B‑6872/2017: öffentliche Ausschreibung von Fremdwerbeflächen (Verleihung von Konzessionen)

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hielt in diesem Urteil fest, dass die öffentliche Auss­chrei­bung ein­er Konzes­sion nicht den Regeln des öffentlichen Beschaf­fungsrechts unter­ste­ht. Die entsprechen­den Grund­sätze sind damit nicht zwin­gend eins zu eins anwend­bar. Hin­weis: Im Zeit­punkt der stre­it­ge­gen­ständlichen Auss­chrei­bung war noch das bis zum 31. Dezem­ber 2020 gel­tende Beschaf­fungsrecht (aBöB/aVöB) in Kraft. Gemäss dem ab dem 1. Jan­u­ar 2021 gel­tenden, rev­i­dierten BöB gilt auch die Ver­lei­hung ein­er Konzes­sion als öffentlich­er Auf­trag, welch­er dem öffentlichen Beschaf­fungsrecht unter­ste­ht, wenn der Anbi­eterin dadurch auss­chliessliche oder beson­dere Rechte zukom­men, die sie im öffentlichen Inter­esse wahrn­immt, und ihr dafür direkt oder indi­rekt ein Ent­gelt oder eine Abgel­tung zukommt. Die Begrün­dung des Bun­desver­wal­tungs­gerichts wäre bei Anwen­dung des rev­i­dierten BöB somit wohl anders ausgefallen.

Gegen­stand war die öffentliche Auss­chrei­bung der Mietverträge für Fremd­wer­be­flächen der SBB in deren Immo­bilien. Der  Auss­chrei­bungs­ge­gen­stand bestand in der Über­tra­gung des exk­lu­siv­en Rechts zur Bere­it­stel­lung, Ver­mark­tung und Bewirtschaf­tung der Wer­be­flächen. Die Beschw­erde­führerin als unter­legene Anbi­eterin erhob Beschwerde.

Umstrit­ten war zunächst, nach welchen Rechts­grund­la­gen das Auss­chrei­bungs- und Auswahlver­fahren beurteilt wer­den musste, ins­beson­dere ob die Regeln des öffentlichen Beschaf­fungsrechts (ana­log) anzuwen­den seien. Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hat­te dazu bere­its in seinem Zwis­ch­enentscheid vom 16. Mai 2018 erwogen: Erteilt der Staat eine Konzes­sion zur Son­der­nutzung des öffentlichen Grun­des oder zur Ausübung ein­er monop­o­lisierten Tätigkeit, liege darin grund­sät­zlich keine öffentliche Beschaf­fung, weil er damit nicht als Erwer­ber von Leis­tun­gen auftrete und etwas beschaffe, son­dern im Gegen­teil dem Konzes­sionär ein Recht ein­räume und dafür in der Regel eine Gegen­leis­tung erhalte. Entsprechend wür­den Konzes­sio­nen wie die stre­it­ge­gen­ständliche  Auss­chrei­bung der Fremd­wer­be­fläche grund­sät­zlich nicht dem Ver­gaberecht unter­ste­hen und damit die Bes­tim­mungen des aBöB und der aVöB nicht zur Anwen­dung kom­men. Anders könne es sich etwa ver­hal­ten, wenn mit der Konzes­sion­serteilung untrennbar Gegen­leis­tun­gen von gewiss­er Bedeu­tung ver­bun­den seien, die nor­maler­weise Gegen­stand ein­er öffentlichen Beschaf­fung bilden wür­den; Kör­per­schaften des öffentlichen Rechts dürften die Anwen­dung des Beschaf­fungsrechts nicht mit­tels Konzes­sio­nen umge­hen (Zwis­ch­enentscheid, E. 1.1).

Entsprechend prüfte das Bun­desver­wal­tungs­gericht, ob und inwieweit beschaf­fungsrechtliche Grund­sätze auf die Ver­gabe von Konzes­sio­nen, vor­liegend von Son­der­nutzungskonzes­sio­nen, ana­log zur Anwen­dung  gelan­gen wür­den. Dabei erin­nerte es an die Recht­sprechung, wonach bei der Gestal­tung des Konzes­sion­ierungsver­fahrens bei Fehlen ein­er spezialge­set­zlichen Regelung die zum Ver­gabev­er­fahren entwick­el­ten Grund­sätze unter Umstän­den “hil­f­sweise” beige­zo­gen wer­den kön­nten, sich das Gericht aber auch zurück­hal­tend hin­sichtlich ein­er etwaigen (analo­gen) Anwen­dung dieser Grund­sätze geäussert habe. Als Grund wer­den Unter­schiede zwis­chen der Erteilung ein­er Konzes­sion und der Ver­gabe eines öffentlichen Auf­trags genan­nt (E. 3.3.1). Auch das Bun­des­gericht gehe bei Auss­chrei­bungs- respek­tive Auswahlver­fahren für Konzes­sio­nen zur wirtschaftlichen Son­der­nutzung öffentlich­er Sachen im (fak­tis­chen) Monopol­bere­ich des Staates nicht von ein­er (analo­gen) Anwen­dung ver­gaberechtlich­er Grund­sätze aus. Dabei sei ins­beson­dere die unter­schiedliche Posi­tion der Behörde bei der Ver­gabe eines öffentlichen Auf­trags im Ver­gle­ich zur Über­tra­gung eines Monopols bzw. ein­er Son­der­nutzung zu berück­sichti­gen. Im Gegen­satz zum öffentlichen Auf­trag, bei dem das Gemein­we­sen als Nach­frager auftrete und bei einem pri­vat­en Unternehmen gegen Ent­gelt eine Leis­tung erwerbe, welche es für die Erfül­lung sein­er öffentlichen Auf­gaben benötige, set­ze die Ver­lei­hung ein­er Monopolkonzes­sion voraus, dass sich die ver­lei­hende Behörde in der Rolle des Anbi­eters befinde, der gegen eine “Gebühr” und bes­timmte Neben­leis­tun­gen das Recht über­lasse, den öffentlichen Grund zu kom­merziellen Zweck­en zu nutzen. Es gebe grund­sät­zlich keinen Anspruch auf Ver­gabe ein­er entsprechen­den Konzes­sion, weil das Gemein­we­sen frei sei, die fragliche Tätigkeit selb­st auszuüben. Dieser Unter­schied recht­fer­tige es, dem Gemein­we­sen einen im Ver­gle­ich zur Prax­is im öffentlichen Beschaf­fungswe­sen grösseren Gestal­tungsraum bei der Auswahl der vom Konzes­sionär zu erfül­len­den materiellen Kri­te­rien zu belassen. Zudem könne es das Auss­chrei­bungsver­fahren weniger for­mal­isiert aus­gestal­ten als im Beschaf­fungswe­sen (E. 3.3.3). Diesen Erwä­gun­gen schloss sich das Bun­desver­wal­tungs­gericht an. Das Beschaf­fungsrecht, welch­es den Akzent auf den Wet­tbe­werb und die Wirtschaftlichkeit set­ze, biete keinen sachgerecht­en Rah­men für die Ver­gabe der Son­der­nutzungskonzes­sion. Vielmehr sei der Vorin­stanz ein grösser­er Gestal­tungsraum bei der Auswahl des Konzes­sionärs zu gewähren (E. 3.3.4). Indem die SBB, so da Bun­desver­wal­tungs­gericht weit­er, einem Inter­essen­ten auf dem Weg ein­er Auss­chrei­bung und eines Auswahlver­fahrens Wer­be­flächen des öffentlichen Raums zur Son­der­nutzung und kom­merziellen Bewirtschaf­tung zugeteilt habe, habe sie eine öffentliche Sache im engeren Sinn ver­wal­tet und eine Konzes­sion erteilt. Insofern nehme sie eine staatliche Auf­gabe wahr, was die Bindung an die ver­fas­sungsmäs­si­gen Grun­drechte mit sich bringe. Grund­sätze und Entschei­de aus dem Ver­gaberecht seien insofern Beach­tung, als sie entwed­er zugle­ich Teil­ge­halte der angerufe­nen Grun­drechte bilden oder als sie sich als Ori­en­tierung­shil­fe zur Konkretisierung der Grun­drechte eignen wür­den, die als rechtsstaatliche Gebote auf Ver­fas­sungsebene auch beim Ver­fahren zur Ver­gabe ein­er Konzes­sion zu beacht­en seien (E. 3.3.5).

Basierend auf dieser Grund­lage erwog das Bun­desver­wal­tungs­gericht sodann, dass die von der Beschw­erde­führerin vorge­bracht­en Rügen unbe­grün­det seien:

Keine Ver­let­zung des Gle­ich­be­hand­lungs­ge­bots und der Auss­chrei­bungs­be­din­gun­gen durch eine asymetrische Weit­er­gabe von Infor­ma­tio­nen in den Nachver­hand­lun­gen (E. 4): Bei der Konzes­sion­sauss­chrei­bung und ‑ver­gabe unter­sage das Gle­ich­heits­ge­bot, einzelne Anbi­eter hin­sichtlich entschei­d­wesentlich­er Tat­sachen anders als andere Anbi­eter, d.h. ungle­ich, zu behan­deln, wenn dafür kein vernün­ftiger Grund in den tat­säch­lichen Ver­hält­nis­sen beste­he. Dies gelte auch bei Ver­hand­lun­gen über Ange­bots­be­standteile und in Bezug auf die den Anbi­etern mit­geteil­ten Infor­ma­tio­nen. Dies­bezüglich könne, so das Bun­desver­wal­tungs­gericht, das aBöB zur Konkretisierung des ver­fas­sungsmäs­si­gen Gle­ich­be­hand­lungs­ge­bots beige­zo­gen wer­den (E. 4.4.2). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht stellte zwar fest, dass die SBB nach der Erst­be­w­er­tung ihre Noten­skala hin­sichtlich der für die einzel­nen Noten zu erre­ichen­den Werte teil­weise angepasst habe. Entschei­dend sei jedoch in Bezug auf die gerügte Infor­ma­tion­sasym­me­trie, dass die SBB alle Anbi­eter informiert habe und allen Anbi­etern diesel­ben Möglichkeit­en eingeräumt habe (E. 4.4.3). Eben­so kon­nte das Gericht keine konkreten Anze­ichen für eine asym­metrische Weit­er­gabe von Infor­ma­tio­nen zum Vorteil der Zuschlagsempfän­gerin erken­nen (E. 4.5.2).

Keine Ver­let­zung der Pro­tokollierungspflicht bzw. gegen qual­i­fizierte For­mvorschriften bei der Doku­men­ta­tion von Ver­hand­lun­gen, wonach alle Aspek­te der mündlichen Ver­hand­lung in ein Pro­tokoll aufzunehmen seien (E. 4.6): Dies­bezüglich erwog das Bun­desver­wal­tungs­gericht, dass die detail­lierten Vorschriften über die Pro­tokol­lierungsmodal­itäten gemäss aVöB i.V.m. aBöB nicht eins zu eins auf das konzes­sion­srechtliche Auss­chrei­bungsver­fahren über­tra­gen wer­den kön­nten. Mit Blick auf die Gel­tung der Grun­drechte gelte lediglich die all­ge­meine ver­fahren­srechtliche Akten­führungspflicht der Vorin­stanz um die gerichtliche Über­prü­fung zu ermöglichen, ob dem ver­fas­sungsmäs­si­gen Gle­ich­be­hand­lungs­ge­bot in den Ver­hand­lun­gen Rech­nung getra­gen wor­den sei. Dies sei vor­liegend der Fall gewe­sen. Da zudem nicht von ein­er asym­metrischen Infor­ma­tion auszuge­hen sei, welche zu doku­men­tieren gewe­sen wäre, stelle sich die Frage nach ein­er Ver­let­zung der Pro­tokol­lierungspflicht gar nicht (E. 4.6.2).

Kein Ver­stoss gegen das Trans­parenz- und das Gle­ich­be­hand­lungs­ge­bot bei der Bew­er­tung (E. 5): Die Beschw­erde­führerin drang unter diesem Titel mit ver­schiede­nen Rügen nicht durch: So habe die SBB die Zuschlagskri­te­rien in der Auss­chrei­bung nicht man­gel­haft bekan­nt gegeben (E. 5.1). Die Vorin­stanz hätte vielmehr die Haup­tkri­te­rien und deren Gewich­tung trans­par­ent und für alle Anbi­eter im gle­ichen Umfang bekan­nt gegeben. Aus dem ver­fas­sungsmäs­si­gen Gle­ich­be­hand­lungs­ge­bot ergebe sich, vor­be­hältlich spezialge­set­zlich­er Beson­der­heit­en,  keine Pflicht der Behörde zur Offen­le­gung der Gewich­tung der Unterkri­te­rien für den Zuschlag oder von detail­lierten Bew­er­tungsrastern. Auch aus dem über­ge­ord­neten Recht könne keine ver­schärfte Trans­paren­zvor­gabe abgeleit­et wer­den (E. 5.1.3). Man­gels Anwend­barkeit der stren­geren beschaf­fungsrechtlichen Vorschriften lasse sich, so das Gericht, nicht fest­stellen, dass die SBB die Zuschlagskri­te­rien mit der öffentlichen SHAB-Auss­chrei­bung zu wenig detail­liert, unfair oder in ein­er zu Las­ten der Beschw­erde­führerin ungle­ichen bzw. sie benachteili­gen­den Weise bekan­nt gegeben hätte (E. 5.1.4). Eben­so habe die SBB das Bew­er­tungssys­tem nicht im Laufe des Ver­fahrens in rechtswidriger Weise bewusst zum Vorteil der Zuschlagsempfän­gerin verän­dert (E. 5.2). Zwar sei die zur Beno­tung ver­wen­dete Skala nach der ersten Ver­hand­lungsrunde teil­weise mod­i­fiziert und die ersten (wie die fol­gen­den) Nachof­fer­ten danach bew­ertet wor­den (E. 5.2.4). Allerd­ings sei die Bew­er­tungsskala für bei­de Anbi­eterin­nen in gle­ich­er Weise geän­dert wor­den (E. 5.2.5). Die Anbi­eter seien stets nach der­sel­ben Noten­skala bew­ertet wor­den und die SBB habe nachvol­lziehbare objek­tive Gründe für die Mod­i­fika­tion der Noten­schritte ange­führt (E. 5.2.6). Auch die rel­a­tive Gewich­tung sei nicht zum Vorteil der Zuschlagsempfän­gerin verän­dert wor­den (E. 5.3 und 5.3.2) und die Bew­er­tung der Qual­ität der Ange­bote sei nicht nach einem unein­heitlichen Beurteilungs­massstab vorgenom­men wor­den (E. 5.4 und 5.4.2).

Kein rechtswidriger Umgang mit Geschäfts­ge­heimnis­sen (E. 6.): Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erwog hierzu, das Konzes­sionsver­fahren unter­liege dem VwVG, weshalb für Ver­hand­lun­gen des Auswahlver­fahrens man­gels abwe­ichen­der Spezial­regelung auf das VwVG zurück­zu­greifen sei (E. 6.3). Die SBB habe zwar unge­fähre Wer­tangaben gemacht, um welche Beträge die Anbi­eter ihre Min­dest­mi­ete zur Wahrung ihrer Chan­cen erhöhen müssten. Diese Angaben hät­ten sich aber auf ihre eige­nen Offer­ten bezo­gen. Geschäfts­ge­heimnisse aus dem Ange­bot der jew­eili­gen Konkur­rentin seien keine mit­geteilt wor­den. Die rel­a­tiv­en Wer­tangaben hät­ten auch mit­tel­bar keine Rückschlüsse auf Ange­bots­be­standteile aus der Konkur­ren­zof­ferte zuge­lassen (E. 6.4).