Das Binnenmarktgesetz (BGBM, SR 943.02) verpflichtet die Träger kantonaler oder kommunaler Aufgaben in Art. 5 Abs. 2 BGBM dazu, Vorhaben für umfangreiche öffentliche Beschaffungen sowie die Kriterien für Teilnahme und Zuschlag öffentlich auszuschreiben. Mit Empfehlung vom 30. Juni 2014 gelangt die Wettbewerbskommission (WEKO) diesbezüglich zum Schluss, dass Art. 5 BGBM nicht zur Anwendung gelangt, wenn die Träger kantonaler oder kommunaler Aufgaben von keinen staatlichen Wettbewerbsvorteilen profitieren. Dies ist nach Auffassung der WEKO insbesondere dann der Fall, wenn die Träger unter marktüblichen Bedingungen und gewinnorientiert arbeiten, Verluste selber tragen und somit einem ausreichenden Wettbewerb ausgesetzt sind.
Anders gewendet ist nach den Feststellungen der WEKO ein Träger öffentlicher Aufgaben im Eigentum des Gemeinwesens bei seinen Beschaffungen nur dann im Sinne von Art. 5 Abs. 2 BGBM zur öffentlichen Ausschreibung verpflichtet, wenn er mit seinen Leistungen nicht im Wettbewerb steht.
Im konkreten Fall hatte die WEKO eine im Februar 2014 eingereichte Anzeige zu beurteilen, wonach die Verwaltungsrechenzentrum AG St. Gallen (VRSG) einen Auftrag vergeben hatte, ohne diesen öffentlich auszuschreiben. Die Tätigkeit der vollständig im staatlichen Eigentum (die Aktionäre sind Kantone, Städte und Gemeinden) befindlichen VRSG besteht darin, Informatikanwendungen für öffentliche Verwaltungen sowie Unternehmen mit öffentlicher Zweckbestimmung zu entwickeln und zu unterhalten. Es stellte sich in rechtlicher Hinsicht die Frage, ob Aufträge der Gemeinden und von anderen öffentlichen Auftraggebern an die VRSG oder allenfalls Aufträge der VRSG an Dritte in den Anwendungsbereich von Art. 5 BGBM fallen.
Mit Bezug auf die Unterstellung der VRSG unter Art. 5 BGBM ist der WEKO zufolge entscheidend, ob die VRSG im Rahmen ihrer Tätigkeit im Absatzmarkt einem ausreichenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist und von keinen staatlich veranlassten Wettbewerbsvorteilen profitiert. Gemäss WEKO ist ein solcher Wettbewerbsdruck derzeit vorhanden, da die VRSG an öffentlichen Ausschreibungen sowohl ihrer Aktionäre als auch anderer Gemeinwesen teilnimmt, sich also regelmässig im Ausschreibungswettbewerb behaupten muss. Nach Auffassung der WEKO bestehen keine Hinweise auf relevante Wettbewerbsvorteile der VRSG aufgrund ihrer staatlichen Trägerschaft und somit auch kein Anlass für eine Unterstellung unter die Bestimmungen des BGBM bzw. für eine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung. Die WEKO empfiehlt den öffentlichen Aktionären der VRSG daher lediglich, sich auch für die Zukunft gegenüber der VRSG wettbewerbsneutral zu verhalten und sicherzustellen, dass die VRSG gegenüber ihren Konkurrenten von keinerlei staatlichen Wettbewerbsvorteilen profitiert und als “gewinnstrebendes Unternehmen” geführt wird.
Weitere Informationen: Medienmitteilung vom 11. Juli 2014 (HTML), Empfehlung vom 30. Juni 2014 (PDF).