Mit Urteil vom 10. Januar 2023 (1B_614/2022, 1B_628/2022) passt das Bundesgericht dessen Praxis dem gesetzgeberischen Willen per sofort an: Die Staatsanwaltschaft verfügt über kein Beschwerderecht gegen Entscheide der Zwangsmassnahmengerichte über die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft gegen Beschuldigte. Mit dem Entscheid des Parlaments, bei der Revision der Schweizerischen Strafprozessordnung der Staatsanwaltschaft entgegen anfänglicher Absicht kein Beschwerderecht einzuräumen, hat der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht zu übernehmen.
Im vorliegenden Fall war der Beschuldigte wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft genommen worden. Das zuständige Zwangsmassnahmengericht hatte daraufhin seine unverzügliche Haftentlassung angeordnet. Das Obergericht hiess die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen diesen Entscheid gut. In der Folge wies das Zwangsmassnahmengericht ein Gesuch der Staatsanwaltschaft um Haftverlängerung ab, woraufhin das Obergericht ihre Beschwerde wiederum guthiess.
Das Bundesgericht hat die gegen die Haftverlängerung erhobenen Beschwerden des Mannes nun teilweise gutgeheissen. Das Obergericht hätte in Anbetracht der nun erfolgten Anpassung der Praxis auf die Beschwerden der Staatsanwaltschaft nicht eintreten dürfen. Dies hat indessen jedoch nicht die sofortige Haftentlassung des Beschwerdeführers zur Folge. Da es sich um eine nicht vorhersehbare Anpassung der Rechtsprechung handelt, muss das Zwangsmassnahmengericht neu über die Haftentlassung befinden. Namentlich stellt sich die Frage, ob es gleich entschieden hätte, wenn es darum gewusst hätte, dass dessen Entscheid ohne Anfechtungsmöglichkeit sofort rechtskräftig werden würde.
Gemäss Art. 222 StPO kann die verhaftete Person gegen Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft Beschwerde erheben. Ein entsprechendes Beschwerderecht für die Staatsanwaltschaft sieht die StPO demgegenüber nicht vor. Das Bundesgericht hatte im Jahr 2011 jedoch in einem Grundsatzurteil (BGE 137 IV 22, E. 1) entschieden, dass auch der Staatsanwaltschaft in solchen Fällen ein Beschwerderecht zukomme.
Im Rahmen der aktuellen Revision der StPO (voraussichtliches Inkrafttreten per 1. Januar 2024) hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis der bisherigen bundesgerichtlichen Praxis gegen ein Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Entscheide über die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft ausgesprochen. Das Bundesgericht bringt diesen gesetzgeberischen Willen unmissverständlich zum Ausdruck und hebt die bisherige Praxis zum staatsanwaltschaftlichen Beschwerderecht gegen Haftentscheide des Zwangsmassnahmengerichts in Anbetracht der Gewaltenteilung per sofort auf. Das Urteil wird nach Vorliegen der schriftlichen Begründung veröffentlicht.