­sverträ­gen zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A. enthal­ten seien. Sie wür­den A. kein­er­lei Verpflich­tun­gen in Bezug auf ihre Beziehun­gen zu Schweiz­er Buch­händlern aufer­legen, son­dern die Geschäfts­beziehung der bei­den Gesellschaften organ­isieren, indem sie die Bedin­gun­gen ein­schränken wür­den, unter denen die Flam­mar­i­on-Gruppe die von ihr ver­legten und/oder ver­triebe­nen Werke in der Schweiz verkaufen könne. Solche Klauseln, die die Beschaf­fungskanäle für bes­timmte franzö­sis­chsprachige Büch­er betr­e­f­fen, wür­den zweifel­los Wet­tbe­werb­sab­sprachen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 KG darstellen, selb­st wenn man davon aus­gin­ge, dass sie sich in “Agen­turverträge” ein­fü­gen wür­den (E. 6.7).

Hin­sichtlich der Qual­i­fika­tion der Ver­trieb­sverträge als unzuläs­sige Abre­den i.S.v. Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 KG rügte die Beschw­erde­führerin erfol­g­los, dass sie A. keinen absoluten Gebi­etss­chutz gewährt hätte.

Dabei machte die Beschw­erde­führerin gel­tend, sie sei fälschlicher­weise mit ihrer Mut­terge­sellschaft und all­ge­mein mit der Flam­mar­i­on-Gruppe gle­ichge­set­zt wor­den, da nur die Mut­terge­sellschaft oder konz­ernex­terne Ver­leger als Liefer­an­ten der zu vertreiben­den Werke ein Ver­bot von Pas­sivverkäufen für Händler im Aus­land durch­set­zen kön­nten (E. 8.). Das Bun­des­gericht lehnte diese Begrün­dung ab. Gemäss Lehre sei es möglich, gegen die schweiz­erische Tochterge­sellschaft eines aus­ländis­chen Konz­erns ein Ver­fahren zu führen und diese gegebe­nen­falls zu sank­tion­ieren, nach­dem ihr das Ver­hal­ten der Mut­terge­sellschaft zugerech­net wurde. Ein solch­es Vorge­hen könne sich ins­beson­dere bei Fällen mit Aus­lands­bezug als sin­nvoll erweisen, ins­beson­dere wenn es zu kost­spielig sei, den Konz­ern im Aus­land zu ver­fol­gen, oder wenn dies unver­hält­nis­mäs­sige Schwierigkeit­en im Ver­fahren oder bei der Voll­streck­ung allfäl­liger Entschei­dun­gen mit sich brin­gen würde (E. 8.1). Auch im europäis­chen Recht sei anerkan­nt, dass eine juris­tis­che Per­son für das wet­tbe­werb­swidrige Ver­hal­ten ein­er anderen juris­tis­chen Per­son ver­ant­wortlich gemacht wer­den könne, wenn bei­de Teil der­sel­ben wirtschaftlichen Ein­heit sind und somit ein einziges Unternehmen bilden. In einem solchen Fall kön­nten die europäis­chen Wet­tbe­werb­s­be­hör­den das Unternehmen auswählen, gegen das sie vorge­hen wollen (E. 8.2). Vor­liegend seien die bei­den Unternehmen wirtschaftlich, organ­isatorisch und rechtlich sehr eng miteinan­der ver­bun­den, so dass sie unter dem Gesicht­spunkt des KG als ein und das­selbe Unternehmen betra­chtet wer­den kön­nten. Zudem würde zwis­chen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Beschw­erde­führerin und der­jeni­gen ihrer Mut­terge­sellschaft ein enger Zusam­men­hang beste­hen, da die Beschw­erde­führerin im Auf­trag der Mut­terge­sellschaft Büch­er in der Schweiz vertreibe, nach­dem diese sie selb­st ver­legt habe oder sich bere­it erk­lärt habe, sie auf Anfrage ander­er konz­ernex­tern­er Ver­leger zu vertreiben (E. 8.3). Aus wet­tbe­werb­srechtlich­er Sicht habe das Bun­desver­wal­tungs­gericht daher zu Recht das Ver­hal­ten der Gesellschaft Flam­mar­i­on FR im Zusam­men­hang mit dem Ver­trieb der von der Gruppe ver­triebe­nen Büch­er in der Schweiz und umgekehrt der Beschw­erde­führerin zugerech­net (E. 8.4).

Weit­er rügte die Beschw­erde­führerin, dass die Ver­mu­tung der Besei­t­i­gung wirk­samen Wet­tbe­werbs nach Art. 5 Abs. 4 KG nicht für Verkaufs­beschränkun­gen gelte, die Unternehmen aufer­legt wür­den, die wie die Beschw­erde­führerin im Rah­men ein­er Ver­trieb­svere­in­barung als “Liefer­an­ten” fungieren wür­den. Die Garantie eines Liefer­an­ten, dass er in einem bes­timmten Gebi­et nicht mit seinem Ver­tragspart­ner konkur­ri­eren werde, reiche nicht aus, um einen absoluten Gebi­etss­chutz im Bere­ich des Ver­triebs zu begrün­den (E. 9). Auch mit dieser Rüge drang die Beschw­erde­führerin nicht durch. Das Bun­des­gericht wies zunächst auf die vom Bun­desver­wal­tungs­gericht vorgenommene Beurteilung hin, wonach die Flam­mar­i­on-Gruppe auf dem Buch­markt und gegenüber A. in zwei ver­schiede­nen Funk­tio­nen agiert hätte: ein­er­seits als “Pro­duzent” in Bezug auf den Ver­trieb der von der Gruppe veröf­fentlicht­en Werke und ander­er­seits als “Liefer­ant” oder Händler in Bezug auf die von unab­hängi­gen Ver­legern veröf­fentlicht­en Werke. Die Verpflich­tung der Beschw­erde­führerin, dass die Flam­mar­i­on-Gruppe keine (aktiv­en oder pas­siv­en) Verkäufe ihrer eige­nen Büch­er in die Schweiz täti­gen würde, würde nicht unter Art. 5 Abs. 4 KG fall­en, da sie einem Ver­bot des Direk­tverkaufs des “Her­stellers” gle­ichkäme. Anders ver­halte es sich hinge­gen mit der Verpflich­tung, andere Werke, die zwar nicht von der Flam­mar­i­on-Gruppe her­aus­gegeben, aber den­noch von ihr ver­trieben wür­den, nicht direkt an Schweiz­er Wiederverkäufer zu liefern. Diese Verpflich­tung könne unter Art. 5 Abs. 4 KG fall­en, da sie eine dem Händler bzw. dem Liefer­an­ten aufer­legte Verpflich­tung darstellen würde (E. 9.2). Das Bun­des­gericht schützte diese Beurteilung: Die Beschw­erde­führerin und generell die Flam­mar­i­on-Gruppe hät­ten unbe­strit­ten­er­massen im Unter­suchungszeitraum nicht alle Büch­er pro­duziert, die sie weltweit ver­trieben hät­ten und deren Exk­lu­sivver­trieb in der Schweiz an A. wei­t­er­delegiert wor­den wäre. Die von der Beschw­erde­führerin einge­gan­gene Verpflich­tung, die Schweiz­er Buch­händler nicht direkt von Frankre­ich aus zu beliefern, entspreche somit nicht voll­ständig ein­er Verpflich­tung als “Pro­duzentin”. Sie stelle eine Verpflich­tung als “Händler” dar, da sie auch Büch­er betr­e­ffe, die nor­maler­weise von der Flam­mar­i­on-Gruppe selb­st im Aus­land ver­bre­it­et und ver­trieben wür­den, ohne von ihr ver­legt wor­den zu sein. Die Ver­trieb­svere­in­barun­gen zwis­chen der Beschw­erde­führerin und A. kön­nten somit ohne weit­eres unter Art. 5 Abs. 4 KG fall­en (E. 9.4 und 9.7). Aus kartell­rechtlich­er Sicht unter­schei­de sich der Fall, dass eine Ver­trieb­s­ge­sellschaft den Verkauf bes­timmter Pro­duk­te in einem bes­timmten Gebi­et an ein anderes Unternehmen wei­t­er­delegiert und sich gle­ichzeit­ig verpflichtet habe, auf diesem Markt nicht mit ihr zu konkur­ri­eren, von der Sit­u­a­tion, in der ein Her­steller darauf verzichte, jegliche Ver­trieb­sak­tiv­itäten zu entwick­eln und somit mit den Ver­trieb­s­ge­sellschaften, die seine Pro­duk­te ver­mark­ten, zu konkur­ri­eren. Es sei daher nicht gerecht­fer­tigt, diese bei­den Prob­lematiken im Rah­men der Ausle­gung von Art. 5 Abs. 4 KG gle­ichzuset­zen und davon auszuge­hen, dass beliebige “Nicht-Hersteller-Lieferanten”-Unternehmen sich durch einen Ver­trieb­sver­trag von pas­siv­en Verkäufen in einem bes­timmten Gebi­et auss­chliessen kön­nten (E. 9.5).

Schliesslich machte die Beschw­erde­führerin gel­tend, die ver­schiede­nen exk­lu­siv­en Ver­trieb­sverträge, die sie mit A. unterze­ich­net habe, hät­ten A. keinen absoluten Gebi­etss­chutz gewährt (E. 10). Ob diese Ver­trieb­sverträge darauf abzie­len wür­den, andere auf Whole­sale-Ebene tätige Buch­händler daran zu hin­dern, die gle­ichen Pro­duk­te in der Schweiz zu verkaufen, müsse — so das Bun­des­gericht — in erster Lin­ie auf­grund ein­er Ausle­gung der betr­e­f­fend­en Verträge geprüft wer­den (E. 10.1). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht nahm in seinem Urteil an, dass eine tat­säch­liche Ver­mu­tung für die Gewährung ein­er ter­ri­to­ri­alen Exk­lu­siv­ität beste­he, mithin dass sich die Beschw­erde­führerin als Vertreterin der Flam­mar­i­on-Gruppe in der Schweiz gegenüber A. verpflichtet hätte, dafür zu sor­gen, dass kein ander­er Händler die von der Gruppe ver­triebe­nen Werke im Inland verkaufe (E. 10.4). Das Bun­des­gericht stützte diese Beurteilung und wies die entsprechen­den Willkür­rü­gen der Beschw­erde­führerin ab (E. 10.6, ins­beson­dere E. 10.6.2 und 10.6.3).

Hin­sichtlich der Sank­tions­be­mes­sung prüfte das Bun­des­gericht ins­beson­dere, ob der Sank­tions­be­trag wegen ein­er Ver­let­zung des durch Art. 6 EMRK garantierten Grund­satzes der Ver­fahrens­beschle­u­ni­gung aus­nahm­sweise zu reduzieren sei (E. 12.5). Dabei wies das Bun­des­gericht auf die vom EuGH seit 2013 gel­tende Recht­sprechung hin, wonach es Sache des Unternehmens, das sich über eine über­lange Ver­fahrens­dauer beschwere, sei, in einem geson­derten Ver­fahren eine Entschädi­gung zu fordern. Diese neue Recht­sprechung sei jedoch nicht von allen Gericht­en in den Mit­glied­staat­en befol­gt wor­den, son­dern diese wären nach wie vor der Ansicht, dass ins­beson­dere aus Grün­den der Ver­fahren­sökonomie eine über­mäs­sige Ver­fahrens­dauer bei der zu ver­hän­gen­den Sank­tion zu berück­sichti­gen sei (E. 12.5.2). Das Bun­des­gericht liess indessen die Frage, ob die Ver­let­zung des Rechts auf ein Urteil inner­halb ein­er angemesse­nen Frist die Her­ab­set­zung ein­er in Anwen­dung des schweiz­erischen Kartell­rechts ver­hängten Sank­tion recht­fer­tige, offen, da sich die Beschw­erde­führerin ohne­hin nicht auf eine Ver­let­zung ihres Rechts auf ein Urteil inner­halb ein­er angemesse­nen Frist berufen könne (E. 12.6). Dies weil sich die Beschw­erde­führerin während der Unter­suchung pas­siv ver­hal­ten habe (E. 12.6.2 und 12.6.3).