BR: Botschaft zur Teilrevision des Kartellgesetzes verabschiedet

Der Bun­desrat hat am 24. Mai 2023 die Botschaft zur Teil­re­vi­sion des Kartellge­set­zes ver­ab­schiedet. Mit dieser Revi­sion, welche bei den Vernehm­las­sung­steil­nehmenden offen­bar auf ein ins­ge­samt pos­i­tives Echo stiess, möchte er die Wirk­samkeit des Kartellge­set­zes verbessern.

Die Ker­nele­mente dieser Teil­re­vi­sion sind:

  • Mod­ernisierung der Zusam­men­schlusskon­trolle: Die Revi­sion sieht den Wech­sel vom heuti­gen qual­i­fizierten Mark­t­be­herrschung­stest, gemäss welchem die Weko bei Zusam­men­schlüssen inter­ve­nieren kann, wenn durch den Zusam­men­schluss eine mark­t­be­herrschende Stel­lung begrün­det oder ver­stärkt wird, durch die der wirk­same Wet­tbe­werb beseit­igt wird (Art. 10 Abs. 2 lit. a KG), zum Sig­nif­i­cant Imped­i­ment to Effec­tive Com­pe­ti­tion-Test (SIEC-Test) und damit eine Anpas­sung an den inter­na­tionalen Prüf­s­tan­dard vor. Nach diesem SIEC-Test kann die Weko inter­ve­nieren, wenn der Zusam­men­schluss den Wet­tbe­werb sig­nifikant behin­dert, ins­beson­dere indem er eine mark­t­be­herrschende Stel­lung begrün­det oder ver­stärkt und die Nachteile dieser Behin­derung nicht durch Effizien­zvorteile, die sich spez­i­fisch aus dem Zusam­men­schluss ergeben, aus­geglichen wer­den (Art. 10 Abs. 2 E‑KG). Die Zusam­men­schlusskon­trolle ori­en­tiert sich damit stärk­er an ökonomis­chen Prinzip­i­en und wird ziel­gerichteter, da sie den Ver­lust an Wet­tbe­werb direk­ter adressiert. Dadurch kön­nten, so der Bun­desrat, den Wet­tbe­werb sig­nifikant behin­dernde Zusam­men­schlüsse geziel­ter unter­sagt oder mit Bedin­gun­gen und Aufla­gen zuge­lassen wer­den. Zudem wer­den bei der Prü­fung zusam­men­schluss­be­d­ingte Effizien­zsteigerun­gen (z. B. Syn­ergieef­fek­te) bess­er berücksichtigt.
    Darüber hin­aus sollen Dop­pel­spurigkeit­en bei inter­na­tionalen Zusam­men­schlüssen ver­hin­dert und die Zusam­me­nar­beit mit der EU und Deutsch­land erle­ichtert wer­den. Die vor­liegende Revi­sion soll hier eine Vere­in­fachung der Meldepflicht von gren­züber­schre­i­t­en­den Unternehmen­szusam­men­schlüssen ein. Diese müssen gemäss Entwurf der Weko nicht mehr gemeldet wer­den, wenn sämtliche vom Zusam­men­schlussvorhaben betrof­fe­nen sach­lichen Märk­te neb­st der Schweiz auch den EWR umfassen und das Zusam­men­schlussvorhaben von der Europäis­chen Kom­mis­sion beurteilt wird.
  • Stärkung des Kartel­lzivil­rechts: Zukün­ftig sollen ins­beson­dere auch Kon­sumentin­nen und Kon­sumenten sowie die öffentliche Hand gestützt auf das Kartell­recht Zivilk­lage ein­re­ichen kön­nen. Weit­er soll eine Ver­jährung­shem­mung von zivil­rechtlichen Ansprüchen aus unzuläs­siger Wet­tbe­werb­s­beschränkung einge­führt wer­den, und zwar vom Zeit­punkt der Unter­suchungseröff­nung der WEKO bis zum recht­skräfti­gen Entscheid. Sodann wer­den die beste­hen­den Ansprüche bzw. Klageart­en um einen Anspruch auf Fest­stel­lung der Wider­rechtlichkeit ein­er Wet­tbe­werb­s­beschränkung ergänzt. Weit­er sollen frei­willig geleis­tete Schaden­er­satz­zahlun­gen neu auch nach dem Entscheid der Weko bei ein­er allfäl­li­gen Ver­wal­tungssank­tion belas­tungs­min­dernd berück­sichtigt wer­den können.
  • Anpas­sung von Artikel 5 KG: Damit soll in Bezug auf die quan­ti­ta­tiv­en Kri­te­rien ein­er Wet­tbe­werb­sabrede die fak­tis­che Recht­slage vor dem Entscheid des Bun­des­gerichts in Sachen Gaba wieder­hergestellt wer­den. Das Bun­des­gericht erwog in diesem Urteil, dass die in Art. 5 Abs. 3 und 4 KG aufge­führten fünf Typen von harten Wet­tbe­werb­sabre­den (hor­i­zon­tale Preis‑, Men­gen- und Gebi­etsabre­den, ver­tikale Preis­bindun­gen und absoluter Gebi­etss­chutz) in der Regel die Erhe­blichkeitss­chwelle erre­ichen bzw. grund­sät­zlich das Kri­teri­um der Erhe­blichkeit nach Art. 5 Abs. 1 KG erfüllen. Daher seien diese Abre­deart­en, also Abre­den von dieser bes­timmten Qual­ität, beson­ders schädlich und bere­its auf­grund ihres Gegen­standes grund­sät­zlich erhe­blich, unab­hängig der quan­ti­ta­tiv­en Ele­mente (z.B. Mark­tan­teile, Umsätze, Mark­tein­tritte und ‑aus­tritte). Mit der Revi­sion wird zukün­ftig auch bei harten Wet­tbe­werb­sabre­den (hor­i­zon­tale Preis‑, Men­gen- und Gebi­etsabre­den, ver­tikale Preis­bindun­gen und absoluter Gebi­etss­chutz) eine Prü­fung von quan­ti­ta­tiv­en Ele­menten grund­sät­zlich erforder­lich sein. Ins­beson­dere auf­grund der Vielfalt und Kom­plex­ität des Wirtschaft­slebens sowie des mit dem Instru­ment der Mark­tab­gren­zung ein­herge­hen­den grossen Inter­pre­ta­tion­sspiel­raums lehnt der Bun­desrat fixe Schwellen­werte für solche wet­tbe­werb­sökonomisch rel­e­van­ten Fak­toren ab. Das erforder­liche Mass des quan­ti­ta­tiv­en Ele­ments der Erhe­blichkeit soll vielmehr im Einzelfall fest­gelegt werden.
  • Stärkung des Wider­spruchsver­fahrens: Dieses soll durch die Teil­re­vi­sion inno­va­tions­fre­undlich­er und prax­is­tauglich­er gestal­tet wer­den. So soll das direk­te Sank­tion­srisiko für Unternehmen hin­sichtlich der gemelde­ten Ver­hal­tensweise endgültig erlöschen, wenn die Wet­tbe­werb­s­be­hör­den innert der Wider­spruchs­frist keine Unter­suchung nach Art. 27 KG eröff­nen. Führt das Weko-Sekre­tari­at lediglich eine Vor­abklärung gemäss Art. 26 KG durch, ohne eine formelle Unter­suchung innert der Wider­spruchs­frist zu eröff­nen, erlis­cht neu das direk­te Sank­tion­srisiko für das gemeldete Ver­hal­ten defin­i­tiv. Stellt sich das Ver­hal­ten im Nach­hinein doch als kartell­rechtswidrig her­aus, so kann es einzig für die Zukun­ft unter­sagt wer­den – eine direk­te Sank­tion nach Art. 49a Abs. 1 KG ist aus­geschlossen. Zudem soll die Wider­spruchs­frist von fünf auf zwei Monate verkürzt wer­den. Die Wet­tbe­werb­s­be­hör­den müssen somit neu innert zwei Monat­en entschei­den, ob eine Unter­suchung eröffnet wer­den soll.
  • Auf­nahme von Regeln zum Unter­suchungs­grund­satz, zur Unschuldsver­mu­tung und zur Beweis­last in das KG: Diese neuen Bes­tim­mungen schlägt der Bun­desrat zur Umset­zung ein­er Motion vor, obwohl er die Motion ablehnte und aus recht­spoli­tis­chen Grün­den emp­fahl, auf die Sta­tu­ierung all­ge­me­ingültiger Grund­sätze in spez­i­fis­chen Geset­zen zu verzicht­en. Die nun vorgeschla­ge­nen Bes­tim­mungen (Art. 39a E‑KG sowie Art. 53 Abs. 3 und 4 E‑KG) hät­ten, so das Bun­des­gericht, lediglich deklara­torischen Charak­ter, da sich die entsprechen­den Grund­sätze bere­its aus dem aktuellen Recht, teils auf­grund völk­er- und ver­fas­sungsrechtlich­er Vor­gaben, teils auf­grund geset­zlich­er Bes­tim­mungen, auf welche das KG ver­weist, ergeben würden.
  • Ein­führung von Ord­nungs­fris­ten für kartell­rechtliche Ver­fahren: Damit soll ins­beson­dere die Sit­u­a­tion von KMUs in kartell­rechtlichen Ver­fahren verbessert wer­den. Zudem sind die lan­gen Ver­fahren auf inter­na­tionaler  Ebene ein Haup­tkri­tikpunkt am Wet­tbe­werb­srecht, ger­ade auch mit Blick auf dynamis­che dig­i­tale Märk­te. Auf Grund­lage des «com­ply or explain»-Prinzips wer­den Ord­nungs­fris­ten für alle Instanzen einge­führt. Von der Gesamt­frist von 60 Monat­en (ab Eröff­nung ein­er formellen Unter­suchung) ent­fall­en 30 Monate auf die WEKO, 18 Monate auf das Bun­desver­wal­tungs­gericht und 12 Monate auf das Bundesgericht.
  • Ein­führung ein­er Parteienentschädi­gung für das erstin­stan­zliche Ver­wal­tungsver­fahren vor der Wet­tbe­werb­skom­mis­sion (WEKO): Parteientschädi­gun­gen erwach­sen nicht einem all­ge­meinen prozes­sualen Grund­satz und sind ins­beson­dere im erstin­stan­zlichen Ver­wal­tungsver­fahren unüblich, wodurch sie ein­er aus­drück­lichen geset­zlichen Grund­lage bedür­fen. Mit der neuen Regelung soll betrof­fe­nen Unternehmen eine Parteienentschädi­gung zuge­s­tanden, sofern das Unter­suchungsver­fahren gemäss Art. 27 KG durch die Wet­tbe­werb­s­be­hör­den ohne Fol­gen ganz oder teil­weise eingestellt wurde.

Der Bun­desrat beab­sichtigt sodann, die Reform der Wet­tbe­werb­s­be­hör­den, deren Fehlen im Rah­men der Vernehm­las­sung kri­tisiert wurde, par­al­lel zu dieser Teil­re­vi­sion zu prüfen. Zu diesem Zweck hat er eine unab­hängige Expertenkom­mis­sion einge­set­zt, die bis Ende 2023 ver­schiedene Optio­nen bew­erten und dazu bre­ite Kreise anhören soll (die entsprechende Medi­en­mit­teilung kön­nen Sie hier abrufen). Dieses par­al­lel Vorge­hen begrün­det der Bun­desrat auch damit, eine zügige Umset­zung der grund­sät­zlich unum­strit­te­nen Ele­mente ermöglichen zu wollen. Die Vor­lage liegt nun beim Parlament.

Die Botschaft samt dem dazuge­hören­den Entwurf kön­nen hier abgerufen werden.